Reisebuchautor Jochen Müssig zieht es immer wieder nach Thailand. Und doch entdeckt er auch nach Jahren ständig Neues an dem beliebten Fernreiseziel. Hier erzählt er vom Fußballmönch aus Bangkok, von Grenzerfahrungen in allen Landesteilen und einem architektonischen Glanzstück der Khmer.

Der Buddha als Fußballgott

Was haben Leicester City, der Fußballverein aus der englischen Provinz, und der Buddha von Wat Traimit in Bangkoks Chinatown miteinander zu tun? Je nach Sichtweise: nichts oder eine ganze Menge. Der Zufall will es – ein Buddhist würde natürlich behaupten: das Karma sieht vor -, dass ein Mönch namens Chao Khun Thongchai aus dem Kloster von Wat Traimit den englischen Klub vergoldete.

Chao Khun hat den Provinzklub Leicester City in der Saison 2015/2016 zum ersten Mal zum englischen Fußballmeister gemacht – das glauben zumindest die Thais. Der Mönch segnete den Rasen des Stadions und die Spieler, stattete diese jeweils mit drei Glücksamuletten aus und meditierte bei jedem ihrer Spiele. "So sende ich den Spielern positive Energie", sagt der Mönch, der vom Fußball keine Ahnung hat, weder die Regeln kennt noch andere Mannschaften.

Blankes Gold

Der Tempel Wat Traimit wiederum beheimatet den wertvollsten Buddha Thailands, der eine höchst kuriose Geschichte hat: Die Figur stammt aus dem 14. Jahrhundert, einer Zeit, in der die Burmesen zeitweise in Thailand einfielen und das Land plünderten. Deshalb wurde die Statue mit einer unscheinbaren Gipsschicht überzogen. Die Burmesen fielen auf den Trick herein und ließen die scheinbar wertlose Figur außer Acht. Der wahre Kern geriet im Laufe der Zeit aber auch bei den Thailändern in Vergessenheit.

Es dauerte schließlich bis ins 20. Jahrhundert und bedurfte eines großen Zufalls, damit der wahre Wert erkannt wurde. 1955, als der vermeintliche Gips-Buddha ins Wat Traimit umquartiert wurde, fiel er beim Transport versehentlich auf den Boden. Der Gipsmantel sprang, und zum Vorschein kam blankes Gold. Schnell entdeckte man, dass die Figur nicht nur vergoldet ist wie die meisten Buddhas im Land, sondern aus insgesamt sechs Tonnen 18-karätigem Gold besteht.

Info: Wat Traimit ist täglich geöffnet von 8 bis 17 Uhr, Eintritt: rund € 1. Nähe MRT Hauptbahnhof (Station Hua Lamphong).

Foto: gettyimages/istockphoto/telnyawka

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Der Khmer-Bau mit Grenzbalken

Alle Schranken sind bloß des Übersteigens wegen da", sagte der deutsche Lyriker Novalis vor über 200 Jahren. Der Reiz des Verbotenen gilt immer noch, findet aber ein uncharmantes Ende, wenn es sich bei den Schranken um Landesgrenzen handelt.

Im Fall des Weltkulturerbes Prasat Phra Wihan, das an der Grenze von Thailands Nordosten zu Kambodscha liegt, sollte man sich vorher überlegen, wie man hinkommt. Ohne Freeclimber-Erfahrung ist der Tempel ausschließlich von Kambodscha aus begehbar. Man begibt sich von Thailand kommend zu einem Holzunterstand, der die kambodschanische Grenze markiert, und erreicht nach 800 Metern wieder thailändisches Gebiet – so sehen es zumindest die Thais. Der Internationale Gerichtshof in Den Haag hat Prasat Phra Wihan längst den Kambodschanern zugesprochen.

Künstlerische Qualität

Das Khmer-Bauwerk aus dem zehnten bis zwölften Jahrhundert wurde auf einem Überhang mit spektakulärer Aussicht errichtet, knapp 200 Kilometer südlich der Provinzhauptstadt Ubon Ratchathani. Der größte Teil des Tempels liegt in Ruinen, jene Reliefs und Türstürze, die intakt sind, zeugen aber von außergewöhnlicher künstlerischer Qualität.

Vorsicht: Die Flächen rechts und links des Weges sind immer noch vermint, zudem sollte man sich kurz vor dem Besuch über die aktuelle Sicherheitslage informieren.

Foto: Kay Maeritz / Lookphotos / picturedesk.com

Der höchste Stupa der Welt

Sunthon Phu ist in Thailand, was Shakespeare für die Briten und Goethe für die Deutschen ist. Der Dichter – 1786 bis 1856 – ermöglichte dem Irdischen den Einzug in die thailändische Literatur. Vor ihm beherrschten ausschließlich religiöse Motive und Geschichten die Poesie im Königreich.

In seinem Werk Nirat Phra Pathom beschreibt Sunthon eine Reise nach Nakhon Pathom, in eine Großstadt in der gleichnamigen zentralthailändischen Provinz. Dort geht er auf der Terrasse des Tempels ehrfürchtig um den sich bis 1870 im Bau befindlichen Chedi (der in der Sakralarchitektur anderer buddhistischer Länder Stupa genannt wird). Heute gilt dieser als der erste und heiligste des Landes. Sunthon schrieb über das Bauwerk: "Das muss der Weg zum Himmel sein, wenn wir einmal sterben." Der Phra Pathom Chedi ist mit 127 Meter Höhe das höchste buddhistische Bauwerk der Welt, höher noch als die bekanntere Swedagon, die Goldene Pagode, in Myanmar.

