Um Familienstreit um die Hinterlassenschaft eines Verblichenen vorzubeugen, können Gespräche vor der Testamentserstellung ein geeigneter Weg sein.

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Wien – Wenn Menschen in christlichen Gesellschaften Anfang November zu Allerheiligen und Allerseelen der Liebsten gedenken, die schon von ihnen gegangen sind, werden sie sich oftmals auch der eigenen Vergänglichkeit bewusst. Was wird bis dahin und in weiterer Folge passieren? Vieles bleibt im Ungewissen, aber zumindest in materieller und finanzieller Hinsicht lässt sich einiges regeln – auch über Tod hinaus.

Wer dies nicht selbst in die Hand nimmt, der überlasst sein Lebenswerk gänzlich dem gesetzlichen Erbrecht – allerdings sind bei diesem zu Jahresbeginn wesentliche Punkte neu geregelt worden. Die wichtigsten Änderungen stellen etwa die Neuverteilung der Pflichtteilberechtigungen oder die Stundungsmöglichkeit der Auszahlung des Pflichtteils unter gewissen Umständen dar. Aber auch geänderte Formvorschriften für ein fremdhändiges Testament, also einen nicht persönlich verfassten, handschriftlichen letzten Willen, sind in Kraft getreten.

Testament bleibt gültig

Sind somit nach alter Rechtslage erstellte Testamente hinfällig? Nein, sagt Dipl. Coach und Schoellerbank-Expertin Elke Esterbauer: "Das bestehende Testament bleibt gültig." Jedoch sieht sie die Änderungen als Gelegenheit, den letzten Willen überprüfen zu lassen, ob er den Zielen und Bedürfnissen des Erblassers noch gerecht wird. Ein Beispiel mit Konfliktpotenzial: Da Eltern eines Verstorbenen nicht mehr pflichtteilsberechtigt sind, kann es bei Patchwork-Familien dazu kommen, dass Familienbesitz an die angeheiratete Familie übergeht.

Laut der Studie "Erben in Österreich" der Rechtsanwaltskammer Niederösterreich von Ende 2016 hatten 24 Prozent der Befragten bereits Streit im Zusammenhang mit diesem Thema. Als vorbeugendes Mittel empfiehlt Esterbauer Gespräche, um das Lebenswerk des Testators mit den Erwartungen der Erben in Einklang bringen zu können – wenn alle Stricke reißen unter Zuhilfenahme eines Mediators oder Coachs: "Ich finde es in bestimmten Fällen förderlich, dass man die Erben vorher miteinbezieht. Dann gibt es keine Unklarheiten mehr", sagt sie und fügt hinzu: "Das Gute an Gesprächen ist, dass man sehr viel über gegenseitige Wünsche erfährt."

Hälfte der Österreicher ohne Testament

Fast die Hälfte der Österreicher hat sich laut Studienergebnis noch keine Gedanken über den letzten Willen gemacht, bloß 13 Prozent besitzen eine letztwillige Verfügung. Das ist auch nicht immer nötig: Mit zunehmender Komplexität des Vermögens und der Erbenstruktur hält es Esterbauer für immer wichtiger, ein Testament zu verfassen. Keine Präferenzen hat sie dabei, ob eigen- oder fremdhändig, empfiehlt aber eigenhändige von einem Notar prüfen und beim zentralen Testamentsregister der Notariatskammer eintragen zu lassen. Auch mit Blick auf mögliche Folgekosten fügt sie hinzu: "Ein eigenhändiges ist leichter wieder zu ändern."

"Der emotionale Aspekt ist ganz wichtig", betont Esterbauer, empfiehlt jedoch, zur Klärung rechtlicher und steuerlicher Aspekte mit einer Vermögensbilanz und einer Auflistung des potenziellen Erbenkreises einen Experten auszusuchen. "Für einen Notar ist das Daily Business", sagt sie, "es gibt aber auch gute, darauf spezialisierte Rechtsanwälte." Zudem empfiehlt Esterbauer, für den Fall einer Geschäftsunfähigkeit ein Vorsorgepaket aktiv zu schnüren. (Alexander Hahn, 1.11.2017)