Liebt die interdisziplinäre Forschung: die Biologin Iwona Dullinger.

Foto: Marleen Linke

Wer in und mit der Natur aufwächst, ist meist für immer davon geprägt. Vorstellungen vom guten Leben kommen dann auch später nicht ohne die Natur aus. Iwona Dullinger hat ihre ersten vier Jahre in einem kleinen Ort an der polnischen Ostsee verbracht. "Meine Liebe zu diesem Meer war wohl auch der Grundbaustein für mein enges Verhältnis zur Natur", sagt sie. "Die Vielfalt des Lebens hat mich von klein auf fasziniert und mit Ehrfurcht erfüllt." Daran hat auch der Umzug der Familie nach Österreich nichts geändert.

Dass sie nun an ihrer Biologiedissertation am Institut für Soziale Ökologie der Uni Klagenfurt arbeitet, ist also nur konsequent. Ebenso wie die starken Gefühle, die dabei im Spiel sind: "Ich bin darüber empört, wie wir als Art mit allen anderen Arten umgehen!" Auch die extreme Spezialisierung der einzelnen wissenschaftlichen Disziplinen liegt ihr im Magen: "Gerade als Naturwissenschafterin stört es mich, dass viele sehr komplexe Probleme nur von der naturwissenschaftlichen Seite aus betrachtet werden." Und weil sie zudem keine Wissenschaft im Elfenbeinturm betreiben mag, hat sie ihr Thema an der Schnittstelle von Natur- und Sozialwissenschaft, Forschung und Praxis angesiedelt.

Klimawandel und Landnutzung

Im Zentrum stehen dabei die Wechselwirkung zwischen Klimawandel und Landnutzung sowie deren Folgen für die Biodiversität am Beispiel der Region Eisenwurzen im Dreiländereck Niederösterreich, Oberösterreich und Steiermark. Zu diesem Zweck hat sie zunächst Land- und Forstwirte der Gegend zu deren Landnutzungsverhalten befragt.

"Etliche Bauern dieser eher kalten Region sehen sich aufgrund länger werdender Vegetationsperioden und damit steigender Erträge als Gewinner des Klimawandels", fand die Biologin heraus. "Gleichzeitig bringen sie die deutlich häufigeren Extremwetterereignisse aber nicht damit in Verbindung, da sie die Klimaänderung offenbar nur mit Hitze und Trockenheit assoziieren." Generell, so das Fazit aus den bisherigen Gesprächen, fühlen sich die meisten Landwirte trotz spürbarer Veränderungen vom Klimawandel kaum betroffen. "Vielleicht wäre das anders, wenn sie sich als Verlierer wahrnehmen würden", sagt sie.

Dullingers Dissertation ist Teil eines von der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) geförderten Kooperationsprojekts der Unis Wien und Klagenfurt sowie der Höheren Bundeslehr- und Forschungsanstalt Raumberg-Gumpenstein. Zurzeit arbeitet sie mit Kollegen an einem "agentenbasierten Modell", mit dem die Landnutzungsentscheidungen von Akteuren in der Region auf Basis von Daten und Interviews modelliert werden sollen. Darauf aufbauend wollen die Forscher ein "Artenverteilungsmodell" entwickeln. "Damit lässt sich dann ausrechnen, welche Pflanzen bei unterschiedlichen Nutzungsstilen und Klimawandelszenarien noch und in welcher Menge vorkommen werden."

Obwohl die junge Biologin seit Jahren in Wien lebt, hat sich an ihrem gelebten Naheverhältnis zur Natur wenig geändert – ob zu Fuß, per Rad oder im aufblasbaren Kanu. Als ehrenamtliche Sterbebegleiterin erinnert sie zudem daran, dass eine intensive Beschäftigung mit dem Leben immer auch dessen Vergehen umfasst. (Doris Griesser, 22.10.2017)