Anhänger von Oppositionskandidat Raila Odinga reagierten mit Protesten und Blockaden darauf, dass die Präsidentenwahl am Donnerstag stattfinden sollen.

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Präsident Uhuru Kenyatta bestand bereits seit Wochen darauf, dass der Termin eingehalten wird.

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Nairobi/Johannesburg – Wer gedacht hatte, dass die kenianische Präsidentenwahl an Absurdität nicht mehr zu überbieten sei, wurde am Mittwoch eines Besseren belehrt. Mit Spannung war am Morgen in Nairobi ein Machtwort des Obersten Gerichtshofs erwartet worden: Der sollte darüber befinden, ob die für Donnerstag angesetzte Wiederholung der Wahl vom 8. August wegen zahlreicher Unregelmäßigkeiten noch einmal verschoben werden muss. Doch das Machtwort blieb aus, weil nur zwei der sieben Richter den Weg zu ihrem Arbeitsplatz gefunden hatten.

Der Rest der höchsten Juristen des Landes brachte ganz unterschiedliche Begründungen für das Fernbleiben vor: Eine Richterin musste sich um ihren Bodyguard kümmern, der am Abend zuvor unter mysteriösen Umständen angeschossen worden war. Ein anderer soll keinen Flug mehr bekommen haben, um rechtzeitig in der Hauptstadt einzutreffen. Wieder ein anderer befand sich angeblich zur medizinischen Behandlung im Ausland. Und zwei weitere gaben für ihre Verhinderung nicht näher benannte Unpässlichkeiten an. Damit war der Weg frei für den Willen des Präsidenten Uhuru Kenyatta, der bereits seit Wochen darauf bestand, dass die Wahl trotz allen Widerstands am Donnerstag stattfinden solle.

Odinga will nicht teilnehmen

Der 55-jährige Staatschef kann aus der Abstimmung nur siegreich hervorgehen. Denn sein eigentlicher Kontrahent Raila Odinga kündigte bereits vor zwei Wochen an, unter den gegebenen Umständen nicht teilzunehmen. Der Chef der oppositionellen Nationalen Superallianz (Nasa) forderte den Rücktritt und die Wiederbesetzung der Unabhängigen Wahl- und Grenzkommission, die die ursprüngliche Abstimmung Anfang August dermaßen verpfuscht hatte, dass sie vom Obersten Gerichtshof mit einer in Afrika beispiellosen Entscheidung für null und nichtig erklärt worden war. Kenyatta soll die damalige Wahl mit 54 Prozent der Stimmen gegen Odinga (45 Prozent) gewonnen haben.

Mit dem Argument, dass die von der Verfassung für Neuwahlen vorgeschriebene Zeitspanne nicht ausreiche, um die Kommission neu zu besetzen, hatte die Regierung Odingas Forderung abgelehnt. Eines der Kommissionsmitglieder floh vergangene Woche nach New York: Dort sagte Ezra Chiloba vor der Presse, die Kommission könne unter den gegebenen Umständen "keine glaubwürdige Wahl garantieren". Ähnlich äußerte sich der Präsident der Kommission, dem Sympathien für die Opposition nachgesagt werden. Der Geschäftsführer des Gremiums, der als regierungsnah gilt und von der Opposition entschieden abgelehnt wird, trat Anfang dieser Woche überraschend einen dreiwöchigen Urlaub an.

Ungeklärter Mord an Mitarbeiter der Wahlkommission

Die Kommission war bereits eine Woche vor dem ursprünglichen Wahlgang ins Rampenlicht gerückt, nachdem der Chef seiner EDV-Abteilung entführt, gefoltert und ermordet worden war. Die Opposition vermutet, dass Chris Msando Passwörter abgepresst wurden. Die Hintergründe des Mordes sind bis heute nicht aufgeklärt, niemand wurde verhaftet.

Opposition protestiert und boykottiert

Bereits wenige Minuten nach der Nichtentscheidung des Höchstgerichts gingen in der oppositionellen Hochburg Kisumu wieder hunderte Demonstranten auf die Straße. Anyang Nyong'o, Kisumus Gouverneur und Mitglied der Nasa, sprach den Demonstranten das "Recht zur Revolte" zu, da die Regierung den souveränen Willen des Volkes hintertreibe. In Nairobi wurden Kundgebungen unterdessen untersagt.

Oppositionsführer Odinga rief seine Anhänger dazu auf, am Wahltag zu Hause zu bleiben. Trotzdem wird sowohl in Kisumu wie in Nairobi mit Zwischenfällen gerechnet. Viele Kenianer haben sich in den vergangenen Tagen für den Ernstfall mit Nahrungsmitteln eingedeckt. (Johannes Dieterich, 25.10.2017)