Symptome erkennen und Rettung rufen – bei einem Schlaganfall zählt jede Minute.

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Einer aktuellen Studie zufolge sind Schlaganfälle weltweit für jährlich 6,3 Millionen Todesfälle verantwortlich, und sind somit in elf Prozent aller Sterbefälle die Todesursache. In Österreich liegt dieser Wert bei 5,8 Prozent. Zudem stellt der "Hirninfarkt" global gesehen die häufigste Ursache für dauerhafte und in vielen Fällen schwere Behinderungen dar.

Bluthochdruck, Bewegungsmangel, ungünstige Blutfettwerte, Ernährung, das Verhältnis von Taillen- und Hüftumfang, Rauchen, psychosoziale Faktoren, Alkohol, kardiale Erkrankungen und Diabetes mellitus – diese zehn Risikofaktoren sind zusammen für 90 Prozent aller Schlaganfälle verantwortlich. "Die meisten davon sind vermeidbar und mit verstärkten Bemühungen in der Prävention könnten zahlreiche Menschenleben gerettet werden", sagt Peter Sommer von der Krankenanstalt Rudolfstiftung.

Weil die meisten Risikofaktoren von Schlaganfällen also vermeidbar sind, steht der diesjährige Welt-Schlaganfall-Tag (29. Oktober) unter dem Motto der Schlaganfall-Prävention. "Die Zahl der Betroffenen steigt weltweit weiter an", so Sommer. "Es ist höchste Zeit, die Bemühungen zur Vorbeugung deutlich zu erhöhen."

Typische Risikofaktoren

In Österreich erleiden jedes Jahr etwa 24.000 Menschen einen Schlaganfall. Ein Fünftel der Frauen und ein Sechstel der Männer sind im Lauf ihres Lebens davon betroffen. In beinahe allen Fällen lassen sich die Risikofaktoren bereits lange davor identifizieren:

  • Fast jeder zweite Betroffene hat Bluthochdruck
  • Mehr als ein Drittel hat einen bewegungsarmen Lebensstil
  • Rund ein Viertel ernährt sich schlecht und isst nicht genügend Obst und Gemüse
  • Rund ein Viertel hat erhöhte LDL-Cholesterin-Werte
  • Einer von fünf hat Übergewicht
  • Jeder Zehnte ist Raucher
  • Neun Prozent leiden unter Vorhofflimmern, der häufigsten Herzrhythmus-Störung, oder einer anderen Herzkrankheit

Lebensstil-Änderungen erforderlich

Auch wenn diese Risikofaktoren schon längst bekannt sind, hat das bisher kaum zur Änderung des Lebensstils beigetragen. "Abgesehen vom Rauchen, wo die gesetzlichen Restriktionen langsam greifen, sind die bekannten Risikofaktoren in den letzten Jahren nicht oder nicht wesentlich zurückgegangen", so. Sommer. "Da haben wir noch viel Aufklärungsarbeit zu leisten.

Wie eine 2015 in Salzburg durchgeführte Untersuchung zeigt, sind alarmierende Werte schon bei sehr jungen Menschen weit verbreitet. Obwohl die Studienteilnehmer im Schnitt erst 37 Jahre alt waren, wurden bei 46,9 Prozent erhöhter Blutdruck, bei 37,5 Prozent Übergewicht und bei 44 Prozent eine abdominelle Adipositas (Fett am Bauch) festgestellt. Bei 18,5 Prozent lagen drei oder mehr dieser Risikofaktoren vor

"Wir müssen dieser Entwicklung entschlossen entgegentreten", so Sommers Appell. "Es gibt ein Bündel von Maßnahmen, die nachweislich dafür sorgen können, dass die Zahl der Schlaganfälle reduziert werden kann." Allein die Bekämpfung von zu hohem Blutdruck kann, wie eine Metaanalyse zeigt, das Schlaganfall-Risiko um nahezu ein Drittel reduzieren.

Positiv-Beispiel Arizona

"Trotz aller Fortschritte könnte auch eine noch entschlossenere Anti-Tabak-Politik die Zahl der Betroffenen noch weiter senken", so Sommer. "Wie das Beispiel im US-Bundesstaat Arizona zeigt, gingen die Schlaganfall-Raten um 14 Prozent zurück, nachdem das Rauchen dort aus allen öffentlichen Gebäuden, Arbeitsplätzen und Restaurants verbannt wurde."

