Zündet sich selbst gern eine an und bläst bei den Koalitionsverhandlungen nun der ÖVP den blauen Dunst um die Ohren: FP-Chef Heinz-Christian Strache.

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Wien – Es gehe ihm nicht nur um die eigene Geldtasche, sagt Amer Abbas. Ja, wie viele andere Kollegen rechne auch er mit Umsatzeinbrüchen, doch das sei noch gar nicht das Schlimmste: "Der springende Punkt ist: Sie nehmen den Menschen ihre Freiheit."

Abbas betreibt zwei Bars in Wien, den Futuregarden und die New Bar – keine simplen "Fresslokale", wie er sagt. Es sei eine sehr "individuelle Entscheidung" der Gäste, was sie wo essen, trinken und eben rauchen wollten. Schreibe die Politik dies vor, "nimmt sie den Räumen ihre Seele. Dann soll der Staat besser gleich selbst Einheitslokale einrichten – oder alle Kinder dazu erziehen, zu Starbucks zu gehen."

Düstere Zukunft ab Mai

Die düstere Zukunft, die der Gastronom an die Wand malt, soll nächsten Frühling anbrechen. Ab Mai 2018 gilt in allen heimischen Lokalen ein generelles Rauchverbot – wenn die angehende Regierung dieses nicht doch noch kippt. Denn in den Koalitionsverhandlungen mit der ÖVP drängt die FPÖ darauf, den Zigarettenbann abzusagen. "Uns ist es damit wirklich ernst", sagt einer aus dem blauen Kreis und zeigt in dieser Frage wenig Bereitschaft für einen Kompromiss: Schließlich sei ja schon der Status quo, der größeren Lokalen einen Nichtraucherbereich im überwiegenden Ausmaß vorschreibt, ein solcher.

Dass die Blauen das Thema hochhalten, liegt nahe. Der Kampf gegen ein Verbot, das dem kleinen Mann eine seiner (letzten) Freuden vergällt, passt gut zum Image der Anti-Establishment-Partei. Außerdem decken sich die Zielgruppen. Wer formal über eher niedriges Bildungsniveau verfügt, ist nicht nur besonders häufig Raucher, sondern auch FPÖ-Wähler.

Parteichef Heinz-Christian Strache selbst, der dem Glimmstängel ebenfalls nicht abgeneigt ist, spricht von Wahlfreiheit und Eigenverantwortung, und dann ist da noch das ewige Argument mit den Arbeitsplätzen: Das Rauchverbot werde Kunden vertreiben, Lokale zum Zusperren zwingen – und so tausende Jobs vernichten.

Erst vergangene Woche hat sich Strache mit gleichgesinnten Gastronomen medienwirksam den blauen Dunst um die Ohren geblasen, doch beileibe nicht alle Wirte pflichten seinen Argumenten bei. Claudia Neubauer etwa hat in ihrem Gasthaus s'Eckbeisl in Wien-Döbling vor drei Jahren auf weitgehend rauchfreien Betrieb umgestellt, weil sie sich und ihren Mitarbeitern die zehn Stunden im Gestank nicht mehr zumuten wollte. Seither darf nur noch an zwei Tagen in einem Teil des Lokals gepofelt werden – ein Zugeständnis an nikotinaffine Stammrunden.

Speis und Trank unumwölkt

Zu Beginn sei der Umsatz schon eingebrochen, erzählt sie, doch dann habe sie statt mancher alten Gäste neue gewonnen, die Speis und Trank gern unumwölkt genießen. Außerdem seien viele Raucher ohnehin tolerant und gingen für die Tschick halt schnell auf die Straße. "Es sind nur die Medien, die das Thema aufbauschen", sagt Neubauer und hofft, dass das Rauchverbot hält: "Alles andere wäre ein Rückschritt."

Geht es nach Mario Pulker, dann ist die Wirtin in der Minderheit. Maximal im tourismuslastigen Westen, wo die Gäste auch ohne Raucherlaubnis ihr Geld in die Gaststätten tragen, sei die Meinungslage pari, sagt der Obmann der Sparte Gastronomie in der Wirtschaftskammer. In den großen Bundesländern aber gebe es eine satte Mehrheit gegen das Verbot von 70 Prozent aufwärts.

"Scheinheilig" sei es, dass nur die Gaststätten zum Handkuss kämen: "In Volksfestzelten hingegen rauchen und saufen Jugendliche ohne Kontrolle. Und dass Rauchen selbst in den Spitälern erlaubt bleiben soll, ist überhaupt eine Sauerei." Lieber solle die Regierung endlich etwas für Prävention tun, sagt Pulker und richtet seinen Parteifreunden für die Koalitionsverhandlungen aus: "Hat die ÖVP einen wirtschaftspolitischen Anspruch, darf sie das Thema nicht der FPÖ überlassen."

Kurz im Zwiespalt

Stimmen wie diese bringen Sebastian Kurz und Co in die Zwickmühle. Auf der einen Seite macht der Wirtschaftsflügel Druck, auf der anderen aber hat die ÖVP das Verbot mitbeschlossen – und als rückwärtsgewandte Partie, die alle Gesundheitsbedenken in den Wind schlägt, wollen die Türkisen nicht übrig bleiben. Schließlich schlagen Experten bereits Alarm. Ein Drittel aller Krebserkrankungen resultiere aus dem Rauchen, rechnet die Krebshilfe vor. Der Verband der Lungenfachärzte zitiert Studien, wonach Rauchverbote in Ländern wie Italien und Irland prompt zur einer Reduktion der Krankheiten führten.

Durch die Brille des Gastronomen hält Barbesitzer Abbas Vergleiche allerdings nicht für zulässig. Dass etwa Gäste, wie anderswo üblich, zum Rauchen vor die Tür gingen, würde hierzulande nur zu Wickel mit Anrainern führen: "Bei uns ist das Denunziantentum zu groß."
(Gerald John, 4.12.2017)