So hässlich wie schön: Sneaker von Louis Vuitton

Foto: Louis Vuitton

In der elitären Welt der High Fashion hatten Väter bisher ein schlechtes Image. Sie galten als modisch zu vernachlässigende Spezies, die aufgegeben hatte, sich um ihr Aussehen zu kümmern. Der Dad hat schließlich mit Job und Kindern andere Probleme – seine Kleidung muss vor allem praktisch sein, weite Jeans, gern auch mit Gummizug, deren Färbung in einem Artikel auf "Style.com" abwertend als "Wal-Mart blue" bezeichnet wurde. Ex-Präsident Barack Obama musste sich für seine Dad-Jeans regelmäßig verspotten lassen. Dazu Turnschuhe, die wie Boote aussehen, klobige Sohlen mit einem Hang ins Orthopädische, gekauft direkt beim Discounter.

Aber die Mode sieht sich schnell satt am vermeintlich Schönen und sucht gerade im anscheinend Hässlichen neue Inspiration. Der aktuelle Trend "Dadcore" – eine Weiterführung des 2014 aufgekommenen Begriffs "Normcore", mit dem man modisch ausdrücken wollte, dass man in Zeiten, in denen einem dauernd Pseudoindividualität verkauft wird, lieber durchschnittlich sein möchte –, stellt erneut den Normalo aufs Podest.

Hype-Modelle

Nirgends sieht man das so deutlich wie bei den Sneakers, die gerade gehypt werden: von Balenciagas "Triple-S", der immer mindestens eine Nummer zu groß wirkt, über Vetements klobige Reebok-Modelle bis hin zu Filas "Disruptor", der soeben in neuen Farben aufgelegt wurde. Rapper Kanye West legt mit seinem "Wave-Runner 700" (Adidas) ein begehrtes Modell auf, Acne Studios haben schon länger klobige Treter im Sortiment, Prada zieht mit seinem "Cloudbust" nach.

Die angesagten Sneaker, von hinten nach vorn: der GEL-Lyte[TM] MT von Asics, das Modell "Triple S" sowie die Plateau-Crocs von Balenciaga, der Fila "Disruptor" in Creme, Kanye Wests "Wave Runner 700" sowie Pradas futuristischer Sneaker "Cloudbust".
Foto: Hersteller

Sogar Chanel zeigte auf der gerade in Paris präsentierten Show neben durchsichtigen Plastikstiefeln wuchtige Turnschuhe für das kommende Frühjahr, ebenso Louis Vuitton. Der massentauglichere, weil deutlich preisgünstigere Nike Air Max 9 ist im Stadtbild ohnehin schon weit verbreitet. Keine Frage: Der Ugly-Sneakers-Trend wird uns nicht so schnell verlassen. Bis auf weiteres gilt nicht nur bei Schuhen: je unmodischer, desto cooler.

Modewellen

Die Mode verläuft in Wellen, wenn wir uns an etwas sattgesehen haben, wollen wir das Gegenteil. Der 2014 relaunchte Stan Smith von Adidas war mit seiner cleanen minimalistischen Ästhetik der prägende Turnschuh der letzten Jahre. Mit dem aktuellen 90er-Jahre-Revival, das die sportliche Rave-Ästhetik zurückbringt, werden auch die Schuhe wieder hybrider, das heißt: eckige Formen, dicke Schnürbänder, hohe Sohlen, bunte Optik.

Die Spice Girls lassen grüßen! Ihrer Zeit voraus waren bei diesem Trend Raf Simons, der mit seinen Adidas-Ozweegos schon 2013 darauf setzte, uns wie Bauarbeiter aussehen zu lassen, und Bernhard Willhelm, der für Camper ab 2012 massive Schuhe entwarf, die aussahen, als würde man auf den Berg wollen.

In den letzten Jahren hat sich bei den Schuhen viel getan, Sport- und Trekking-Mode ist nicht nur salonfähig, sondern High Fashion geworden. Birkenstock-Schlapfen gibt es auch in sündteuren Versionen, Teva-Sandalen haben mit namhaften Designern kooperiert, und die geächtete Crocs-Krankenhaus- und -Strandlatsche erlebte beim britischen Designer Christopher Kane im Vorjahr einen Catwalk-Moment. Balenciaga setzte in seiner jüngsten Show für Frühling 2018 noch eines drauf: Plateau-Crocs sind im nächsten Sommer scheinbar der neueste heiße Scheiß, obwohl schon die laufenden Models fast damit umgekippt wären.

Die 1990er-Jahre

Doch zurück zu den Turnschuhen: Die 1990er-Jahre waren ein aufregendes Jahrzehnt für Sneakers. Die Fitnessbewegung sorgte für Innovationen in Technik und Design, die Marketingbudgets wuchsen, prominente Sportler wie der Basketballer Michael Jordan wurden zu Markenbotschaftern, und auch das Sammeln von ausgewählten Sneakern wurde in.

Turnschuhe sollten damals modern wirken, die Air-Sohlen von Nike wurden erfunden, das Pump-System von Reebook und die Disc-Schuhe von Puma, die ganz auf Schnürsenkel verzichteten. Es ist fast schon eine Ironie der Geschichte: Was damals als innovativ und Hightech galt, wirkt heute in Zeiten von Flyknit-Modellen bloß retro-futuristisch und nostalgisch. Aber gerade darauf fährt die Mode zurzeit ab: Bundfaltenhose, Krawatte und Funktionsjacke.

Die innovative Hype-Marke Balenciaga schickte jüngst Männermodels mit ihren Kindern auf den Laufsteg des Pariser Parc Bois de Boulogne. Bis auf die extrem breiten Schultern wirkten die gestreiften Hemden, die bequemen Hoodies und locker sitzenden Hosen fast schon surreal normal. Noch unauffälliger geht kaum. Die Show sei inspiriert von "jungen Dads, die mit ihren Kindern im Park spazieren gehen", meinte Demna Gvasalia, der kreative Kopf des Labels. Dass der Open-Air-Catwalk ausgerechnet im Gay-Cruising-Bereich stattfand, ist eine andere Geschichte. Es sind eben verwirrende Zeiten für Daddys. (Karin Cerny, RONDO, 21.10.2017)


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