Eine Figur auf der Nordseite der Anlage soll König Phya Kong darstellen, der in der Legende um die Entstehung des Chedis eine Rolle spielt: Ein Astrologe weissagte ihm, dass sein Sohn Phya Pan ihn eines Tages töten würde. Daraufhin ließ er diesen im Wald aussetzen, eine Frau fand ihn dort und zog ihn auf. Als Phya Pan erwachsen war, trat er in die Dienste des Königs von Ratchaburi – und tötete in einer Schlacht gegen König Phya Kong den Vater.

Zur Sühne ließ er eine Dagoba errichten, den Vorgängerbau des Phra Pathom Chedi, die heute im Innern des Chedis verborgen ist. Die ersten schriftlichen Aufzeichnungen über das Bauwerk reichen bis ins Jahr 675 zurück, archäologische Ausgrabungen deuten aber darauf hin, dass bereits im vierten Jahrhundert ein erster Chedi errichtet worden war. Der Phra Pathom Chedi steht auf der Vorschlagsliste zum Weltkulturerbe der Menschheit.

Phra Pathom Chedi: täglich von 7 bis 20 Uhr geöffnet.

Foto: Gettyimages/iStockphoto/puthithon

Der Pool in einem fremden Staat

Noch einmal Bangkok: In der thailändischen Hauptstadt ist einer der abstrusesten Grenzverläufe des Landes zu finden: zwischen zwei Swimmingpools einer Hotelanlage. Im Royal Orchid Sheraton geht es in der Badehose durch eine Parkanlage in Richtung Garden-Pool. Auf dem kurzen Weg dorthin fällt eine Bronzetafel auf: "Sie sind nun in Portugal", steht da geschrieben.

Der schönere der beiden Pools des Hotels liegt nämlich auf dem Grundstück der portugiesischen Botschaft im sogenannten Garden of Portugal. Und Bangkok mag zwar fast 10.700 Kilometer von Lissabon entfernt sein, aber bei diesem Land handelt es sich tatsächlich um ein echtes Stück Portugal. Normalerweise sind Grundstücke einer ausländischen Botschaft integraler Bestandteil des Staatsgebietes, in dem sie liegen.

Älteste Botschaft Portugals

Die Erklärung für diese Besonderheit reicht bis ins 19. Jahrhundert zurück: König Rama II. vermachte das Land am Fluss Chao Phraya im Jahr 1850 der portugiesischen Königin Maria II. Die portugiesische Botschaft in Bangkok, die dort errichtet wurde, ist nicht nur die älteste in Thailands Hauptstadt, sondern auch die älteste Portugals weltweit. Und selbst wenn das Hotel das Gelände mitnutzen darf – es bleibt als eines der letzten der Welt weiterhin ein echtes exterritoriales Gebiet.

Am vielleicht schönsten Grenzübergang des Landes, zwischen Viereck-Pool in Thailand und Freiform-Pool in Portugal, hat man einen herrlichen Blick auf den Fluss. Empfangen werden die Grenzgänger im Park üblicherweise von stolzen Pfauen.

Info: Das Royal Orchid Sheraton ist ein gutes, aber günstiges und zentral gelegenes Vier-Sterne-Hotel (Doppelzimmer ab € 120). Von allen Zimmern blickt man auf den Fluss.

Web: www.royalorchidsheraton.com

Foto: Royal Orchid Sheraton

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Das Dorf der vielen Völker

Gegen halb sechs Uhr, wenn der Morgennebel langsam aufklart, verlässt der Mönch Urai seinen Tempel. Es ist die Zeit, die die Thais lieben. Es wird geputzt, gekocht, gelacht, mit Elan geht es ans Tagwerk. Der Mönch schreitet vom Wat, seiner Klosteranlage, würdevoll durch die Straßen von Mae Sai. Die Frauen des Dorfs kochen extra für die Mönche und legen jedem etwas davon in deren Opferschalen. Die Häupter der Frauen senken sich, die Hände werden gefaltet, denn es sind die Gebenden, die in Thailand Danke sagen, weil sie schenken durften.

In Mae Sai, Thailands nördlichster Siedlung, ist das Leben noch wie andernorts im Land vor 30, 40 Jahren. Zwar tragen selbst die hier lebenden Bergvölker ihre angestammte Tracht nur noch an Festtagen, aber fast jeder Tag wirkt dort wie ein gemächlicher Feiertag. Sogar thailändische Guides müssen nachfragen, ob sie es mit jemandem von der Volksgruppe der Akha (siehe Foto) oder Yao, von den Lisu oder Lahu zu tun haben, wenn sie den Menschen in dem multiethnischen Dorf begegnen.

Goldenes Dreieck

Genau wegen dieser Vielfalt fahren einige wenige Touristen in den Norden Thailands, manche auch wegen der vielen Elefanten im Goldenen Dreieck, wo Thailand, Myanmar und Laos aneinandergrenzen. Die Region ist allerdings ebenso verrufen als florierender Drogenumschlagplatz. Früher wurde Rauschgift in Gold bezahlt. Eine Einheit wog exakt 15,2 Gramm, das Gewicht der ursprünglichen Baht-Münze. Mit Opium wird in der Region bis heute viel verdient – schmutziges Geld. Über die Grenze fließt es in burmesische Kasinos, wird dort gewaschen und kommt als "sauberes Geld" wieder zurück.

Mae Sai ist herrlich am gleichnamigen Fluss gelegen. Über diesen führt eine Brücke, auf der man zu Fuß und ohne große Formalitäten einen Tag lang nach Tachilek in Myanmar gelangt. Touristen nutzen den Grenzübergang häufig für eine Verlängerung des thailändischen Visums. (Jochen Müssig, RONDO, 4.12.2017)

Foto: Getty Images/Barry Lewis