Michael Niavarani, Otto Jaus und dahinter Bernhard Murg unterhalten am Samstag auf Servus TV um 20.15 Uhr mit dem Stück "Romeo & Julia".

Foto: Andy Urban

STANDARD: Wo sehen Sie sich von der Aussage her näher: #MeToo oder #NotMe?

Niavarani: Ich tendiere zu #WhyNotMeToo.

Murg: Schwierige Debatte. Ich habe mit Frauen geredet und manche würden genau das von dem einen gerne hören und vom anderen überhaupt nicht.

Niavarani: Sexuelle Belästigung beginnt nicht beim ersten Versuch, abgesehen davon, dass man prinzipiell Leuten nicht am Arsch greift, wenn man sie nicht kennt. Ich greife nur Leuten am Arsch, wenn ich weiß, der oder diejenige findet das lustig. Die sexuelle Belästigung beginnt dort, wo es ein verbales oder ein non-verbales Nein gibt, wo ich merke, was ich da mache, kommt beim Gegenüber nicht gut an. Da höre ich auf beziehungsweise fange ich mit gewissen Dingen gar nicht an. Man greift einer Frau nicht einfach so auf die Brust. Es geht nicht um die Frage, manche Frauen haben es gerne, andere nicht. Es geht nur um die Frauen, die in einer Situation waren, die ihnen unangenehm war und der Mann hat weiter gemacht. Die Diskussion wird nur jetzt schon wieder hysterisch geführt. Das Problem ist dort, wo ein Mensch seine Machtposition ausnützt.

Jaus: Das ist ein Riesenthema, darüber kann man stundenlang diskutieren.

Niavarani: Nein, es ist ganz klar. Es ist nicht in Ordnung, wenn man seine Machtposition über ein privates Mittel ausnutzt. Wenn ich als Produzent sage, Sie kriegen die Rolle nur, wenn Sie mit mir schlafen, egal, ob ich es sage oder schon nackt im Bett liege – dann ist man ein Idiot, da hat Nina Proll Recht. Man ist aber nicht nur ein Idiot, und hier hat die Nina Proll wieder unrecht, man missbraucht auch seine Macht.

Jaus: Na sicher.

Niavarani: Das ist gesetzlich schwierig zu regeln, genauso wie es schwierig zu regeln ist mit versuchtem, geplantem Mord. Wenn ich sage: "Ich könnte ihn erschlagen." Ist das schon ein geplanter Mord? Alles, was vor einem Verbrechen stattfindet, ist in einem Graubereich und schwierig. Natürlich liegt vielleicht bei George Clooney die Missbrauchslatte höher...

Murg: ... als bei Harvey Weinstein.

STANDARD: Nina Proll sagte, ihr Mann Georg Bloéb könne Bände über persönliche Erfahrungen sexueller Belästigung erzählen.

Murg: Uns ist das komplett fremd, dass wir angegriffen werden, oder?

Niavarani: Nur vom Otto. Das mag sein, ich glaube, dass es hier auch auf den Moment ankommt. Ja, es gab auch schon Situationen, wo mich betrunkene Frauen angegriffen haben in einem Lokal, weil sie halt betrunken waren. Da gehe ich weg, man muss mit Betrunkenen höflich sein, ihnen erklären, wie schön das alles ist, wie toll das Leben ist, und sie sollen sich jetzt hinlegen und ein Glas Wasser trinken. Aber nein, ich bin als Mann noch nie in der Situation gewesen, wo man mir klar gemacht hat, dass wenn ich nicht zu sexuellen Diensten zur Verfügung stehe, ich eine Rolle nicht bekomme. Bei Gregor Bloéb haben Stermann/Grissemann Recht. Bloéb dürfte da etwas verwechselt haben, da hat die Agentur angerufen und gesagt, "Herr Bloéb, wir haben einen Job für Sie."

STANDARD: Ist es schwieriger geworden, im Zeitalter der political correctness Witze zu machen?

Niavarani: Was mich an der Geschichte mit Peter Pilz fasziniert, und so möchte ich die Frage beantworten, dadurch, was da jetzt passiert, ist es das erste Mal in der Geschichte der Menschheit, dass durch sexuellen Kontakt der Pilz weggeht. Das war noch nie.

STANDARD: Zündend! Wann ist Ihnen der eingefallen?

Niavarani: Gleich danach, ich dachte: schau, jetzt ist der Pilz weg, und beim Wort Pilz kommt dem Komiker als erstes die Geschlechtskrankheit in den Sinn.

Jaus: Natürlich.

Murg: Selbstverständlich.

STANDARD: Die Gefahr, dass man danach schnell per Shitstorm ausgebuht wird, ist aber doch relativ groß. Egal?

