Was kann es nur sein, das zwei Genossen treibt, sich um die Nachfolge Michael Häupls zu bewerben? Ist es ein radikaldemokratischer Bruch mit der jahrzehntelang bewährten Tradition des demokratischen Zentralismus, für dieses Amt nur einen Kandidaten für parteiamtlich geeignet zu erklären? Oder stehen die Wiener Sozialdemokraten vor einem politischen Scheideweg, an dem nur entweder Hopp oder doch eher Tropp Rettung verheißt, und wenn ja – was denn nun? Noch liegt alles im Dunkeln, versichern doch beide, mit einer spekulativen Differenz zwischen links und rechts habe das ebenso wenig zu tun wie mit einer sich weitenden ideologischen Kluft zwischen Außen- und Innenbezirken dieser Stadt, genau genommen also mit rein gar nichts.

Wider den Stachel löcken

Womit dann sonst? Nicht einmal die "Kronen Zeitung", für jene subtilen Analysen berühmt, nach denen die Partei sich unbedankt, aber unwandelbar zu richten bemüht, vermochte Licht ins Dunkel zu bringen und begnügte sich zunächst damit, die Frage "Wer wird Bürgermeister?" offenzulassen. Das wird sich aber bald ändern, was sich schon aus einem Vergleich der Auflage in den Innen- zu der in den Außenbezirken ergibt. Sie hat den einst sozialdemokratischen Slogan "Lieber mit den Massen irren als gegen sie recht behalten" als Redaktionslinie so sehr verinnerlicht, dass niemand besser als sie den Wiener Genossen heimleuchten kann, sollten sie den Versuch wagen, wider den Stachel zu löcken und den anderen Kandidaten zu wählen.

Aber auch fern der Massen kann man irren. Dem Bund geht demnächst ein kaum erblühter Chefideologe, der gerade noch mit einem schrecklichen Verdacht vor der Komplexität der Welt warnen konnte, schon wieder an das Burgenland verloren. "Wir laufen Gefahr, dass die SPÖ nur noch ausschließlich das grüne Wählerpotenzial anspricht. Wir dürfen aber nicht die Ersatzgrünen werden", raunte Hans Peter Doskozil seiner Partei zu. Die Gefahr, dass die SPÖ zurzeit, einen Monat nach der Nationalratswahl, überhaupt Wähler anspricht, scheint zwar nicht allzu groß. Sein Gespür, die Roten könnten Ersatzgrüne werden, speist sich auch weniger aus Fakten als aus der Sorge, sie könnten nicht in dem Maß Ersatzblaue werden, dass sich damit jene Stimmen zurückgewinnen ließen, die in den letzten Jahren an die Freiheitlichen verlorengegangen sind.

Offene Doppelkandidatur

Damit ist angesprochen, was nun, ohne es noch direkt auszusprechen, zu der offenen Doppelkandidatur um das Amt des Bürgermeisters führt. Die Frage, wie umgehen mit den Freiheitlichen, ist endlich hart auch in Wien angekommen. Später als anderswo, aber nicht überraschend, hat doch die SPÖ insgesamt darauf zwanzig Jahre lang keine Antwort gefunden. Anbiederung hat nirgends etwas gebracht, ebenso wenig wie die Alimentierung eines rechtslastigen Boulevards in der Bundeshauptstadt.

Ob es in einer Phase, in der die ÖVP vereint mit einer rechtsextremen Truppe offensichtlich zum Sturm auf das verhasste Wien ansetzt, klug ist, zwei Kandidaten aneinander messen zu lassen, werden ihre Argumente zeigen. Vielleicht führen sie dazu, dass die SPÖ wenigstens in Wien eine klare Linie findet. (Günter Traxler, 16.11.2017)