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Der Krieg behindert die Entwicklung – an mehreren Ort Afrikas, aber vor allem im Südsudan. Kehrt endlich Friede ein, gäbe es an vielen Punkten Potenzial für Entwicklung, sagt Handelsminister Moses Hassan Tiel. "Im Moment kann man im Südsudan in fast alles investieren, denn es fehlt an fast allem", sagt er.

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Wien – Die Nachrichten, die die Welt in den vergangenen Jahren aus dem Südsudan erreicht haben, waren meist alles andere als erfreulich: Nur zwei Friedensjahre hat der jüngste Staat der Welt seit seiner Ausrufung 2011 erlebt. Der blutige Bürgerkrieg hat sich noch immer nicht beruhigt. Regierung und Opposition beschuldigen einander grausamer Menschenrechtsverbrechen, Hilfsorganisationen und Uno sehen Kämpfer beider Seiten in der Schuld. Und auch wenn die Auseinandersetzungen zuletzt etwas nachgelassen haben: Der Krieg tobt noch immer und hat im vergangenen Frühjahr eine schwere Hungersnot mitausgelöst, die Hunderttausende zur Flucht in die umliegenden Staaten zwang.

Handelsminister Moses Hassan Tiel ist trotzdem vom Potenzial seines Landes überzeugt. Er zeichnet im Gespräch mit dem STANDARD ein Vision seines Heimatlandes, die sich stark vom aktuellen Zustand mit Not und Leid unterscheidet. Ihm schwebt der Südsudan als zentraler Verkehrsknotenpunkt der Region vor.

Sei der Krieg erst einmal beendet, werde sich das Land wie kein zweites dafür eignen, sagt Tiel. Teile der Zentralafrikanischen Republik, des östlichen Kongo und des nördlichen Uganda könne man so an den Welthandel anbinden. Rohstoffe von dort könnten in Richtung Nil und in Richtung der Häfen an der ostafrikanischen Küste gebracht werden. Im Gegenzug könnten diese Gebiete mit verarbeiteten Gütern beliefert werden, die den Lebensstandard erhöhen. Die Lage des Südsudan im Herzen des Kontinents könnte sich da als Vorteil erweisen, so Tiel: "Der Südsudan ist ein bisschen wie Österreich. Ein Binnenstaat zu sein kann auch von Vorteil sein. Länder wie Österreich haben bewiesen, dass man auch ohne Meereszugang einer der mächtigsten Märkte Europas werden kann."

Der Nil soll geöffnet werden

Das, sagt Tiel, seien freilich alles langfristige Projekte, derzeit gibt es im ganzen Land noch immer nur eine einzige asphaltierte Straße. Kurzfristig gehe es darum, zumindest den Handel mit den Nachbarn wieder zum Laufen zu bringen. Derzeit importiere das Land einen Großteil der Nahrungsmittel, die die Bevölkerung zum Überleben braucht. Und weil der Handel mit dem nördlichen Nachbarn zum Erliegen gekommen ist, habe Uganda im Süden ein großes Mitspracherecht, was die Preise betrifft. Deshalb, so Tiel, gelte es, den Handel mit dem Sudan wieder zum Funktionieren zu bringen. Ganz besonders gehe es dabei darum, den Nil als wichtigsten und günstigsten Handelsweg wieder kommerziell schiffbar zu machen. In diesem Bereich hat Tiel auch einige Initiativen vorzuweisen: Erst jüngst wurde eine Rahmenvereinbarung mit dem nördlichen Nachbarn unterzeichnet.

Dass der Ausbau der Infrastruktur immer chinesischen Firmen in die Hände falle, erklärt Tiel schlicht mit dem günstigen Preis. Das heiße aber nicht, dass es sich immer als die bessere Wahl herausstelle. Mittlerweile habe man in mehreren Staaten auf dem Kontinent gesehen, dass auch Qualität zähle. Daher könnten Einkäufe bei europäischen Firmen sich letztlich doch lohnen. Zudem sieht Tiel, der in Kiel studiert hat, auch eine größere kulturelle Nähe: "Die Chinesen sind uns noch immer recht fremd, in Sachen Geschichte und auch in der Art, wie sie Dinge angehen. Zudem sprechen bei uns viel mehr Leute europäische Sprachen als Chinesisch." Derzeit freilich gilt vor allem sein eigenes Land als eines jener Gebiete, in denen sich China besonders engagiert und sogar UN-Truppen stellt. Peking wird massives Interesse am südsudanesischen Öl nachgesagt.

"Im Südsudan kann man in fast alles investieren"

Außerdem steht dem Fortschritt noch immer der Krieg zwischen Regierung und Opposition entgegen, dessen Ende nicht absehbar ist. Er dauert auch deswegen an, weil er die Grenzen zwischen den ethnischen Gruppen im Land vertieft hat – die größten Gruppen Dinka und Nuer unterstützen jeweils unterschiedliche Seiten. Auch deshalb sind im eigenen Land und in den Nachbarstaaten hunderttausende Flüchtlinge unterwegs. Sie machen sich freilich selten nach Europa auf – denn für die teure Reise fehlt das Geld.

Sie fallen daher auch nicht in jene Gruppe, über die Staaten der EU und der Afrikanischen Union jüngst in der ivorischen Metropole Abidjan diskutierten – noch. Dennoch glaubt Tiel, dass weitere wirtschaftliche Entwicklung in seinem Land nicht zu einer Migrationswelle führen würde: Gebe es Fortschritt, würde das die Migration zumindest auf längere Sicht beenden. "Was feststeht, ist, dass nur die Afrikaner selbst Afrika entwickeln können." Daher sei es sehr schmerzhaft zu sehen, dass so viele das Potenzial in ihren Heimatländern als so gering einschätzen. Man müsse den eigenen Bürgern stärker zeigen, dass es Möglichkeiten zu Hause gibt. Dann würden auch jene zurückkehren und investieren, die – so wie er selbst – Zeit im Ausland verbracht hätten, sagt Tiel: "Im Moment kann man im Südsudan in fast alles investieren, denn es fehlt an fast allem." (Manuel Escher, 5.12.2017)