Und plötzlich taucht neben der Bundesstraße B7 eine schwarze, minimalistische Kiste auf. Keine Fenster, keine baulichen Standarddetails, keine wie auch immer gearteten Scheußlichkeiten, die man in einem Gewerbegebiet üblicherweise erwarten würde. "Der Plan war, das Haus so aussehen zu lassen wie einen hochwertigen CD-Player oder einen professionellen High-End-Verstärker, der in der Wiese steht", sagt der Wiener Architekt Andreas Burghardt. "Daher haben wir die Fassaden rundum mit schwarzem Trapezblech verkleidet und optisch auf das absolute Minimum reduziert."

Foto: Reinhard Öhner

Die Geste ist Programm: Hinter dem Nobelblech verbirgt sich das neue Headquarterbüro und Logistikzentrum des Weinviertler Unternehmens Pro-Ject. Der in Wilfersdorf beheimatete Betrieb ist auf die Fertigung und den Vertrieb von Stereoanlagen-Komponenten im gehobenen Segment spezialisiert.

Der Fokus liegt auf der Produktion von Plattenspielern, die nicht nur das Ohr, sondern auch das Auge erfreuen. Gefertigt wird in Tschechien und in der Slowakei. Entwickelt und vertrieben werden die sleeken Produkte – manche davon hat der Architekt sogar höchstselbst entworfen – direkt vom Weinviertel aus. Mit rund 120.000 verkauften Turntables pro Jahr ist Pro-Ject in diesem Segment Weltmarktführer.

Foto: Reinhard Öhner

Der gestalterische Minimalismusanspruch an Design und Architektur schlägt sich auch in der Haustechnik nieder: Das Gebäude ist an keinerlei Gas- oder Fernwärmenetz angeschlossen, sondern versorgt sich eigenständig mit Kälte und Wärme. "So nackt, asketisch und nachhaltig die Plattenspieler beschaffen sind, so simpel und eigenständig sollte auch der Büro- und Lagerstandort funktionieren", so Burghardt. "Wir wollten auf alles, was unnötig ist, verzichten und haben daher beschlossen, das Projekt mit Solarthermie und einem 1.000 Kubikmeter großen Speicherbecken komplett autark zu gestalten."

Foto: Reinhard Öhner

Das von Ecoprojekt und Ökoplan entwickelte Haustechnikkonzept umfasst eine Solaranlage, die auf dem Dach der Lagerhalle untergebracht ist. Doch die Hauptenergiequelle ist ein 25 Meter langes, 15 Meter breites und 2,70 Meter hohes Wasserbecken mit einem Fassungsvermögen von rund einer Million Liter, das neben dem Gebäude einbetoniert und mit einem einen Meter hohen Erdkoffer zugedeckt wurde. Die im Sommer entstandene Temperatur von 18 Grad Celsius hält das Gebäude den ganzen Winter über warm. Das im Winter gefrorene Eis wiederum wird den Büros und Lagerhallen in den heißen Sommermonaten als kühle Brise zugeführt.

Foto: Pro-Ject

Durch mehr als sieben Zentimeter dicke Acrylglasscheiben kann man von der Haustechnikzentrale direkt ins unterirdische, beleuchtete Becken blicken. Noch hält sich hier unten nur selten ein Mensch auf, doch das soll sich bald ändern. Für kommendes Jahr ist die Errichtung eines Audiomuseums geplant, in dem die Besucher einen Blick in die Geschichte des Plattenspielers sowie hinter die Kulissen des Firmenstandorts bekommen sollen. Die autarke Haustechnikzentrale wird ein Teil dieser Tour sein.

Foto: Reinhard Öhner

Um die Speicherfähigkeit des Gebäudes zu erhöhen, wurde dieses zum Teil massiv errichtet. Hinter dem dramatisch gekanteten Trapezblech verbirgt sich eine Stahlbetonkonstruktion, die mit 25 Zentimeter Steinwolle gedämmt wurde. Hinzu kommen ebenso schwere Innenraummaterialien wie Glas, Stahl und Terrazzoboden. Die Mischung aus weißem Schotter und schwarzem Estrich wirkt in der Fläche dunkel, erweist sich im Detail aber als idealer Tageslichtreflektor.

