Noch ist ÖVP-Chef Sebastian Kurz als Wahlsieger von einer Regierungsbildung nach seinen Vorstellungen weit entfernt. Aber schon jetzt zeichnen sich die Grundzüge ab, warum das Formen einer Koalition gar nicht so einfach sein wird: wegen Europa.

Auf den ersten Blick sah es so aus, als sei ein Pakt mit der FPÖ nach dem Bruch mit SPÖ-Chef Christian Kern sicher. In Fragen von Steuern, Deregulierung und restriktiver Migrationspolitik fände man einander rasch. Aber: Das ist nur die innenpolitische Seite von Schwarz-Blau, der ein europapolitischer Aspekt diametral entgegensteht. Kurz steckt in einem Dilemma.

Zwar gibt sich FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache gegenüber der EU plötzlich streichelweich – keine Rede mehr vom absurden "Nordeuro" oder dem "Ende von Schengen". Aber die FPÖ ist nach wie vor Mitglied der radikalen Anti-EU-Fraktion von Marine Le Pen. Das ist für Kurz haarig.

Nicht nur Präsident Alexander Van der Bellen, auch Kommissionschef Jean-Claude Juncker machte klar, dass er eine proeuropäische Regierung wünscht. Das ist dem 31-Jährigen, der ein in Österreich und Europa geachteter Premier werden will, nicht egal. Kurz muss also die FPÖ – wie 2000 – zum proeuropäischen Kotau zwingen, samt Austritt aus der Le-Pen-Fraktion. Oder es am Ende doch mit der SPÖ als Junior probieren. Wenn gar nichts geht, bleibt eine Minderheitsregierung – zumindest bis nach dem EU-Vorsitz 2018. (Thomas Mayer, 16.10.2017)