Pilz und seine neuen Mitstreiter zwei Tage vor der Nationalratswahl: Nach seinem Rücktritt am Samstag brauchen die acht Mandatare der neuen Liste einen Klubchef und einen anderen Namen.

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Wien – Vor ihrem Einzug in den Nationalrat am kommenden Donnerstag war für die Liste Pilz plötzlich eine Krisensitzung nach der anderen angesagt. Denn am Wochenende kam dem neuen Klub der Gründer, Chef und Namensgeber in Personalunion abhanden: Peter Pilz, Ex-Grüner und bis dahin berüchtigter Aufdecker der Nation, sieht sich mit Vorwürfen sexueller Belästigung in zwei Fällen konfrontiert – und erklärte am Samstag, wegen eines davon sein Mandat nicht anzunehmen.

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Fazit der ersten Besprechungen der Liste Pilz: Bis Mittwoch muss ein neuer Klubchef her, und bald auch ein neuer Name, wie der Abgeordnete Wolfgang Zinggl erklärt. Bruno Rossmann, ebenfalls ehemaliger Grüner und nun Abgeordneter der neuen Partei, versichert außerdem: "Auch wenn Peter Pilz für uns ein schwerer Verlust ist und man ihn nicht einfach ersetzen kann, die Stimmung ist bei uns nicht auf dem Tiefpunkt." Denn: "Es gibt jetzt Schwarz-Blau – und deswegen für uns viel zu tun."

Erinnerungslücken

Trotz der schweren Vorwürfe gegen Pilz stellt sich seine Liste hinter ihn – darunter demonstrativ auch Frauen wie die ehemalige Sprecherin des Frauenvolksbegehrens, Maria Stern, die für Pilz kandidiert, aber den Einzug in den Nationalrat verpasst hat. Konkreter Anlass für Pilz' Rücktritt waren mehrere Medienberichte, darunter einer des Falter, wonach er 2013 beim Forum Alpbach vor mehreren Zeugen eine Mitarbeiterin der Europäischen Volkspartei begrapscht haben soll. Pilz selbst sagt zwar, er könne sich an den Vorfall nicht erinnern und wolle alles für dessen Aufklärung tun – aber strenge Maßstäbe würden auch für ihn gelten, deshalb ziehe er die Konsequenzen. Zurückgewiesen hat Pilz hingegen die Vorwürfe seiner ehemaligen Assistentin im grünen Klub, die Ende 2015 erhoben wurden, auf Wunsch des mutmaßlichen Belästigungsopfers jedoch nie ausjudiziert worden sind. "Fallen mit den Mandaten und Jobs auch die Hemmungen weg?", fragte Pilz in Richtung seiner Ex-Partei.

Fest steht: Seit dem medialen Outing haben auch die Grünen alle Hände voll zu tun, Vorwürfe zurückzuweisen – vor allem weil sie Pilz trotz der heiklen Angelegenheit nach dessen Scheitern bei der Listenerstellung noch die Möglichkeit eines Vorzugsstimmenwahlkampfs eröffnen wollten. Dazu betonte Noch-Klubobmann Albert Steinhauser erneut, dass der grüne Klub an einer vollen Aufklärung der Vorwürfe der Mitarbeiterin interessiert gewesen sei – jedoch von der Betroffenen keine Zustimmung erhalten habe, die Klubsitzung mit Konsequenzen für Pilz zu befassen. Das sei mit Dokumenten belegt.

Verschwörungstheorien

Zu alldem blühen verschiedene Verschwörungstheorien: Die Grünen könnten hinter der Veröffentlichung der Vorwürfe stecken, weil sie an Pilz Rache für ihren Rausflug aus dem Parlament nehmen wollten; aber auch die ÖVP und die SPÖ werden als mögliche Verursacher genannt. Peter Kolba, der am Donnerstag als Abgeordneter der Liste Pilz angelobt werden soll, macht die "Mächtigen dieser Republik" für Pilz' Demontage verantwortlich. Er spricht von einer "wohlkoordinierten Kampagne in den Medien".

Bei den Grünen weist man alle Vorwürfe in diese Richtung zurück. Harald Walser etwa versichert im STANDARD-Gespräch: "Inner- und außerhalb des Klubs und der Partei haben dutzende Personen von den Vorwürfen gegen Pilz gewusst, wenn auch so wie ich keinerlei Details." Er selbst habe im Klub ein rechtsstaatliches Verfahren in der Causa eingefordert. Verdächtigungen, dass jetzt die Grünen den Fall geleakt haben sollen, wertet er als "Beleidigung für ihre Intelligenz", denn: "Wenn man damit Politik machen möchte, dann vor der Wahl und nicht danach." Auch dass die Wiener Landesgruppe dahinterstecken könnte, weil Pilz' Liste auch in der Bundeshauptstadt kandidieren wollte, weist Walser zurück.

Weiteren Gerüchten zufolge könnte ein ÖVP-naher PR-Berater hinter den gezielten Informationen an einzelne Medien stecken – genau diese Person habe auch die Vorwürfe gegen die SPÖ in Zusammenhang mit Tal Silberstein ventiliert. Eine Querverbindung zur ÖVP gebe es durch die in Alpbach belästigte Frau, die Mitarbeiterin der Europäischen Volkspartei ist.

Einer der Zeugen war Oliver Stauber, heute bei der SPÖ als Vorsitzender der "Sektion ohne Namen" tätig. Er weist alle Vorwürfe einer gezielten Kampagne von sich. (Michael Völker Nina Weißensteiner, 5.11.2017)