Die SPÖ regiert im Burgenland mit der FPÖ – und hat nun so viel verloren wie keine andere sozialdemokratische Landespartei. Ein Votum gegen Rot-Blau? Landeschef Niessl hält entgegen: "Diese Interpretation halte ich für nicht zulässig."

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STANDARD: Soll die SPÖ, nachdem sie Platz eins verloren hat, in Opposition gehen oder doch einen Platz in einer Regierung anstreben?

Niessl: Mir ist es lieber, dass die SPÖ in der Regierung bleibt – wenn die Schwerpunkte des Koalitionsabkommens passen. Parteichef Christian Kern soll alle Vollmachten bekommen, um mit ÖVP und FPÖ hart und konsequent verhandeln zu können. Ob es dann tatsächlich die Regierung wird oder doch die Opposition, hängt von den Ergebnissen ab: Wird die Schere zwischen den Reichen und Ärmeren der Gesellschaft ein Stück geschlossen, oder bleiben die kleinen und mittleren Einkommensbezieher auf der Strecke?

STANDARD: Gilt also noch "Opposition ist Mist", wie Sie vor ein paar Wochen festgestellt haben?

Niessl: Sie dürfen meine damalige Aussage nicht auf diesen einen Satz reduzieren. Ich habe diese Feststellung im Zusammenhang mit der Einschätzung getroffen, dass Christian Kern und die SPÖ Erster werden müssen, um den Anspruch auf den Bundeskanzler stellen zu können. Wenn dies nicht der Fall ist, drohen die sozialdemokratischen Anliegen auf der Strecke zu bleiben. In diesem Fall wäre es Mist, in die Opposition zu gehen.

STANDARD: Ist das Ziel eine rot-blaue Regierung, wie sie unter Ihrer Führung das Burgenland regiert?

Niessl: Es ist verfrüht, sich darauf festzulegen, solange ich keine Ergebnisse der Koalitionsgespräche kenne. Ob Rot-Blau oder Schwarz-Rot: Stimmen die Inhalte, sollte die Sozialdemokratie in die Regierung gehen.

STANDARD: Wiens Bürgermeister Michael Häupl spricht sich aber schon jetzt gegen Rot-Blau aus.

Niessl: Michael Häupls Position ist ja hinreichend bekannt. Doch auch die Wiener Vertreter in den Gremien haben für die Aufnahme von Gesprächen gestimmt. Das finde ich gut, man sollte niemanden ausschließen. Die Wahrscheinlichkeit einer Koalition erscheint mir aber nicht hoch. ÖVP und FPÖ sind in ihren gemeinsamen Positionen bereits sehr weit.

STANDARD: Christian Kern hatte vor der Wahl angekündigt, er werde die SPÖ in die Opposition führen, sollte sie nicht Erste werden. Müsste er für eine Regierungsbeteiligung also ein Versprechen brechen?

Niessl: Ich habe diese Aussage anders verstanden. Was Kern damit sagen wollte: Wenn die SPÖ nicht Erster wird, droht ihr die Opposition und dem Land eine schwarz-blaue Regierung.

STANDARD: Mit Minus vier Prozent hat die SPÖ im Burgenland mehr verloren als in jedem anderen Bundesland. War das nicht ein klares Votum gegen Rot-Blau?

Niessl: Diese Interpretation halte ich nicht für zulässig. Bei den Gemeinderatswahlen vor 14 Tagen im Burgenland hat die Sozialdemokratie 44 Prozent erreicht, die FPÖ nur sieben Prozent. Da zeigt sich: Das Wählerverhalten ist heutzutage sehr mobil.

STANDARD: Vor zwei Wochen ging es um die Lokalpolitik, das ist etwas ganz anderes.

Niessl: Nimmt man die Landtagswahlen her, dann sind wir Burgenländer mit Abstand die beste sozialdemokratische Partei in Österreich. Diesmal ist Wien eben zwei Prozentpunkte vor uns – gratuliere den Wienern! Die haben wirklich viele Stimmen von den Grünen bekommen ...

STANDARD: Vielleicht auch deshalb, weil sich Michael Häupl und Co immer strikt gegen Rot-Blau ausgesprochen haben.

Niessl: Dem halte ich entgegen, dass wir im Burgenland sogar 30 Prozent der grünen Stimmen bekommen haben, während es in Wien 27 Prozent waren. Nur gibt es in der Bundeshauptstadt halt deutlich mehr Grünen-Wähler als im Burgenland, und das hat den Ausschlag gegeben.

STANDARD: Warum hat Ihre Partei denn dann so viel verloren?

Niessl: Vergessen Sie bitte nicht, dass wir im Burgenland immer noch das bundesweit zweitbeste Ergebnis aller sozialdemokratischen Parteien erreicht haben! Den nicht gerade optimalen Wahlkampf haben aber auch wir gespürt. Das liegt sicher nicht an Christian Kern, der hervorragend gekämpft hat – aber dass es Pannen gegeben hat, ist ja allgemein bekannt. In 32 Jahren in der Politik habe ich noch nicht erlebt, dass der Kampagnenleiter drei Wochen vor der Wahl zurückgetreten ist.

STANDARD: Vielleicht war aber auch der auf das Thema Sicherheit fixierte Kurs, den Sie mit Verteidigungsminister Hans Peter Doskozil vorgeben, nicht der richtige.

Niessl: Wenn wir sicherheitspolitisch einen anderen Kurs fahren würden, dann wäre die SPÖ auch im Burgenland dort, wo sie leider bereits in vielen anderen Bundesländern ist: auf Platz drei.

STANDARD: Kern hat letztlich kein besseres Ergebnis eingefahren als der viel geschmähte Werner Faymann. Ist er noch der Richtige an der Spitze der SPÖ?

Niessl: Kern hat in eineinhalb Jahren sehr viel Positives bewirkt. Unsere Unterstützung hat er. (Gerald John, 17.10.2017)