Jahrelanges Training macht die Ruderinnen von britischen Universitäten (hier im Bild die Damen der Uni Cambridge) zu Champions. Mit den Oberarmen neolithischer Frauen könnten sie es dennoch nicht aufnehmen.

Foto: Alastair Fyfe for the University of Cambridge

3D-Modell eines gescannten Oberarmknochens. Anhand der Knochen konnten die Wissenschafter die schwere körperliche Arbeit der Frauen in der Jungsteinzeit nach dem Aufkommen der Landwirtschaft ablesen.

Illustr.: Fred Lewsey (Cambridge University)

Wien – Der Wechsel vom Jäger- und Sammlerleben zu Sesshaftigkeit und Landwirtschaft brachte auch einige körperliche Veränderungen – und hier insbesondere für die Frauen, wie internationale Forscher mit österreichischer Beteiligung nun nachgewiesen haben. Anhand der Analyse von Knochen aus verschiedenen Epochen seit der Jungsteinzeit stellten die Wissenschafter fest, dass die neolithischen Frauen durch die schwere körperliche Arbeit offenbar kräftigere Arme besaßen als heutige Spitzenruderinnen.

Das Team um Alison Macintosh von der Universität Cambridge (England) untersuchte die Stärke des Oberarmknochens und Schienbeins von weiblichen Überresten in Zentraleuropa aus der Jungstein-, Bronze- und Eisenzeit sowie dem Mittelalter. Sie verglichen jene mit den Knochenstärken heute lebender Rudererinnen aus dem Cambridge-Team, Fußballspielerinnen, Ausdauerläuferinnen und Frauen, die keine besondere Tätigkeit ausführten.

Anpassung an körperliche Belastungen

"Wir haben dabei nicht nur die Dicke der Knochen gemessen, sondern auch ihre Robustheit anhand biomechanischer Charakteristika untersucht, also zum Beispiel ihre Feinstruktur, die Winkelung und wie ausgeprägt der feste Außenteil im Vergleich zum Knochenmark ist", erklärte Ron Pinhasi vom Department für Anthropologie der Universität Wien. Knochen sind ein lebendes Gewebe, das sich der körperlichen Belastung anpasst, und geben daher Auskunft über die körperlichen Aktivitäten ihrer Besitzerinnen.

Die Frauen waren selbst in der Jungsteinzeit offensichtlich nicht mehr auf den Beinen unterwegs als heutige Durchschnittsfrauen, stellte sich heraus. Denn ihre Schienbeinknochen waren ähnlich stark. Selbiges gilt für die Frauen der Bronze- und Eisenzeit sowie des Mittelalters. Die kräftigsten Beine aller (untersuchten) Zeiten weisen heutige Läuferinnen und Fußballerinnen auf.

Die Oberarme der frühen Farmerinnen waren in den ersten 6.000 Jahren der Landwirtschaft allerdings besonders kräftig, also in der Jungstein-, Bronze- und Eisenzeit, berichteten die Forscher im Fachmagazin "Science Advances". Die untersuchten Armknochen der Frauen aus der Jungsteinzeit (die vor 7.400 bis 7.000 Jahren gelebt haben) stellten sich als um elf bis 16 Prozent stärker heraus als jene von Athletinnen des Cambridge-Ruderteams und sogar um ein knappes Drittel kräftiger als die oberen Extremitäten von durchschnittlichen Cambridge-Studentinnen. Bronzezeitfrauen hatten um neun bis 13 Prozente stärkere Armknochen als die Cambridge-Rudererinnen.

Kräfteraubendes Kornmahlen

Neben dem Pflügen, Auspflanzen und Ernten gehen die Forscher davon aus, dass vor allem das Mahlen von Korn für ständiges Armkrafttraining sorgte. "Über Tausende Jahre wurde diese Tätigkeit wahrscheinlich von Frauen durchgeführt", erklärten sie. Dabei mussten sie die geernteten Körner händisch zwischen zwei großen Steinen zerreiben. Solche urtümlichen Mühlen nennt man "Sattelquerne". "In den wenigen Kulturen, wo man solche Sattelquerne heute verwendet, mahlen die Frauen bis zu fünf Stunden am Tag Korn damit", berichteten die Forscher.

Im Mittelalter verloren die Frauen aber ihre Armkraft relativ rasch. Fortschritte in der Technik, wie etwa von Wind- und Wasserkraft angetriebene Mühlen, befreiten sie offensichtlich von der harten Handarbeit. Die Oberarmknochen der mittelalterlichen Frauen waren schon vergleichbar mit jenen von heute, wie etwa Funde aus Pottenbrunn in Niederösterreich belegen, die vom neunten Jahrhundert unserer Zeitrechnung stammen. (APA, red, 2.12.2017)