Kronprinz Mohammed bin Salman hat seine Macht in Saudi-Arabien mit dem überraschenden Rundumschlag gegen angeblich korrupte Prinzen und Minister weiter gefestigt.

Foto: AFP / Fayez Nureldine

Riad/Kairo – Die Börse in Riad hat am Sonntag heftig auf die königlichen Ankündigungen vom Vorabend reagiert. Der Aktienmarkt verlor 1,6 Prozent, die Titel der Kingdom Holding Company von Prinz Al-Waleed bin Talal brachen gar um zehn Prozent ein. Der Milliardär, hochrangiges Mitglied des Königshauses, ist einer der prominentesten Namen auf der Liste von vier amtierenden und dutzenden früheren Ministern, elf Prinzen und Geschäftsleuten, die am Vorabend verhaftet wurden.

Prinz Waleed gehört laut Forbes zu den hundert einflussreichsten Menschen weltweit. Seine Firma investiert rund um den Globus in vielen Branchen, in den vergangenen Jahren war er eine der lautesten, oft kritischen Stimmen, die nach einer Öffnung des konservativen Königreichs und nach mehr Rechten für Frauen riefen.

Unter den Verhafteten befinden sich weitere Schwergewichte der saudischen Wirtschaft wie Waleed al-Ibrahim, Gründer des Satellitensenders MBC, der milliardenschwere Geschäftsmann Saleh Kamel und Bakr bin Laden, Chef der gleichnamigen Baufirma.

Unmittelbar vor den Verhaftungen hatte König Salman die Schaffung eines neuen Antikorruptionskomitees unter der Leitung seines Sohns, Kronprinz Mohammed, bekanntgegeben. Diesem gehören unter anderem auch die Vorsitzenden des Rechnungshofs, der Staatsanwaltschaft und der Staatssicherheit an. Die Wurzeln der Korruption müssten ausgerottet und alle, die mit Korruption dem Land schaden, gefasst werden, hieß es in dem Dekret. Bei Transparency International belegt Saudi-Arabien Platz 62 von 176 Ländern mit einem Index von 46/100, das entspricht etwa dem Wert von Italien. Korruption ist weniger im Alltag zu spüren als bei den großen Geschäften.

Undurchsichtige Kriterien

Vorerst war über die einzelnen Fälle, um die es in dem Rundumschlag geht, nichts bekannt. Es gibt keine Transparenz über die Kriterien, das Vorgehen ist undurchsichtig. Die königliche Kampagne ist deshalb nicht dazu angetan, das Gefühl der Rechtssicherheit zu stärken, und wird von vielen Kommentatoren als machtpolitisches Manöver eingestuft. Der Generalstaatsanwalt ließ am Sonntag verlauten, die Verhafteten würden wegen ihrer Positionen keine besondere Behandlung genießen und wie jeder gewöhnliche saudische Bürger behandelt.

Laut Informationen des saudischen Satellitenkanals al-Arabiya sollen auch alte Korruptionsverfahren wie jenes nach den Überschwemmungen mit 130 Toten in Jeddah im Jahr 2009 und gegen die Verantwortlichen für die Mers-Seuche, eine Virusinfektion, wieder aufgenommen werden. Einer der verhafteten Prinzen wird mit dem gigantischen saudisch-britischen Yamaha-Waffendeal in Zusammenhang gebracht – als dessen Profiteur.

Zu den entlassenen Ministern gehört auch der Verantwortliche für Wirtschaft und Planung. Der Inhaber dieses Amts spielt eine entscheidende Rolle bei der Umsetzung des gigantischen wirtschaftlichen Transformationsplans "Vision 2030" und des vor wenigen Tagen angekündigten Projekts der Riesenwüstenstadt Neom.

Zur Ministerriege zählten auch zwei führende Sicherheitsleute. Neben dem Kommandanten der Marine ist das der Chef der Nationalgarde, Prinz Mutaib bin Abdullah. Die Garde, ein Organ der inneren Sicherheit, das sich aus Stammeskräften zusammensetzt, unterstand seit 50 Jahren dem Familienzweig des ehemaligen Königs Abdullah. Dieser hat nun auch den letzten einflussreichen Posten in den Machtstrukturen des Königreichs verloren.

Bereits 2015 waren zwei Brüder Mutaibs von ihren Posten als Gouverneure entfernt worden. Mit der Entmachtung des Prinzen selbst konsolidiert Kronprinz Mohammed, der auch Verteidigungsminister ist, wenige Monate nach der Inthronisierung in diese Position seine Kontrolle über sämtliche Sicherheitsorgane, die traditionell von verschiedenen Zweigen des Königshauses geführt worden waren. (Astrid Frefel, 6.11.2017)