Große Steaks auf zwei Etagen: Das El Gaucho am Rochusmarkt hat im Vergleich zum Donaukanal stark aufmagaziniert.

Foto: Gerhard Wasserbauer

Das "Ancho de Aragosta" etwa ist ein Steak vom Rostbraten ("Ribeye"), das vor dem Grillen in der Mitte einen tiefen Schnitt bekommt, um zwei Garnelen darin zu versenken.

Foto: Gerhard Wasserbauer

Achthundert Quadratmeter auf zwei Stockwerken, zwei massive Küchen, zwei Eingänge, davon einer über einer Shoppingmall – und die Tische sind an einem Abend am Wochenanfang bis auf den letzten Platz besetzt: Die Dimensionen des neuen Steakrestaurants am Wiener Rochusmarkt zeigen, dass die Wiener mittlerweile einen durchaus amerikanischen Hang zu kurz gebratenen Fleischtrümmern entwickelt haben.

Sie zeigen aber auch, dass die heimische Systemgastronomie auch abseits der Plachutta-Outlets gelernt hat, im oberen Preissegment richtig Geld zu machen. El-Gaucho-Restaurants gibt es mittlerweile an fünf Standorten (einer davon am Münchner Viktualienmarkt) und sind eine Entwicklung der Grazer Unternehmerfamilie Grossauer. Nur das Rindfleisch kommt in der Hauptsache aus Übersee.

Gediegene Atmosphäre

Im ersten Stock des neuen Großrestaurants warten Ledergestühl und runde Tische, im Erdgeschoß sitzt man auf Barhockern. Auch hier ist die Atmosphäre gediegen, was nicht nur dem mächtigen, verglasten und über beide Stockwerke verbauten Weinkühlraum (mit mehr als beeindruckender Auswahl!) geschuldet ist. Die Speisekarten sind je nach Etage unterschiedlich: Oben werden neben dicken Steaks auch Hummer oder Seezunge im Ganzen serviert, unten sind es Burger und Spieße.

Wie in der ersten Wiener Filiale im ehemaligen Stilwerk am Donaukanal lassen sich die Fleischbrocken auch hier mit diversen Nobelzutaten aufmotzen. Frittierte Softshell-Krabben, gegrillte Riesengarnelen und kurz gebratene Gänseleber (jeweils sechs Euro extra) gab es schon am ersten Standort, am Rochusmarkt sind jetzt noch weitere Varianten dazugekommen. Das "Ancho de Aragosta" etwa ist ein Steak vom Rostbraten ("Ribeye"), das vor dem Grillen in der Mitte einen tiefen Schnitt bekommt, um zwei Garnelen darin zu versenken. Schaut (siehe Bild) beeindruckend aus, geschmacklich aber erschließt sich die Kombination nicht wirklich: In der konventionellen "Surf & Turf"-Variante, bei der Fleisch und Meeresfrüchte separat auf dem Grill landen, können sich die Röstaromen ungleich besser entwickeln.

Schiffreifung

Wirklich beeindruckend ist aber, wie toll heimisches, trocken gereiftes Rind aus der Steiermark, konkret von der Fleischerei Zotter bei Hartberg, im Vergleich zu argentinischem Black Angus abschneidet, das im El Gaucho den Löwenanteil des Angebots ausmacht. Steaks aus Argentinien gelten wegen des Fokus auf explizite Fleischrassen und der Aufzucht auf der Weide, die durch eine – gesundheitlich fragwürdige – Extremmast in sogenannten Feedlots vor der Schlachtung ergänzt wird, gemeinhin als besonders saftig, fein marmoriert und wie gemacht, um auf dem Grill zu landen. Sie reifen auf der Reise um den halben Erdball in den Kühlräumen spezieller Frachtschiffe – vakuumiert.

Das Fleisch vom heimischen Fleckvieh (einer Rasse, die sowohl auf Fleisch- wie Milchproduktion ausgelegt ist) hingegen darf hängend und nicht in Plastik eingeschweißt reifen. Dadurch verliert es überschüssige Feuchtigkeit, der Geschmack wird konzentriert, die enzymatische Reifung, dank der das Fleisch zarter wird, kann auf andere Weise erfolgen als unter Vakuum. Der Preis bleibt dennoch annähernd gleich. Im Direktvergleich wirkt es nicht nur deutlich kraftvoller im Geschmack, auch der Biss ist, wenngleich kerniger, ungleich attraktiver als beim Fleisch aus Argentinien. Das ist dafür besonders zart – für manche das wohl wichtigste Attribut ihres Steaks. (Severin Corti, RONDO, 20.10.2017)

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