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Foto: Reuters/Ruvic

Alle paar Monate poppen Geschichten über merkwürdige, nahezu hellseherische Fähigkeiten von Facebook auf. Das soziale Netzwerk will einander unbekannte Patienten eines Psychiaters miteinander verbinden oder empfiehlt einer adoptierten Frau leibliche Verwandte als "Freunde", die sie nie kennen gelernt hat. Wie kommt Facebook zu diesen Informationen? Das Unternehmen gibt sich dazu bedeckt. So heißt es, die Nutzer könnten "gemeinsame Freunde" haben oder sich etwa im selben WLAN-Netzwerk aufgehalten haben, was etwa die Vorschläge der Psychiater-Patienten erklären würde.

Adressbücher als Schlüsselstück

Tatsächlich sorgen aber oft sogenannte "Schattenprofile" auf Facebook für die eigentlich unerklärlichen Verbindungen. Das Techmedium Gizmodo hat nun versucht, mehr über diese Sammlung an Nutzerdaten zu erfahren. Grundsätzlich ist es so, dass Facebook möglichst viele Daten von Nutzern will – klar, das ist Facebooks Geschäftsmodell. Facebook will aber nicht nur deren eigene Daten, sondern auch Informationen über die Kontakte des Nutzers. Deshalb fordert die Plattform User regelmäßig auf, ihre "Freunde zu suchen", indem etwa Adressbücher hochgeladen werden.

Zuordnung der Daten

Facebook versucht dann, diese Daten existierenden Profilen zuzuordnen. So ist etwa der Fall eines Anwalts zu erklären, dem ein anderer Jurist vorgeschlagen wurde – die zwei hatten aber nur über die berufliche E-Mail-Adresse des Anwalts, die nicht mit Facebook verknüpft ist, kommuniziert. Eine Person aus dem Bekanntenkreis des Anwalts dürfte aber ihr Adressbuch mit dessen beruflicher E-Mail-Adresse hochgeladen haben, woraufhin Facebook diese seinem Schattenprofil zuordnen konnte. Da der zweite Anwalt ebenfalls die berufliche Adresse des anderen in seinem Kontaktbuch hatte, wurden die beiden verknüpft.

Die Existenz der Schattenprofile wurde erstmals 2013 durch einen Bug enthüllt. Nutzer, die ihre Facebook-Daten heruntergeladen hatten, sahen plötzlich, auf welche Art sie von anderen gespeichert worden sind. Das Vorhandensein dieser Schattenprofile bedeutet, dass Facebook nahezu alle unsere Kontakte kennen dürfte – also Personen, denen Nutzer etwas bei Willhaben oder Ebay verkauft haben; One Night Stands, AirBnB-Vermieter oder Dienstleister, mit denen via Smartphone oder E-Mail kommuniziert wurde.

Wem gehören die Daten

Facebok gibt gegenüber Gizmodo an, bei Schattenprofilen keine Transparenz walten lassen zu können, da die dortigen Informationen nicht im Besitz der betroffenen User seien, sondern jenen Nutzern "gehören", die sie hochgeladen haben. Sprich: Lädt etwa ein Psychotherapeut seine Kontakte auf Facebook hoch, gehört die Nummer seiner Klienten gemäß Facebook-Logik dem Psychotherapeuten, daher darf der Klient nicht darüber informiert werden.

Das soziale Netzwerk soll so auch Personen analysieren können, die sich selbst nie auf Facebook angemeldet haben. Derartige "Nicht-Nutzer" könnten etwa in den Adressbüchern mehrerer anderer Nutzer gespeichert sein – beispielsweise als "Vater", "Bruder", "Chef". Schon weiß Facebook ziemlich genau über wichtige Merkmale des Nicht-Nutzers Bescheid. Für Menschen, die Teile ihres Lebens verbergen möchten, etwa manche Prostituierte oder nicht-geoutete LGBTQ-Personen, ist das Datennetz bei Facebook eine Katastrophe. Aber auch für Journalisten, die mit Quellen kommunizieren oder Personen, die in datenrechtlich heiklen Berufsfeldern arbeiten (eben Psychotherapeuten, Anwälte, Polizisten).

Inwiefern derartige Datensammlungen mit europäischem Recht vereinbar sind, ist fraglich. Doch Facebook hütet seinen Algorithmus wie einen Schatz – tatsächlich ist er ja auch das Zentrum des Dienstes. Für Nutzer ist die einzige Möglichkeit momentan, in den Privatsphäre-Einstellungen höchste Sicherheitsvorkehrungen auszuwählen – also etwa das Finden per E-Mail-Adresse oder Telefonnummer zu verbieten. Ein Schattenprofil lässt sich dadurch aber nicht verhindern. (fsc, 12.11.2017)