Wien – In früheren Studien der MedUni Wien konnten Wissenschafter zeigen, dass höhere Serotoninspiegel in Thrombozyten, den sogenannten Blutplättchen, zu einem besseren klinischen Verlauf nach einer Leberresektion führen. Der Grund dafür: Das in den Blutplättchen gespeicherte Serotonin beeinflusst vermutlich die postoperative Leberregeneration positiv. Die Forscher stellten deshalb die Hypothese auf, dass eine medikamentöse Beeinflussung des Serotoninspiegels die Leberregeneration ankurbeln und die Prognose der Patienten nach einem Eingriff an der Leber verbessern könnte. Dieser Ansatz wäre sehr hilfreich, da ungefähr zehn bis 20 Prozent der Betroffenen nach einer Leberteilentfernung an einer akuten Leberdysfunktion leiden.

Serotonin fördert Wachstum der Leber und des Tumors

Serotonin scheint jedoch einen relativ universellen Wachstumsfaktor darzustellen, wie die Forscher der MedUni Wien betonen. So gibt es mehrere wissenschaftliche Berichte über eine tumorfördernde Wirkung von Serotonin. Allerdings gab es dazu bislang lediglich experimentelle Daten – ein Beweis im menschlichen System konnte noch nicht gestellt werden.

Um den Effekt von Serotonin auf das Tumorwachstum im Menschen zu messen, wurde für die Studie der MedUni Wien bei PatientInnen mit Leberresektionen der Serotoninspiegel in den Thrombozyten vor der Operation bestimmt. Das Ergebnis: Patienten mit besonders niedrigen Serotoninwerten litten vermehrt an Komplikationen und benötigten einen längeren Krankenhausaufenthalt nach der Operation als Patienten mit besonders hohen Serotoninspiegeln in den Blutplättchen.

Wurde allerdings das Wiederauftreten des entfernten Tumors betrachtet, so bot sich ein umgekehrtes Bild: Während PatientInnen mit besonders hohen Serotoninspiegeln vermehrt an einem frühen Krebswiederauftreten litten, zeigten jene mit sehr niedrigen Serotoninwerten seltener ein solches Wiederauftreten.

Gleiche Wirkung auch bei Dick- und Enddarmkrebs

"Die durch diese Studie gewonnenen Erkenntnisse sind daher von höchster Wichtigkeit für die thrombozytenbasierten Therapie des postoperativen Leberversagens", erklärt Studienleiter Patrick Starlinger. "Während ein Anheben der in Thrombozyten enthaltenen Wachstumsfaktoren, wie zum Beispiel von Serotonin, bislang eine attraktive Therapie darstellte, sehen wir nun, dass diese Therapie nicht nur Vorteile bringen kann. Zwar verringert sich das Risiko für Komplikationen mit steigendem Serotoninspiegel, allerdings steigt parallel dazu das Risiko bereits innerhalb des ersten halben Jahres nach der potentiell heilenden Operation erneut an einem Tumor in der Leber zu erkranken."

Die ambivalente Rolle von Serotonin konnten die Forscher nicht nur für primäre Lebertumoren, sondern auch für Metastasen des Dick- und Enddarmkrebses nachweisen. "Diese Daten sollen keinesfalls bedeuten, dass eine Therapie des postoperativen Leberversagens basierend auf Thrombozyten oder Serotonin als Ganzes zu verwerfen ist", interpretiert Patrick Starlinger die Ergebnisse. "Viel mehr zeigt die Studie, dass eine genaue Definition der potenziellen Therapie und die verfügbaren Optionen sorgfältig untersucht werden müssen", resümiert der Experte. (red, 19.10.2017)