Bisher ein Meister der Selbstverteidigung: ORF-Chef Alexander Wrabetz.

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Der ORF-Stiftungsrat.

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Neue Verhältnisse in Nationalrat und Regierung bedeuten neue Verhältnisse in Österreichs weitaus größtem Medienunternehmen: Parlament und Kabinett besetzen beinahe den halben ORF-Stiftungsrat. Das wichtigste Gremium im öffentlich-rechtlichen Rundfunk bestimmt über Budgets, Programmschema, Gebührenhöhe und vor allem das Management des ORF.

Schaffen es die Grünen nicht in den Nationalrat und bilden ÖVP und FPÖ eine Regierung, dann könnten Volkspartei und Freiheitliche eine Zweidrittelmehrheit im ORF-Stiftungsrat schaffen. Mit diesem Quorum könnten sie sogar den ORF-General vorzeitig absetzen. Erst 2016 wurde Alexander Wrabetz für eine dritte Amtszeit wiederbestellt, mit den Stimmen von Sozialdemokraten, Grünen, Neos und ORF-Betriebsräten im Stiftungsrat – und gegen das geschlossene Votum von ÖVP und FPÖ für den damaligen Gegenkandidaten Richard Grasl, bis Herbst 2016 Finanzdirektor im ORF und nun Medienberater etwa der Mediaprint.

Neues Gesetz, neuer General

Eine rasche Abwahl des ORF-Chefs durch einen türkis-blauen Stiftungsrat würde international für einiges Aufsehen sorgen. Und Sozialdemokrat Wrabetz hat auch schon Ablöseversuche seiner eigenen Fraktion – durch den damaligen SPÖ-Chef und Bundeskanzler Werner Faymann – überstanden.

Schon in den Monaten vor der Nationalratswahl hielt Wrabetz ORF-Führungsjobs offen, wohl als Manövriermasse für neue poli tische Mehrheiten: Senderchefs für die Hauptkanäle ORF 1 und ORF 2 etwa, den ORF-Personalchef, und in den nächsten Monaten dürfte eine Handvoll gewichtiger Hauptabteilungsleiterjobs pensionsbedingt frei werden; das könnte auch für die Ö1-Führung gelten. Wrabetz hat auch seine Direktorenriege in seinen ersten zehn Jahren als ORF-General immer wieder nach politischen Wünschen umbesetzt – manche gingen freiwillig, andere wie Infodirektor Elmar Oberhauser nur per Abwahlantrag.

Wrabetz ist bis Ende 2021 bestellt. Ein neues ORF-Gesetz, etwa mit neuen ORF-Gremien, verkürzte schon zweimal die Funktionsperioden von ORF-Chefs – zuletzt beförderte die ÖVP-FPÖ-Regierung so 2001 Gerhard Weis vorzeitig aus seinem Job, abgelöst von Monika Lindner.

Was so geplant ist

Ein neues ORF-Gesetz haben sich ÖVP, FPÖ und SPÖ schon vorgenommen. Die FPÖ etwa will den Stiftungsrat verkleinern und dort die Kräfteverhältnisse im Nationalrat abbilden. Die neun Stiftungsräte der – überwiegend ÖVP-regierten – Bundesländer mobilisieren längst dagegen.

"Überhaupt nichts" hält FPÖ-Mediensprecher Herbert Kickl von Ideen, ORF 1 oder Ö3 zu verkaufen. ÖVP-Mediensprecher Gernot Blümel lobte auf die Frage nach Privatisierungsüberlegungen im Wahlkampf die hohen ORF-Reichweiten. Das ÖVP-Wahlprogramm wünscht sich große Reichweite für öffentlich-rechtliche Inhalte. Die Reichweiten könnten aber ORF wie auch private Kanäle liefern, hieß es auf Nachfrage.

Besonders gespannt dürfte man bei der "Wiener Zeitung" die Regierungsbildung verfolgen: Die Tageszeitung gehört der Republik, sie finanziert sich zu wesentlichen Teilen aus verpflichtenden Veröffentlichungen, etwa Ausschreibungen öffentlicher Stellen. Management und Chefredaktion wurden zuletzt unter Kanzler Werner Faymann umbesetzt.

Der Zeitungsverband wünscht sich mehr (Presse-)Förderung, der ORF Gebührenpflicht auch für Online-Streaming. Auf der Medienpolitik-Agenda stehen auch die Besteuerung von Onlineriesen wie Google und Facebook und ein Informationsfreiheitsgesetz. (Harald Fidler, 17.10.2017)