Oft werden die Adressen der Frauenhäuser in Gerichtsakten veröfftentlicht, was zu Belagerungen führt.

Foto: Regine Hendrich

Wien – "Es gibt zunehmend Frauen, die von der ganzen Familie bedroht werden", sagt Birgit Thaler-Haag dem STANDARD. Die Angehörigen wollen verhindern, dass sich die Frau von ihrem Partner trennt, erzählt die Leiterin des Salzburger Frauenhauses. Bei Zwangsehen sei die Familie der Frau eine zusätzliche Bedrohung. In Österreich werden jährlich 24 Frauen von ihrem Partner oder Ex-Freund getötet.

Adresse in Akte

Frauen, die aus einer gewalttätigen Beziehung zu fliehen versuchen, würden überall gesucht. Die Männer würden oft den Standort des Frauenhauses finden und es belagern, erzählt Thaler-Haag. Ein großes Problem sei, dass die Adressen im Zuge von Gerichtsverfahren häufig in den Akten aufscheinen. "Die Gerichte gehen zu leichtfertig damit um." Zudem nehme die Zahl der Einstellungen bei Anzeigen und Freisprüchen nach Verhandlungen wegen häuslicher Gewalt zu. Richter hätten oft zu wenig Wissen über Gewaltdynamiken und würden Traumatisierungen bei den Opfern nicht erkennen.

Für Thaler-Haag wäre eine häufigere Verhängung der U-Haft für den Schutz hochbedrohter Frauen wichtig. Denn oft hätten die Frauen und ihre Kinder große Angst, vor die Tür zu gehen. Gerade mit schulpflichtigen Kindern sei das schwierig. Im Jahr 2016 betreuten die Frauenhäuser insgesamt 3.261 Personen, 1.673 davon waren Kinder. Um die Klientinnen zu schützen, müssten sie mit Alarmgeräten ausgestattet oder bei Wegen außerhalb des Hauses begleitet werden.

Zudem würden Betreuerinnen individuell entscheiden, wo eine stark gefährdete Frau sicher untergebracht ist. "Am besten an einem Ort, wo sie niemand kennt", sagt Thaler-Haag. Pro Bundesland und Jahr gehe es um fünf bis sieben Fälle, in denen eine Frau in einer lebensbedrohlichen Situation sei. "Sie wären in einem anderen Bundesland sicherer."

Kein Austausch

30 Frauenhäuser gibt es derzeit in ganz Österreich. Die Unterbringung in einem anderen Bundesland als jenem, in dem die Betroffene ihren Wohnsitz hat, ist aber nur eingeschränkt möglich. Da Frauenhäuser in den Aufgabenbereich der Länder fallen, kämen die meisten nur für die Kosten der im Land gemeldeten Frauen auf. Würde eine Salzburgerin beispielsweise in Vorarlberg unterkommen, muss das Land Salzburg die Kosten übernehmen. "Nur Tirol, das Burgenland und Wien dürfen Frauen aus anderen Bundesländern aufnehmen", so Thaler-Haag. Wien und Tirol seien aber ausgelastet – eine Aufnahme aus anderen Bundesländern war daher nur selten möglich.

In Oberösterreich seien immer wieder Plätze frei, um etwa Frauen aus Salzburg zu betreuen, sagt Margarete Rackl, Geschäftsführerin des Linzer Frauenhauses. Der Verein Autonome Frauenhäuser habe ein Schreiben aufgesetzt, das an alle Sozial- und Frauenlandesräte gehen soll. Die Länder sollen eine Vereinbarung treffen, dass zumindest fünf Frauen jährlich pro Bundesland im Fall von Platzmangel oder einer Gefährdungssituation gegenseitig aufgenommen werden können. Die Kosten sollte das Aufnahmeland tragen. "Das würde die Situation entschärfen", sagt Rackl.

Während die Finanzierung der oberösterreichischen Frauenhäuser gesetzlich verankert ist, haben die Salzburger Frauenhäuser nur einen Vertrag auf zwei Jahre und leiden seit Jahren unter großem Gelddruck. In ganz Österreich musste der Verein Autonome Frauenhäuser im vergangenen Jahr 336 Frauen abweisen, 80 bis 100 davon fanden im Salzburger Frauenhaus keinen Platz. "Wir haben eine Warteliste, obwohl wir eine Einrichtung für akute Krisen sind", sagt Thaler-Haag.

Gesellschaftliches Problem

In Oberösterreich bestehe ein gutes Angebot an Frauenhäusern, und auch die Finanzierung funktioniere gut, betont Rackl. Jedoch würden derzeit Rahmenbedingungen geschaffen, die von Gewalt betroffene Frauen und deren Kinder stark einschränken. Die Einführung von Kindergartengebühren und Beschränkungen der Wohnbeihilfe und Mindestsicherung für Drittstaatsangehörige würden es vor allem für Frauen in Gewaltbeziehungen schwieriger machen, aus diesen auszubrechen. "Betroffene haben Angst, dass sie es ohne den Partner finanziell nicht schaffen", sagt Rackl.

Rackl sieht hinter der Gewalt gegen Frauen ein gesamtgesellschaftliches Problem. Täterarbeit und die Schulung von medizinischem Personal seien wichtig, aber auch Kampagnen, welche die gesamte Bevölkerung erreichen.

Laut Thaler-Haag sind zwar viele Frauen mit Migrationshintergrund in den Frauenhäusern, das liege aber daran, dass die Frauenhäuser die letzte Anlaufstelle seien, "wenn man sonst nirgends mehr hinkann". Die Zahlen, die die Gewaltschutzzentren über Betretungsverbote sammeln, würden zeigen, dass bei Fällen häuslicher Gewalt die Zahl ausländischer Täter nahezu dem Bevölkerungsanteil entspricht. (Anastasia Hammerschmid, 28.11.2017)