Foto: Reinhard Öhner

Über eine akustisch wirksame Heiz- und Kühldecke wird die gewonnene Energie den Büro- und Ausstellungsräumen zugeführt. Im Foyer, in den Vorführräumen und im Bereich der Arbeitsplätze sind die Wände zusätzlich mit weiß lackierten, perforierten Akustikkassetten verkleidet. Eine solch elegante Lösung würde man sich im Gewerbeimmobilienbereich öfter wünschen.

Foto: Reinhard Öhner

Die Stromgewinnung erfolgt über eine auf dem Dach montierte PV-Anlage mit 50 kW Peak. Nachdem das gesamte Gebäude mit LED-Beleuchtung ausgestattet ist und darüber hinaus über nur geringe Stromfresser verfügt, erreicht das Haus auf diese Weise nahezu Nullenergiebilanz. Der Strom reicht aus, um auch die Beschallungsanlage auf dem Parkplatz (Klassik und Jazz) zu versorgen. Und schon bald, erklärt Herbert Rutschka, Betriebsleiter im Logistikzentrum Wilfersdorf, wolle man auch die elektrischen Gabelstapler mit dem selbstgewonnenen Strom speisen.

Foto: Pro-Ject

"Der neue Kundenwunsch heißt Auswahl, Vielfalt und Geschwindigkeit", sagt Heinz Lichtenegger, CEO von Pro-Ject. "Daher gab es für uns keine andere Wahl, als die gesamte Logistik früher oder später an einem einzigen Standort zu bündeln. Auf diese Weise können wir prompt liefern."

Foto: Reinhard Öhner

Bis zu 5.000 verschiedene Artikel umfasst das Regallager, das schon jetzt – nur wenige Wochen nach der offiziellen Eröffnung – zu 100 Prozent gefüllt ist. Sollte der Flächenbedarf eines Tages steigen, lässt sich der Bürobereich um eine Etage aufstocken. Auf dem benachbarten Grundstück gibt es zudem ein Vorkaufsrecht, um die Lagerflächen bei Bedarf zu erweitern.

Foto: Reinhard Öhner

Fragt sich nur: Wozu tut sich ein Unternehmer so etwas an? "Mit meiner Standortpolitik, meinem Fokus auf die lokale Wertschöpfungskette und meiner tagtäglich gelebten Kommunikationskultur verstehe ich mich als soziales Unternehmen", so Lichtenegger. "Dazu gehört auch ein nachhaltiger und umweltbewusster Betrieb, der mit den Ressourcen sehr sorgsam umgeht."

Die Energieautarkie war eine Vorgabe des Bauherrn. Nicht zuletzt diene das Gebäude (mit einer Gesamtinvestitionssumme von rund acht Millionen Euro) auch als Visitenkarte des Unternehmens.

Foto: Reinhard Öhner

Das Herzstück des Hauses ist der große Vorführraum, der mit unterschiedlichen Soundsystemen, Kinoleinwand und einem Sektkühlschrank ausgestattet ist. An der Wand werden zu Vorführzwecken 10.000 zum Teil historische Schallplatten gehortet. Die fast unsichtbare Konstruktion ist ein Entwurf des Architekten. "Die Schellacksammlung zeigt die lange und beeindruckende Geschichte des Unternehmens, und der einsehbare Sektkühlschrank ist meines Erachtens überhaupt das wichtigste Möbelstück, wenn man mit hochwertiger Ware handelt", sagt Architekt Burghardt, der auch schon Geschäftslokale für Rado, Omega, Breguet, Heldwein und Georg Jensen entworfen hat. Warum? Darum: "Wer um mehrere tausend Euro einkauft, möchte vor Vertragsabschluss mit einem Glas Champagner umgarnt werden." (Wojciech Czaja, 19.10.2017)

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