Der aktuelle Aufschwung läuft schon lange, aber bisher nur sehr langsam. Nun kommt aber auch der "Schildkrötenzyklus" auf Touren.

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Wien – Die zunehmende Konjunkturdynamik in Westeuropa hat zuletzt auch den Aktienmärkten auf die Sprünge geholfen – und dies sollte sich aus Sicht von Tim Albrecht vom Vermögensverwalter Deutsche Asset Management auch weiterhin fortsetzen. "In der Eurozone sollten wir einen Aufschwung sehen, der zumindest noch zwei Jahre anhält." Wobei Albrecht die sogenannten Dach-Staaten, das sind Deutschland, Österreich und die Schweiz, derzeit in einer besseren Situation als Westeuropa sieht.

Zwar räumt er ein, dass der Aufschwung schon vergleichsweise alt sei, entgegnet jedoch, dass dessen Dynamik zuvor trotz des überaus tiefen Zinsniveaus sehr schwach ausgefallen sei. Der Experte, der bei der Deutsche Asset Management für die Aktienmärkte der Region zuständig ist, spricht daher von einem "Schildkrötenzyklus". Soll heißen, die Volkswirtschaften würden diesmal länger als üblich dafür brauchen, um das Gesamtwachstum eines durchschnittlichen Wirtschaftszyklus zu erzielen.

Ampel auf Grün

Folglich stehen aus Albrechts Sicht auch die Ampeln für die Aktienmärkte auf Grün – und er spricht bereits von einem Dax-Stand von 15.000 Punkten, das sind um gut 15 Prozent mehr als derzeit: "Das ist ein Szenario, das wir uns für Ende 2018 durchaus vorstellen können." Der Wiener Markt könnte ihm zufolge sogar etwas stärker zulegen, zumal auch in Osteuropa die Konjunktur wieder wie am Schnürchen läuft: "Österreichische Aktien sind eine Möglichkeit, vom Aufschwung in der Region zu profitieren", sagt Albrecht. "Der ATX stellt aber eine höhere Risikoklasse dar, sollte dafür das bessere Ertragspotenzial haben." Das Gegenteil gilt laut dem Experten für den Schweizer Markt wegen vieler defensiver Schwergewichte aus der Nahrungsmittel- oder Pharmabranche.

Trotz des guten Laufs der Börsen der Region erachtet er die Bewertungen nicht als überzogen: "Die Aktienmärkte liegen leicht über dem historischen Schnitt, sind aber nicht in einer Bewertungsblase." Laut Albrecht würden die Unternehmen der Dach-Region für 2017 und wohl auch 2018 "ein Umfeld für hohes einstelliges bis tiefes zweistelliges Gewinnwachstum sehen". Etwa in dieser Größenordnung sollen ihm zufolge auch die Kurse zulegen.

Zahlreiche Börsengänge

Mit gemischten Gefühlen betrachtet Albrecht den derzeitigen Boom an Börsengängen in Frankfurt, auch in Wien gab es mit der Bawag nach mehrjähriger Flaute wieder einen Neuzugang. Einerseits benötigten die Märkte nach etlichen Abgängen in den vergangenen Jahren wieder Nachschub, andererseits interpretiert er die Risikofreude und die tendenziell hohen Emissionspreise auch als Warnsignal: "Es ist ein erstes Anzeichen, dass die Börsen zu überhitzen drohen."

Albrecht erwartet jedoch nicht, dass diese Gefahr unmittelbar schlagend wird – zumal er nicht an ein Ende der Aktienhausse wegen überzogener Bewertungen glaubt. Vielmehr würde es dem typischen Muster aus höherer Inflation – er geht von je drei bis vier Prozent Lohnsteigerungen in den nächsten zwei Jahren aus – und steigenden Zinsen folgen. Zunächst geht der Dach-Experte nur davon aus, dass die EZB im nächsten Jahr das Anleihenkaufprogramm nur ausdünnen wird. Es stelle sich aber die Frage, wo Inflation und Zinsen in zwei, drei Jahren in Europa stehen werden. "Das könnte der Auslöser sein", sagt Albrecht über ein mögliches Ende des Bullenmarkts. Schwerer würde dies zwar die Anleihen- und Immobilienmärkte belasten, "aber auch die Aktienmärkte werden betroffen sein". (Alexander Hahn, 28.10.2017)