Mehr als 300 Personen wurden aktuellen Zahlen zufolge getötet.

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Mit dem Läuten ihrer Kirchenglocken zeigten am Wochenende auch Ägyptens Christen ihre Anteilnahme an dem blutigen Moschee-Massaker im Nordsinai. Nach einer letzten Bilanz waren dabei am Freitag 305 Menschen, darunter 27 Kinder, getötet worden. Zudem gibt es 128 Verletzte. Ziel war offenbar die lokale Sufi-Gemeinde. Viele der Opfer wurden am Samstag in einem Massengrab beigesetzt. Präsident Abdelfattah al-Sisi kündigte an, ein Mausoleum für die Opfer errichten zu lassen.

Die Tragödie hat das 4.000-Seelen-Dorf Rawdah bei Bir al-Abed ins Mark getroffen. Traditionell besuchen in dieser konservativen Region nur Männer die Moschee zum Freitagsgebet. Diesmal fiel es aber mit dem Beginn einer festlichen Woche zusammen, die mit dem Feiertag zum Geburtstag des Propheten Mohammed endet. In zahlreichen Familien gab es gleich mehrere Tote. Unter den Opfern befanden sich auch Gläubige, die vor der Gewalt in Rafah und Sheikh Zuwayed nach Bir Abed geflohen waren, weil diese Region als relativ sicher galt.

Im Parlament in Kairo gibt es nun Bestrebungen für ein Gesetz, das vorsieht, die von den Muslimbrüdern in den vergangenen Jahren durch den Staat konfiszierten Vermögen zur Unterstützung von Terroropfern zu verwenden.

Höchste Alarmbereitschaft

Auch ohne Bekennerschreiben gibt es keine Zweifel mehr, dass die rund 30 mit Maschinengewehren und Bomben bewaffneten Angreifer des gut organisierten Anschlages dem "Islamischen Staat" (IS) angehören. Betroffene berichteten von IS-Fahnen. Dazu kommt, dass sich mehrere andere in dieser Region aktive islamistische Gruppen von der Bluttat ausdrücklich distanziert haben.

Armee und Sicherheitskräfte im Nordsinai sind in höchste Alarmbereitschaft versetzt worden. Der Grenzübergang zum Gazastreifen in Rafah bleibt geschlossen und ist nicht – wie vorgesehen – am Samstag für drei Tage geöffnet worden. Der Staatliche Informationsdienst (SIS) hat am Wochenende in einer offiziellen Mitteilung erneut betont, das Operationsgebiet der Terroristen im Nordwestsinai betrage nur 30 Quadratkilometer. In der unmittelbar nach der blutigen Attacke eingeleiteten Militäroperation werde mit den Bewohnern des Sinai zusammengearbeitet.

Temporäre Evakuierung

Das sind eher ungewohnte Töne. Bei den Einsätzen, die von Flugzeugen aus unterstützt wurden, sind laut Armeeangaben mehrere Fahrzeuge mit ihren Insassen getroffen sowie Waffen und Munition zerstört worden. Ein Mitglied des vom Präsidenten kürzlich gegründeten Nationalen Komitees zur Bekämpfung des Terrors hat erneut vorschlagen, die lokale Bevölkerung für sechs Monate in die nahegelegenen Städte Port Said und Ismailiya zu deportieren und in einer Aktion der verbrannten Erde Stellungen von Terroristen rücksichtslos zu zerstören.

Auf den Schock über den schlimmsten Terroranschlag, an den sich die Ägypter erinnern können, berief die Union der Stämme des Sinai in der Nähe von Rafah ein Treffen der wichtigsten Beduinen-Familien ein.

"Ohne Mitleid töten"

In ihrer Mitteilung hieß es später, es gebe keinen Trost ohne Rache an den Apostaten. "Unsere Männer werden nicht ruhen, bis unser gesamtes Land von ihnen befreit ist." Man werde sie ohne Mitleid töten, Prozesse und Gefängnisse gebe es nicht, gelobten die Stammesältesten. Sie riefen alle Männer und Jugendlichen auf, mit der Armee zu kooperieren und sich der großen Militäroperation anzuschließen.

Auf Flugblättern forderten sie die Bevölkerung auf, verdächtige Personen oder Bewegungen zu melden. Die beiden größten Stämme im Nordsinai, die Tarabin in der Region von Rafah und die Sawarka, wollten zu diesem Zweck auch ihre Differenzen begraben, erklärte ein Stammesführer. Schon früher hatten Teile der lokalen Beduinen der Armee Unterstützung zugesagt. Das ist nicht ungefährlich, denn die Jihadisten rächen sich regelmäßig an jenen, die sie der Zusammenarbeit mit Sicherheitskräften beschuldigen. (Astrid Frefel aus Kairo, 26.11.2017)