Blockchain gilt in der Finanz als heißes Eisen.


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Richard Olsen ist gleichsam Quer- wie Vordenker, wenn es um Finanzmärkte und technologischen Fortschritt geht. Seit den frühen 1980er-Jahren treiben ihn Themen um, die damalige Zeitgenossen wohl der Fiktion zugeordnet hätten.

So zählt er etwa zu den Pionieren von Echtzeit-Finanzinformationssystemen oder automatischem Hochfrequenzhandel, in Verbindung mit unternehmerischem Denken führte dies zu Firmengründungen wie der Devisenhandelsplattform Oanda. Olsens jüngstes Steckenpferd ist Blockchain, die Technologie hinter der Kryptowährung Bitcoin, und deren vielfältige Anwendungsmöglichkeiten.

"Ich kann das Thema Blockchain eigentlich fast nicht mehr hören", sagte der Schweizer in einem Vortrag an der WU Wien, "aber es ist viel wichtiger, als es sich die Leute vorstellen können." Seine Erkenntnis lautet: Diese Technologie kann Dinge radikal vereinfachen – dank folgender Funktionsweise: "Blockchain ist wie ein globales Notariat, das über das Internet abgewickelt wird."

Dezentrale Datenspeicher

Zur Verdeutlichung zieht Olsen den Finanzbereich heran, dessen Funktionieren derzeit vieler Mittelsmänner im Hintergrund bedürfe, von denen jeder Geld verdienen müsse. Blockchain sei kostenlos und speichere alle relevanten Daten mehrfach dezentral, ähnlich wie der menschliche Körper Erbinformationen in jede Zelle integriere – was derzeit noch benötigte Mittelsmänner ersetzen könne.

Den jüngsten Boom von sogenannten Initial Coin Offerings (ICOs) – Unternehmen geben statt Aktien auf Blockchain basierende Coins oder Token aus, die ebenfalls am Unternehmenserfolg beteiligen – erklärt Olsen im Vergleich mit dem herkömmlichen Schritt an den Aktienmarkt ähnlich: "Ein Börsengang ist ein Riesenaufwand. Das kostet richtig viel Geld."

Wohl räumt er ein, dass sich bei den ICOs unter die weißen auch schwarze Schafe mit unehrlichen Absichten gemischt hätten – was Olsen zum Teil auf Gesetzeslücken zurückführt: "Das konnten auch Bitcoin und Co ausnutzen und ohne Regulierung an den Markt gehen", sagt Olsen, betont jedoch umgehend: "Wild West ohne Regulierung ist aber nur temporär." In zwei bis drei Jahren werde der Bereich voll reguliert sein, was der Schweizer auch als wichtig empfindet.

Kurzfristige Blase

"Natürlich ist das eine kurzfristige Bubble", sagt Olsen mit Blick auf Kryptowährungen wie Bitcoin, "aber die Entwicklung steht erst am Anfang." Insgesamt würden "Kryptoassets" von einigen hundert Milliarden Dollar traditionellen Vermögenswerten im Wert von 280 Billionen Dollar gegenüberstehen. "Und die werden über eine völlig veraltete Infrastruktur verschoben."

Die Zutrittsbarriere in die neue Blockchain-Welt ist Olsen zufolge niedrig: "Ein Smartphone mit einer Wallet ist meine persönliche Privatbank – und dabei kann ich irgendwo auf der Welt in der Pampa stehen." Eine Wallet ist gewissermaßen eine elektronische Geldbörse, über die Währungen oder Wertpapiere übertragen werden können.

Allerdings hält Olsen die Blockchain-Welt derzeit noch für einen "Prototyp", fügt jedoch hinzu: "Das notarielle Service wird sich in den nächsten zwei bis fünf Jahren rasant weiterentwickeln."

Etwa für denselben Zeitraum erwartet er, dass die "sich rasant entwickelnde Blockchain-Technologie" herkömmliche Finanzsysteme zumindest teilweise wegspülen wird, denn: "Einzelpersonen haben so große Vorteile durch das neue Umfeld, dass sie es nutzen werden."

Dass er bereits auf dieser Welle mitsurft, lässt Olsen auf der vom Fondshaus Spängler Iqam Invest organisierten Veranstaltung nicht unerwähnt. Seine jüngste Firmengründung ist die Schweizer Blockchain-Handelsplattform Lykke, wo neben Devisen und Kryptowährungen demnächst auch andere Vermögenswerte ihre Besitzer wechseln sollen. (Alexander Hahn, Portfolio, 6.1.2018)