In den mit Seidentapeten und Holz ausstaffierten Prunkräumen des Postpalais in der Wiener Innenstadt scheint die Zeit stehen geblieben zu sein. Das Gebäude, in dem gerade Luxusappartements und ein Fünfsternehotel entstehen, dient derzeit als städtisches Winterquartier des Restaurants Taubenkobel (Schützen am Gebirge). Barbara Eselböck und Spitzenkoch Alain Weissgerber fahren hier die ganz großen Geschütze auf. In den Räumlichkeiten samt Kaiserporträt und Stuck an den Decken wollen sie die Belle Epoque wiederbeleben.

Die Tische sind aufwendig eingedeckt, unzählige Rosen schmücken den Raum, und das Personal ist entsprechend aufgemascherlt: Kellner tragen weiße Uniformjacken und Handschuhe, die Damen am Empfang und bei Tisch sind in schwarze Kleidchen mit Rüschenschürze gehüllt. Das alles ist großes Theater, nur dass die Darsteller Kellner und Köche sind.

Das Gelbe vom Ei

Zwischendurch kommt Gastgeberin Barbara Eselböck zu Tisch, die das etwas künstlich wirkende Brimborium mit ihrer unaufgeregten und freundlichen Attitüde zweitrangig erscheinen lässt. Im Mittelpunkt sollte aber ohnehin das stehen, weshalb man sich an diesem Abend so fein gemacht hat – das Essen. Und dieses wird in Form eines großen (138 Euro) und eines kleinen Degustationsmenüs (98 Euro) aufgetragen.

Ei mit Kren
Foto: Alex Stranig

Zu schläfrig machenden Klassiktönen schickt Weissgerber ein mit Krenschaum gefülltes Ei samt Holzlöffel zu Tisch. Die angenehme Schärfe des Krens lässt einen wieder wach werden, bevor man dank darunterliegender Umamiladung in Form eines kernweichen Eidotters in völliger Glückseligkeit versinkt. Oft braucht es eben keinen Prunk. Und keine laute Klassik. Live-Gesang und Harfenklänge folgen – eine Wohltat für die Ohren.

Währenddessen werden Flusskrebse mit Herzkalbsbries und Bittersalaten serviert. Die Krebse sind auf den Punkt gegart, die Salate liefern ordentlich Säure und gehen eine logische Symbiose mit dem Kalbsbries ein.

Hechtnockerl mit Kaviar und Beurre Blanc
Foto: Alex Stranig

Hechtnockerl bekommen die Butterschaumkrone als Beurre Blanc aufgesetzt und werden mit Kaviar komplettiert. Ein fein abgeschmecktes, salziges Gericht mit Tellerausschleckpotenzial.

Poulet Bresse mit Morcheln, Pommes Mousse und glaciertem Gemüse
Foto: Alex Stranig

Nach dem obligatorischen Sorbet – in dem Fall von der Orange – freut man sich auf den Hauptgang. Dieser wird klassisch bei Tisch aufgetragen und ist eine Hommage an Küchengroßmeister Paul Bocuse. Es gibt Poulet Bresse mit Morcheln, Pommes Mouselline und glasiertem Gemüse. Das französische Bressehuhn erkennt man an den klassischen blauen Beinen. Das zarte Fleisch des Federviehs macht sich gut in der aggressiv köstlichen Sauce, der Morcheln zur Seite gestellt werden. Das glasierte Gemüse hat ordentlich Biss und harmoniert hervorragend mit dem flaumigen und buttrigen Kartoffelpüree.

Desserts vom Wagen
Foto: Alex Stranig

Weil man bei diesem Aufgebot an großen Gerichten mit einer einzelnen Süßspeise nur verlieren kann, wird ein Dessertwagen aufgefahren. Man wählt selbst unter den Köstlichkeiten. Ile Flottante zum Beispiel, Schneenockerl in Vanillemilch, werden mit ordentlich Karamell übergossen. Ein würdiger Abschluss dieses austro-französischen Festmahls.

Auch die Weinkarte ist für ein Pop-up-Lokal überdurchschnittlich gut sortiert und macht in der Auswahl große Freude. Den Digestif trinkt man am besten in der nebenan eingerichteten Bar. Auch hier kann man Kleinigkeiten essen. Zum Glück wird Musik gespielt, die einen nach dem üppigen Mahl wieder munter werden lässt. (Alex Stranig, 21.11.2017)


Foto: Alex Stranig

Brieftaubenkobel-Pop-up
Postgasse 8
1010 Wien
17. November bis 22. Dezember
Mo–Sa ab 18 Uhr
Menü klein 98 Euro, Menü groß 138 Euro

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