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Zwar zeigen sich die Verhandler – hier FDP-Chef Christian Lindner, Kanzlerin Angela Merkel und Grünen-Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt – immer wieder auf dem Balkon. Aber weißer Rauch fehlt.

Foto: AP / Michael Kappeler

Die Mehrheit der Deutschen wäre durchaus bereit für etwas Neues. 57 Prozent würden es laut einer Umfrage der Forschungsgruppe Wahlen für das ZDF-Politbarometer begrüßen, wenn Deutschland künftig von einer Jamaika-Koalition regiert wird. Ein derartiges Bündnis aus Union, FDP und Grünen hat es ja auf Bundesebene bisher noch nicht gegeben.

Doch es sieht nicht so aus, als würde sich daran bald etwas ändern. Sechs Wochen nach der Bundestagswahl sind die beteiligten Parteien über Sondierungsgespräche mit mageren Ergebnissen noch nicht hinausgekommen. Anders als in Österreich, wo die Wahl drei Wochen später stattfand und bereits über eine Koalition verhandelt wird, ist man in Deutschland immer noch dabei, sich abzutasten und die Chancen für Koalitionsgespräche auszuloten.

Immer wieder treten die Generalsekretäre von CDU, CSU, FDP und Grünen nach den Sitzungen vor die Presse und formulieren mit vielen Worten, dass es keinen Durchbruch gibt, man aber einerseits recht zuversichtlich sei, andererseits Jamaika nicht um jeden Preis machen könne.

Deutlicher und pessimistischer hat es vor dem Wochenende Jürgen Trittin, der für die Grünen verhandelt, formuliert: "Wir haben zehn Tage zusammengesessen, zwölf Themen. Das Ergebnis sind acht Papiere mit langen Listen von Dissensen. Und in vier Bereichen hat man es nicht einmal geschafft, sich darauf zu verständigen, worüber man sich nicht einig ist."

Die Stimmung ist so schlecht, dass sich nach Wochen des Schweigens auch die deutsche Kanzlerin Angela Merkel wieder einmal zu Wort meldete und in der ihr eigenen Art Zuversicht zu verbreiten suchte: "Ich glaube nach wie vor, dass wir die Enden zusammenbinden können, wenn wir uns mühen und anstrengen."

Nach wie vor gibt es keinen Konsens bei den schwierigen Themen Zuwanderung und Klimaschutz. Vor allem beim Kohleausstieg und dem Familiennachzug in der Asylpolitik liegen tiefe Gräben zwischen den Grünen und der CSU. Die Grünen wollen weniger Kohlekraftwerke und mehr Familiennachzug, die CSU möchte genau das Gegenteil.

Riesige Verhandlungsrunden

Um diese strittigen Punkte sollen sich nun kleinere Verhandlungsteams bemühen. Denn auch das wird mittlerweile als Problem gesehen: An manchen Tagen sitzen um die 50 Leute in den Räumen der ehrwürdigen Parlamentarischen Gesellschaft zusammen. Diese Runden seien eigentlich zu groß, sagen viele Verhandler nun.

Doch es ist nicht so, dass man nach zwei Wochen gänzlich mit leeren Händen dasteht. Man hat einige Absichtserklärungen formuliert, diese sind jedoch zum Teil sehr vage. Alle vier Parteien wollen einen ausgeglichenen Haushalt, zudem Familien entlasten und energetische Gebäudesanierung fördern. Auch soll mehr Geld für Bildung und Forschung sowie für den Ausbau von Polizei und Justiz fließen. Konkrete Zahlen liegen noch nicht vor.

Zeitplan wackelt

Heute, Montag, will man abends weitermachen, schließlich drängt die Zeit. Am 25. November soll die grüne Basis auf einem Parteitag über Koalitionsgespräche abstimmen. Dann könnte es losgehen mit vertieften Verhandlungen. Doch es ist fraglich, ob dieser Zeitplan zu halten ist. Vielleicht scheitert das Ganze ja bereits vorher.

Der eine oder andere kalkuliert Neuwahlen schon ein. FDP-Chef Christian Lindner erklärte, die FDP habe "keine Angst vor Neuwahlen". Auch der parlamentarische Geschäftsführer der Union, Michael Grosse-Brömer (CDU), sagte: "Wenn Neuwahlen sein müssen, dann ist das so."

Hingegen verspürt Bayerns Ministerpräsident und CSU-Chef Horst Seehofer eine "gehörige Zuversicht" bei den Gesprächen. Er steht allerdings auch besonders unter Druck. Die Junge Union in Bayern fordert seinen Verzicht auf die Spitzenkandidatur bei der Landtagswahl im Herbst 2018 und stattdessen einen "personellen Neuanfang". Seehofer reagierte mit Unverständnis auf das "Trommelfeuer". Er will sich nach den Sondierungsgesprächen "klar" dazu äußern. (Birgit Baumann aus Berlin, 6.11.2017)