Beate Palfrader: "Wir kennen nur Überschriften."

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Wien/Innsbruck – Am Montag wurden die Koalitionsverhandlungen zwischen ÖVP und FPÖ mit einem Treffen der Chefverhandler fortgesetzt; man habe über viele relevante Budgetfragen gesprochen, erklärte ÖVP-Chef Sebastian Kurz. Eine Einigung wollte er den anwesenden Journalisten freilich nicht verkündigen: Man sei auf einem guten Weg und werde in den nächsten Tagen wieder medial Stellung nehmen. Ziel sei eine Senkung der Steuerquote in Richtung 40 Prozent, bekräftige Kurz. Man arbeite gerade in den Verhandlungen an einem Konzept, um dies in den nächsten fünf Jahren umsetzen zu können.

Nach einem Datum für den Abschluss der Gespräche befragt betonte der ÖVP-Chef, "wir sind Gott sei Dank gut im Zeitplan". Er sei voller Hoffnung, dass es gelingen werde, bis Weihnachten eine stabile Regierung zustande zu bringen.

Von ÖVP-Verhandlerkreisen dementiert wurde, dass es bereits – wie die "ZiB" berichtete – eine Ministerliste mit zum Teil fixen Ressortzuteilungen gibt. Laut der vom ORF gezeigten Liste ist bereits vereinbart, dass Heinz-Christian Strache als Vizekanzler für Heimatschutz und Verteidigung zuständig sein wird. Nahostexpertin Karin Kneissl soll das Außenministerium, Norbert Hofer (FPÖ) Verkehr und Infrastruktur übernehmen – was schon bekannt ist -, für Gesundheit und Frauen wurde die oberösterreichische ÖVP-Landesrätin Christine Haberlander genannt.

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Auf der Liste findet sich allerdings auch Wolfgang Sobotka weiterhin als Innenminister – was von der ÖVP umgehend dementiert wurde.

Unmut in Tirol

In der Tiroler ÖVP manifestiert sich indes zunehmend Unzufriedenheit mit den Plänen der türkis-blauen Koalitionsverhandler. Bildungslandesrätin Beate Palfrader beklagte am Montag die mangelnde Einbindung der Länder. Der Tiroler Arbeiterkammer-Präsident Erwin Zangerl, der wie Palfrader aus dem ÖAAB kommt, warnte zudem in der "Tiroler Tageszeitung", vor den politischen Machtansprüchen der FPÖ einzuknicken.

Palfrader kritisierte, dass die Länder beim Bildungsthema nicht einbezogen wurden: "Nach wie vor kennen wir nur Überschriften. Dabei könnten wir unsere Erfahrungen einbringen." Im Team der Koalitionsverhandler waren allerdings die Bildungslandesrätinnen von Nieder- und Oberösterreich vertreten.

Gegen Notenpflicht

Freilich seien auch positive Ansätze dabei wie die Forcierung der Kindergärten, der Ausbau der Ganztagsschulen und die Fokussierung auf die Grundtechniken, sagt Palfrader. "Bedenklich" seien jedoch die Verpflichtung, zu Ziffernnoten zurückzukehren, und die damit verbundene Abkehr von der Wahlfreiheit und der Schulautonomie. "Wir haben in Tirol bereits 225 Klassen mit alternativer Leistungsbeurteilung." Dahinter steckten jahrelange Entwicklungsarbeit und Erfahrung. Zudem nehme die alternative Beurteilung viel Druck von den Kindern wie auch den Lehrern.

Hinterfragenswert seien auch die angedachten Sanktionen für Eltern bei Nichteinhaltung der Schulpflicht. "Mit ist nicht klar, wie man sich das vorstellt", sagt Palfrader. "Wir setzen stattdessen auf Beratung und Information. Das ist zielführender." Sie hoffe aber, dass gelte: "Nichts wird so heiß gegessen, wie es gekocht wird." Sie will nun darauf drängen, dass sich auch die Länder einbringen können: "Wir haben jahrelange Erfahrungswerte." Ob es hier eine Bruchlinie innerhalb der ÖVP gebe, wollte sie nicht beurteilen. In Vorarlberg orte sie jedenfalls "ähnliche" Standpunkte wie in Tirol.

Arbeiterkammer ortet Zentralismus

Arbeiterkammer-Präsident Zangerl hielt gegenüber der "Tiroler Tageszeitung" angesichts der Pläne zur Selbstverwaltung der Krankenkassen mit seiner Empörung ebenfalls nicht hinterm Berg: "Wir sind nicht gegen Reformen bei den Kassen, aber die sind in den Ländern zu führen." Was jedoch ÖVP und FPÖ planten sei "Zentralismus pur", so Zangerl: "Mit dieser Struktur und nur noch einer österreichischen Kasse statt den neun Gebietskrankenkassen hat Tirol überhaupt keinen Einfluss mehr. Es geht uns um Verantwortung für die Versicherten und unsere Mitglieder vor Ort". Im Westen formiere sich daher Widerstand. Tirol, Vorarlberg und Salzburg hätten ein Positionspapier verabschiedet.

Die ÖVP dürfe nicht vor den politischen Machtansprüchen der Freiheitlichen einknicken, betonte Zangerl: "Bei den demokratischen Wahlen in den Interessenvertretungen bzw. der Selbstverwaltung waren sie in der Vergangenheit kaum erfolgreich, jetzt versuchen die Blauen über die Zerschlagung der Selbstverwaltung Einfluss zu gewinnen".

Kurz unbeeindruckt

ÖVP-Chef Sebastian Kurz lässt sich von Misstönen aus der Tiroler Volkspartei zu den Koalitionsverhandlungen nicht beeindrucken: "Wenn man was verändert, dann gibt's immer wieder Reibung", gab sich Kurz Montagabend gelassen. Dies sei "nicht weiter überraschend".

Naturgemäß anders sah das Tirols FPÖ-Chef Markus Abwerzger: "Zangerl und Palfrader sollen mit ihren unqualifizierten Zwischenrufen die Koalitionsgespräche nicht länger stören". Offenbar hätten die beiden in der "neuen ÖVP" nicht mehr jenen Stellenwert, den sie gerne hätten. Zangerl gehe es "alleine um seinen eigenen Futtertrog und um seinen eigenen Machterhalt", so Abwerzger. Palfrader sei ebenfalls eine "Proponentin der Tiroler ÖVP-Alt". Insbesondere im Bildungsbereich vertrete sie eine "Linie, die die Bundes-ÖVP nun klar ablehnt". Abwerzger ortete diesbezüglich aber auch in der Tiroler ÖVP Gespaltenheit. (APA, red, 4.12.2017)