Niavarani: Es gibt wenige Dinge, die mir so egal sind, wie dass sich 500 Leute auf Facebook über irgendetwas aufregen. Das ist mir wirklich völlig wurscht. Mich interessiert ein Argument über einen Witz. Mich interessiert eine gegenteilige Meinung.

STANDARD: Haben Sie schon einmal einen Witz bereut?

Niavarani: Nein, ich habe gelegentlich bereut, dass ich keinen Witz gemacht habe. Im Privatleben habe ich mir schon oft gedacht, es wäre jetzt vielleicht gescheiter gewesen, hätte ich die Pappn gehalten. Aber nicht auf der Bühne. Der Witz über Peter Pilz richtet sich gegen ihn, nicht gegen die Frau, die ihm das vorwerfen. Man macht sich über ihn lustig, damit bin ich gegen die Mächtigen. Wenn der Obdachlose auf einer Bananenschale ausrutscht, ist das nicht so lustig, als wenn Sebastian Kurz ausrutscht.

Murg: Wir arbeiten mit der Fallhöhe und versuchen sie mit jeder Pointe zu erhöhen.

STANDARD: Ein Kritiker hat über "Romeo und Julia" gesagt, Ihr Stück erinnere ihn an die Löwinger-Bühne.

Niavarani: Das ist ein Kompliment für uns als auch für die Löwinger-Bühne.

STANDARD: Ärgert Sie das?

Niavarani: Nein, das stört mich nicht. Ich finde zum Beispiel, dass die Stücke von Goethe Theatermist sind. Sie sind langweilig und haben keine Dramaturgie. Das ist meine persönliche Meinung. Unser Stück als Löwinger-Bühne zu bezeichnen, ist insofern eine Themenverfehlung, weil wir nicht angetreten sind, Hochkultur zu machen.

STANDARD: Braucht es politisches Kabarett in Zeiten wie diesen?

Niavarani: Es sind immer Zeiten, wie diese. Man hat immer das Gefühl, jetzt ist es am schlimmsten. Wir hatten schon einmal eine schwarz-blaue Regierung, wir haben im Simple viele Witze darüber gemacht. Man müsste jetzt eigentlich nur die Namen ändern, weil sich so vieles zu damals gleicht. Politisches Kabarett braucht es immer.

STANDARD: Wie sieht es mit dem Nachwuchs aus?

Niavarani: Sitzt hier. (deutet auf Otto Jaus)

Murg: Der geht nicht einmal wählen.

Jaus: Natürlich gehe ich wählen, aber ich habe kein politisches Programm. Ich kann das nicht, ich will auf eine andere Weise unterhalten.

Murg: Ihr tretet an, um die Leute komplett aus ihrem Alltag zu holen. Der Punkt ist, jede Bewegung erzeugt eine Gegenbewegung, das lehrt die Quantenphysik.

STANDARD: Sie kennen sich in Quantenphysik aus?

Murg: Nein, aber der Herr Niavarani.

Niavarani: Und in der Quantenphysik ist es genau nicht so. Das beweist der Doppelspaltversuch, wonach das Licht sowohl Teilchen als auch Welle ist.

STANDARD: Was ändert das?

Niavarani: Das ändert wahnsinnig viel. Wenn es in unserem Universum eine Materie gibt, die sowohl Welle als auch Teilchen sein kann, bedeutet das, dass Sie gleichzeitig hier und gleichzeitig anders sein kann. Vielleicht kann irgendwann einmal ein Verbund von Teilchen sich wie eine Welle verhalten.

STANDARD: Apropos Teilchen: Der ORF bastelt an ORF 1. Was würden Sie ändern, wenn Sie mitreden dürften?

Niavarani: Mein Vorschlag allgemein: Wenn sich das Fernsehen in den nächsten zwanzig, dreißig Jahren nicht komplett ändert, wird das Fernsehen keine Sau mehr brauchen. Meine Tochter ist 19 Jahre alt, sie sieht nicht fern. Wenn sie etwas sehen will, geht sie auf Netflix, Youtube, kauft bei Amazon. Nachrichten holt sie sich aus sozialen Medien und Youtube. Das Fernsehen soll aufhören von null bis 24 Uhr zu senden, sondern wieder so machen wie am Anfang: um elf Uhr am Vormittag anfangen und um 23 Uhr aufhören und nicht berieseln, weil dann werden sie irrelevant.

Murg: Man müsste den Unterschied herausarbeiten, was Fernsehen besser kann als das Internet.

Niavarani: Nix. Rein gar nix. Das Fernsehen kann nichts besser als das Internet. (Doris Priesching, 9.12.2017)