Es geht also doch nach Paris.

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Es war lange nach Mitternacht, Thiem hatte gerade die Ö3-Callenge ertragen und erledigt. Zehn Hobbyspieler versuchten, dem 24-jährigen Tennisprofi ein Ass zu schlagen. Sie scheiterten allesamt, werden aber weiterhin Radio hören. Da saß also Thiem in den Katakomben der Wiener Stadthalle, blass, der Gesichtsausdruck leer. Er machte einen hilflosen, angeschlagenen Eindruck.

Das Achtelfinale der Erste Bank Open war in der Tat ein Trauerspiel, der Franzose Richard Gasquet hatte es mit 4:6, 7:5, 6:1 gewonnen. Die 9200 Zuschauer sind vornehm geblieben, sie haben nicht gepfiffen. Thiems Leistung ab dem 2. Satz war für seine Verhältnisse haarsträubend. "Ich habe nur mehr gewackelt." Wehrlos gab er sich der Niederlage hin, die Körpersprache erinnerte an jene eines Grünen-Politikers in der Wahlnacht des 15. Oktober.

"Die Körpersprache war nicht so, wie sie sein sollte. Klar bin ich schwer enttäuscht. Es tut mir am meisten weh, dass ich den Zuschauern keinen Sieg geschenkt habe." Trainer Günter Bresnik sagte, dass er nicht zu sagen habe. "Ich sage nicht, dass es grottenschlecht war. Das sollen andere sagen." Thiem selbst öffnete Spekulationen die Tür und auch das Tor. "Es gibt da ein paar Sachen, die nur ein paar Leute wissen, die sicher nicht ideal sind und die mich ein bisserl belasten. Körperlicher Natur. Das Knie ist es nicht. Das ist nur für das enge Umfeld bestimmt, man muss nicht alles rausposaunen. Es ist nichts Schlimmes."

Kein Mitleid

Jedenfalls wirkte der Weltranglistensechste in den Tagen von Wien erschöpft, uninspiriert. Hobbymediziner könnte diesen Zustand als Burnout diagnostizieren. Bresnik widersprach, sagte dem "Standard": "Es ist nur eine Lappalie, Dominic braucht kein Mitleid, das führt nur zu Selbstmitleid. Die Leute sollen mutmaßen, was sie wollen." Die Hänger in den Monaten Oktober und November haben Tradition. 2013 ist er in Wien im Viertelfinale gewesen. Das war das beste Ergebnis bei insgesamt 19 Turnieren in diesem Zeitraum. Auf Sand ist er im Stande, sich zu quälen, über die Grenzen zu gehen. Auf Hartplätzen und in Hallen schafft er das nicht. "Mir ist klar, dass ich in der zweiten Saisonhälfte besser werden muss."

Thiem will kein Star sein. Dass er speziell in Wien zusätzlich zur Arbeit auf dem Tennisplatz Termine zu erledigen hat, hin- und hergereicht wird, sei verkraftbar (und gut bezahlt). "Das gehört dazu, das stecke ich schon weg." Turnierdirektor Herwig Straka möchte trotzdem reagieren. "Vielleicht ist weniger mehr. Wir werden versuchen, ihm Druck zu nehmen."

Paris und London

Thiem sagte schon nach dem Erstrundensieg gegen Andrej Rublew: "Wien ist eine Weltstadt, die Veranstaltung ist groß, sie hängt nicht von mir ab." Das Masters-1000 nächste Woche in Paris-Bercy wollte Thiem im ersten Frust auslassen, am Freitag änderte er seine Meinung, er wird es laut Bresnik doch bestreiten. Sein letzter Auftritt in diesem Jahr ist das ATP-Finale von 12. bis 19. November in London.

Die acht besten sind qualifiziert, drei Partien in der Gruppenphase garantiert. "Ich werde in guter Form auflaufen." Er trifft dort auf Roger Federer oder Rafael Nadal, möglicherweise auf beide. "Ich werde mit Lockerheit reingehen, es genießen. Schließlich bin ich zum zweiten Mal dabei. Und darauf darf man ein wenig stolz sein." In Wien werde er noch sehr oft erscheinen. "Irgendwann wird es klappen." Hobbyspieler werden versuchen, gegen den Lokalmatador Asse zu servieren. "Wenn ich meine Partie davor gewonnen habe, macht es mehr Spaß." (Christian Hackl, 27. 10. 2017)