Werner Kogler: "Wir können den Laden nicht zudrehen."

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Bundesrätin Ewa Dziedzic ist eine von sieben Mandataren, die im grünen Parlamentsklub bleiben.

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Wien – Der interimistische Grünen-Chef Werner Kogler verspricht Aufräumarbeiten in seiner Partei. "Es ist der seltsame Verdienst der grünen Bundespartei, dass wir in einem historischen Moment versagt haben – total versagt im Prinzip", sagte er im Ö1-"Mittagsjournal" am Mittwoch. Die "grüne Idee" existiere aber weiterhin, auch in vielen Bürgerinitiativen und NGOs, nun müsse man den Wiedereinzug planen. Auch wegen der mehr als hundert betroffenen Mitarbeiter gelte: "Wir können den Laden nicht zudrehen."

Kogler geht davon aus, dass die Grünen bei den kommenden Landtagswahlen ihre Ergebnisse halten können "oder sogar zulegen". Dort werde in den Landesregierungen und in der Opposition "hervorragende Arbeit" geleistet. Auch die zurückgetretene Bundessprecherin Ingrid Felipe sei in Tirol "hochanerkannt". Dass nun die Länder in der Bundespartei verstärkt mitreden wollen, wie es die Wiener Grüne Maria Vassilakou angekündigt hat, wertet Kogler "natürlich als Unterstützung".

Maria Vassilakou (Die Grünen) gegen "Köpferollen" (Beitrag aus der ZiB um 9 Uhr)
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Kogler: "Da muss halt jemand hingreifen"

Er selbst habe "nicht so lange" gebraucht, um in seine neue Rolle als Krisenfeuerwehr der Grünen einzuwilligen. "Da war nicht lange zu zögern, da muss halt jemand hingreifen."

Dass sich die Grünen nun eine neue Bühne suchen müssen, sei ihm bewusst. Den Schulden wolle man mit einem Sanierungskonzept entgegentreten. Es hätten sich bereits viele gefunden, die gerade jetzt der Partei beitreten oder auch spenden wollten.

Wie genau die neue Strategie, die Strukturen und die personelle Erneuerung ausschauen werden, ließ Kogler offen. "Jetzt ist mal so richtig Krise, da muss man sich rausmanövrieren, das haben wir vor." Alles weitere werde man gemeinsam besprechen. Am Freitag tagt der erweiterte Bundesvorstand.

Christoph Chorherr, der ehemalige Bundessprecher der Grünen, spricht über seine Enttäuschung über das Wahlergebnis, mögliche Fehler der Partei und Pläne für die Zukunft.
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Noch sieben Mandatare

Nicht alle Grünen im Parlamentsklub müssen gehen, es verbleiben vier Bundesräte und drei EU-Abgeordnete. Diese sieben Mandatare treffen einander am Donnerstag, um einen Fahrplan für die nächsten fünf Jahre auszuarbeiten, sagt Ewa Dziedzic, Bundesrätin für Wien, im Gespräch mit dem STANDARD.

Übrig bleiben außer Dziedzic die Salzburger Bundesrätin Heidi Reiter, der Oberösterreicher David Stögmüller und die Tirolerin Nicole Schreyer. Im EU-Parlament sitzen Michel Reimon, Monika Vana und – nach dem Rücktritt Ulrike Lunaceks – Thomas Waitz.

Ulrike Lunacek in der ZiB2 am Dienstag.
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Keine Fachreferenten mehr

Dziedzic ist seit 2015 Bundesrätin und sagt: "Wir werden alles dafür tun, die parlamentarische Arbeit aufrechtzuerhalten." Bundesräte hätten etwa die Möglichkeit, dringliche Anfragen an Minister zu stellen, "das hat sich schon in der Vergangenheit als politisch erfolgreiches Mittel erwiesen". Schmerzlich fehlen würden bei der Arbeit im Bundesrat aber die Fachreferenten und Juristen des Nationalratsklubs, auf die sie als Bundesrätin bisher zurückgreifen konnte.

Zusammenarbeit mit NGOs

"Es wird grundsätzlich sehr schwer werden, dass sich die Grünen Gehör verschaffen", sagt Dziedzic. "Das klingt jetzt vielleicht ein bisschen wie vor 30 Jahren, aber wir werden wieder verstärkt mit der Zivilgesellschaft und NGOs zusammenarbeiten müssen." Darin sieht die Bundesrätin aber auch eine Chance. Der Widerstandsgeist und die Mobilisierungskraft, die die grüne Bewegung am Anfang geprägt hätten, könnten so wiederauferstehen. "Wir können wieder eine Bewegung werden, die offen für Vorschläge aus der Zivilgesellschaft ist."

Grundlagenarbeit "verlorengegangen"

Die Gründe für das schlechte Abschneiden der Grünen sind für Dziedzic vielfältig. Die Partei habe sich in den vergangenen zehn Jahren bemüht, sich als "normale Partei, die nicht chaotisch ist", darzustellen. "Das ist auch gelungen. Man muss sich aber auch fragen, was der Preis dafür war." Zwar hätten die Grünen es geschafft, in die Landtage und in einige Landesregierungen einzuziehen. "Das haben wir Eva Glawischnig zu verdanken." Durch den Fokus auf den Außenauftritt sei aber die inhaltliche Grundlagenarbeit verlorengegangen.

Abwahl von Pilz "keine kluge Idee"

Als Fehler nennt Dziedzic außerdem den Konflikt mit den Jungen Grünen, der immer weiter verstärkt und nicht beruhigt wurde, und die Abspaltung von Peter Pilz. "In einer Zeit, in der wir die Bundessprecherin verloren haben und einen Konflikt mit der Jugendorganisation hatten, war es keine kluge Idee, Pilz nicht auf den gewünschten Listenplatz zu wählen. Er hätte als langjähriger Mandatar Stabilität gegeben."

Künftig solle die Partei auch verstärkt klarmachen, dass viele Funktionäre und Funktionärinnen "nicht in der Bobo-Blase leben". "Meine Eltern sind aus Polen nach Österreich gekommen und haben sich hier eine Existenz aufgebaut." Die Grünen hätten vielfältige Biografien, das Image, wonach "wir in einer Dachgeschoßwohnung leben", sei falsch. (koli, APA, 18.10.2017)