Ein verstärkter Einsatz der neuen und hochwirksamen – leider noch teuren – PCSK9-Inhibitoren zur LDL-Cholesterin-Senkung sowie eine bessere Früherkennung und Behandlung des immer noch zu selten erkannten Vorhofflimmerns würde weitere Leben retten und Behinderungen ersparen.

"Ganz besonders müssen unsere Bemühungen zur Lebensstil-Umstellung natürlich jenen gelten, die bereits einen Schlaganfall hatten", sagt Sommer. "Studien zeigen, dass strukturierte Nachbetreuungsprogramme immer dann besonders effizient sind, wenn es um die Umstellung des Lebensstils geht. Hier gilt es die Möglichkeiten des digitalen Zeitalters besser zu nutzen und solche Programme zu forcieren."

Was tun im Akutfall?

Was man im Notfall wissen sollte, lässt sich in vier Buchstaben zusammenfassen, mit dem englischen Wort für schnell, also F – A – S – T:

F wie Face (Gesicht): Die betroffene Person soll lächeln. Hängt der Mundwinkel auf einer Seite herab?

A wie Arm: Die Person soll beide Arme heben. Ist ein Arm gelähmt und sinkt nach unten?

S wie Speech (Sprache): Der oder die Betroffene soll einen einfachen Satz wiederholen. Sind die Worte undeutlich? Wird der Satz korrekt wiederholt oder hat die Person Schwierigkeiten ihn zu verstehen?

T wie Time (Zeit): Wenn eines der oben genannten Symptome auftritt, ist Zeit ein wichtiger Faktor. Die Rettung (144) muss umgehend alarmiert und der Patient ins Krankenhaus gebracht werden.

Gute Akutversorgung

Was die Akutversorgung betrifft, ziehen Österreichs Neurologen eine sehr positive Bilanz. "Es gibt wenige andere Krankheiten, deren Behandlungsmöglichkeiten sich in jüngerer Vergangenheit derart revolutionär verbessert haben, und in wenigen anderen Ländern wurden diese Möglichkeiten so gut genutzt wie in Österreich", bilanziert Sommer.

Mit inzwischen 38 Stroke Units sorgt ein Netz hochspezialisierter Versorgungseinrichtungen für die flächendeckende Basisversorgung. Die Mehrheit aller Schlaganfall-Patienten wird in Österreich in einer Stroke Unit behandelt, bis zu 25 Prozent werden mittels intravenöser Thrombolyse versorgt.

Für besonders schwere Fälle, in denen die Gehirngefäße von massiven Verschlüssen blockiert werden, stehen heute elf Zentren bereit, in denen der neue Therapiestandard der endovaskulären Behandlung zur Anwendung kommt. "Wenn es nicht genügt, die Gefäßverschlüsse mit Medikamenten aufzulösen, wird ein schraubenförmiger Bohrer über einen Katheter bis zum Gerinnsel vorgeschoben und der Verschluss durch Herausziehen entfernt – ähnlich wie der Korken einer Flasche", erklärt der Mediziner.

Derzeit erhalten bis zu zehn Prozent der Schlaganfall-Patienten eine endovaskuläre Behandlung. Sie ist wegen Infrastruktur und Behandlungsqualität auf einige wenige spezialisierte Zentren konzentriert. Denn sie setzt nicht zuletzt auch ein gut funktionierendes Transportwesen voraus, wo Patienten rasch und ohne Verzögerung nötigenfalls auch mit dem Hubschrauber zur endovaskulären Intervention und danach wieder zurück an die erstversorgende Stroke Unit gebracht werden können.

Zeit ist Gehirn

Während vom Eintreffen der Patienten in den spezialisierten Units bis zum Beginn der Behandlung dank der Optimierung aller Abläufe oft nur mehr 30 Minuten vergehen, verlieren viele Betroffene davor zu viel kostbare Zeit. "Fast jeder Dritte zögert sogar dann, sofort ärztliche Hilfe in Anspruch zu nehmen, wenn die Symptome deutlich erkennbar sind", weiß Sommer.

"Hier sind weitere Aufklärungsmaßnahmen nötig und die Mittel dafür sicher gut investiert. Im Erfolgsfall können damit viele Leben gerettet und den Betroffenen oft ein Leben mit schweren Behinderungen erspart werden." (red, 29.10.2017)