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"Mr. Südtirol" Silvius Magnago auf einem Bild von 1993.

Foto: Semotan

Im langen, zähen Kampf um Südtirols Autonomie stellt sie einen Meilenstein dar: die Großkundgebung auf Schloss Sigmundskron vor 60 Jahren. Sie war ein deutliches Warnsignal an Rom – und Ausdruck der wachsenden politischen Spannungen im Land.

Denn nach Kriegsende setzte Rom Mussolinis systematische Italienisierung der nördlichsten Provinz unbeirrt fort. Zwar hatte man Südtirol 1948 eine Autonomie gewährt, aber eine mit krassen Schönheitsfehlern: In der Region Trentino / Tiroler Etschland mit Sitz in Trient waren die Deutschsprachigen klar in der Minderheit.

Als Rom im Oktober 1957 den Bau von 5.000 Wohnungen für italienische Zuwanderer ankündigte, war für die Südtiroler Volkspartei (SVP) das Maß voll: Man entschloss sich zu einer Großkundgebung. Weil sie Ausschreitungen befürchtete, erlaubte die Polizei die Demo nicht vor dem faschistischen Siegesdenkmal in Bozen, sondern nur außerhalb.

Garantie verlangt

Die SVP entschied sich für Sigmundskron, die mächtige Burganlage vor den Toren Bozens. Zusätzlich forderte der Polizeichef eine Garantie von SVP-Obmann Silvius Magnago: Die Kundgebung müsse friedlich ablaufen.

In Bozen herrschte an diesem 17. November Belagerungszustand. Tausende Polizisten und Soldaten beobachteten argwöhnisch den Marsch Tausender nach Sigmundskron. Mehr als 30.000 Menschen drängten sich im Burghof.

"Als nervöser Mensch hatte ich Lampenfieber", gestand Magnago später. "Ich habe eine eher langweilige Rede gehalten, um das gespannte Klima nicht weiter anzuheizen." Doch auf Transparenten wurde "Los von Trient" gefordert, und die Stimmung war so gereizt, dass in Sprechchören ein "Marsch auf Bozen" gefordert wurde – ein Albtraum für Magnago.

Als alle Appelle zur Mäßigung nichts fruchteten, legte Magnago nach: "Mein deutsches Wort!", rief er in die aufgebrachte Menge: "Geh'n wir jetzt alle heim, und tuts Ordnung halten!"

Unruhen abgewendet

Diese Mahnung wirkte. Die Spannung flaute ab, die Transparente wurden murrend eingerollt. Jeder wusste, dass ein Marsch auf Bozen unweigerlich zu Gewalt geführt hätte.

Unmittelbare Erfolge konnte man sich von der größten Demo in der Geschichte Südtirols kaum erwarten – doch der langjährige Landeshauptmann Luis Durnwalder bilanzierte später einmal: "Ohne die Kundgebung hätte man sich viel schwerer getan, Südtirol vor die Uno zu bringen und das Problem zu internationalisieren."

Nach Sigmundskron vergingen noch 15 Jahre bis zum zweiten Autonomiestatut, die "Bombenjahre" mit zahlreichen Anschlägen sorgten international für Aufmerksamkeit. Mit Sicherheit aber schlug auf Sigmundskron die Geburtsstunde von Silvius Magnago, der zum Vollender einer Autonomie mit weltweitem Modellcharakter wurde. Als einer von wenigen europäischen Politiker durfte er von sich behaupten, ein Lebenswerk vollendet zu haben.

Heute ist Sigmundskron ein vielbesuchtes Alpin-Museum, wo Hausherr Reinhold Messner im Vorjahr auch die Außenminister Sebastian Kurz und Claudio Gentiloni begrüßte.

In den 60 Jahren seit der Großkundgebung hat sich Südtirol von einer ärmlichen Agrarregion zur üppigen Wohlstandsprovinz entwickelt – mit einer Autonomie, die weit über das zwischen Rom und Wien vereinbarte Abkommen hinausreicht. Das verdeutlichte auch das Motto der SVP-Gedenkfeier am Freitag: "Für ein selbstbewusstes Südtirol" – während die rechte Südtiroler Freiheit weiter "Los von Rom"-Plakate affichiert. (Gerhard Mumelter aus Bozen, 17.11.2017)