Er sei nicht nach Brüssel gekommen, um sich der Justiz in Spanien zu entziehen oder in Belgien um Asyl anzusuchen. Es gehe ihm nur darum, den Wunsch nach Unabhängigkeit seiner Heimatprovinz Katalonien auf die europäische Ebene zu bringen. So hat Carles Puigdemont vor gut einer Woche seine auch für manche seiner Mitstreiter überraschende Flucht ins Ausland begründet.

Das klang gut, fast sympathisch. Eine von einer Zentralregierung vermeintlich unterdrückte EU-Region wendet sich an das gemeinsame Europa, um auf ihre Not aufmerksam zu machen. Inzwischen sieht die Sache doch ein wenig anders aus. Die Regierung in Madrid hat nicht nur die Regionalregierung abgesetzt, Ex-Minister sind in U-Haft oder werden mit einem europäischen Haftbefehl gesucht, voran Ex-Präsident Puigdemont. Wegen der sehr engen Justizzusammenarbeit der EU-Staaten konnte man sich beim Scheitern der Unabhängigkeitserklärung ausrechnen, dass nationale Haftbefehle von EU-Partnern umgesetzt werden. Belgien ist allerdings ein Land, das besonders genau prüft.

Puigdemont konnte sich also eine Atempause verschaffen. Der Chefseparatist sollte aber nicht so tun, als ob er vorbildlich europäisch handelte. Spanien unterliegt mit seiner Verfassung vollinhaltlich den EU-Rechtsstandards, samt Grundrechtscharta und Akzeptanz der europäischen Gerichtshöfe in Luxemburg und Straßburg als Letztinstanz. Puigdemont sollte sich der Justiz in seiner Heimat stellen. (Thomas Mayer, 6.11.2017)