Was vom Team Stronach geblieben ist, das bei der Wahl vor vier Jahren noch knapp 270.000 Stimmen erreicht hat? Oder vom BZÖ, das 165.000 Wähler hatte?

Nichts. Die ÖVP erwies sich als eine Art Staubsauger für versprengte Wählerstimmen: 156.000 ehemalige "Frank"-Wähler sind nach Berechnungen des Wiener Statistikers Erich Neuwirth für Servus-TV am Sonntag zur "neuen Volkspartei" gewandert. Das sind noch mehr als die ORF-Hochrechnung von Sora ausweist, dort beträgt dieser Wählerstrom nur 114.000 Stimmen. Die Weißen, eine aus ehemaligen Stronach-Abgeordneten gebildete Wahlpartei, ist ja mit 7633 Stimmen unter der statistischen Wahrnehmungsgrenze geblieben.

Die BZÖ-Wähler von 2013 dürften zum Großteil bei der FPÖ gelandet sein, Sora nimmt diesen Wählerstrom in einer Stärke von 94.000 an, weitere 44.000 ehemalige Orange-Wähler haben sich heuer für Türkis entschieden.

Warum Wien rot blieb

Auffallend ist, was sich bei der SPÖ getan hat: Die Kern-SPÖ ist in Prozenten unverändert gegenüber dem von Werner Faymann erzielten Ergebnis des Jahres 2013 – in einzelnen Ländern gab es aber beachtliche Verschiebungen und Zugewinne: Um ihren Stimmenanteil bei höherer Wahlbeteiligung halten zu können, musste die SPÖ ja zusätzliche Stimmen gewinnen. Das "Rote Wien" ist ebenfalls mit leichten Zugewinnen rot geblieben.

Der Wahlforscher Christoph Hofinger vom Wiener Sora-Institut, das für den ORF Wahlforschung betrieben hat, erklärte im Standard-Chat die relative Stärke der Wiener SPÖ mit dem Mangel an Konkurrenz auf Augenhöhe: "Die ÖVP ist in Wien organisatorisch schwächer als in den Bundesländern. Die FPÖ kommt in Wien seit Jahren kaum vom Fleck: Die Menschen sind hier gegenüber Migration und Zusammenleben viel entspannter als Menschen in Gegenden mit niedrigerer Diversität, sie wissen, dass sie nicht in der multikulturellen Hölle leben. Die Grünen haben überall viel an die SPÖ verloren, in Wien waren die Grünen zuletzt stark und haben daher der SPÖ besonders viel 'überlassen'."

Der Wählerstrom von den Grünen zur SPÖ ist tatsächlich einer der stärksten dieser Wahl. 190.000 Grün-Wähler von 2013 sind nach Neuwirths Berechnung von Grün nach Rot gewandert (Sora schätzt diesen Strom etwas geringer ein), auffallend stark ist auch der Zugewinn aus dem Bereich der Nichtwähler.

Gleichzeitig hat die SPÖ aber auch Stimmen verloren – 107.000 direkt an die FPÖ, 44.000 an die ÖVP und 25.000 an Peter Pilz. Zudem sind 47.000 SPÖ-Wähler der vorigen Wahl daheim geblieben.

Schmied und Schmiedl

Oft ist im Zuge des Wahlkampfs spekuliert worden, ob sich die ÖVP vielleicht zu stark an die FPÖ angenähert hätte – und ob Wähler, die den härteren freiheitlichen Kurs in der Ausländerpolitik befürworten, "eher zum Schmied als zum Schmiedl gehen" würden.

Mit der Wählerstromanalyse, die Muster von Wählerbewegungen vergleicht, lässt sich zeigen, dass das in einem nicht unerheblichen Maß der Fall war: Nach Neuwirths Berechnungen sind 80.000 ÖVP-Wähler des Jahres 2013 heuer zur FPÖ abgewandert – eine Wanderungsbewegung, die größer ist als jene 2013. Dafür sind umgekehrt auch 42.000 FPÖ-Wähler zur ÖVP gewandert, was einer Verachtfachung des entsprechenden Wählerstroms der vorigen Wahl entspricht.

Die Wählerstromanalyse hilft auch, die Behauptung der Grünen zu überprüfen, der zufolge Peter Pilz seiner ehemaligen Partei die für den Parlamentseinzug notwendigen Stimmen geraubt hätte. Es zeigt sich, dass zwar der größte Wählerstrom mit 75.000 Stimmen von den Grünen zu Pilz führt, dass aber in Summe sehr viel mehr Pilz-Stimmen anderswoher kommen: Er mobilisierte 47.000 bisherige Nichtwähler, holte 30.000 Neos-Wähler (wobei diese selbst ähnlich viele, nämlich 28.000 Nichtwähler gewannen) und 25.000 SPÖ-Wähler, und ein paar versprengte Frank-Wähler landeten ebenfalls bei Pilz. (Conrad Seidl, 17.10.2017)