Ich verstehe nicht ganz, warum Menschen freiwillig Gänse verspeisen, wenn sie auch Enten essen können. Allen österreichischen Traditionen zum Trotz ist die Ente meiner Meinung nach der kulinarisch überlegene Vogel: fleischiger, saftiger, mit einem mindestens so guten, wenn nicht gar besseren kräftigen Eigengeschmack – und mit deutlich kleinerer Neigung zum Austrocknen. Bloß bei der Foie Gras und dem ausgelassenen Fett könnte man streiten, ob die Gans nicht doch den Schnabel vorne hat, aber das ist eine andere Geschichte.

Genauso wie die Gans oder das Schwein wird auch die Ente traditionell im Spätherbst geschlachtet, nachdem sie sich einen Sommer lang fett gefressen hat. Und weil sie, im Gegensatz zum Schwein, handlich ist, gibt das auch Stadtbewohnern die Gelegenheit, ein Fleisch-Erntedankfest zu feiern: wir können statt des doch eher platz- und arbeitsintensiven Sautanzes einen Ententanz zelebrieren.

Foto: gebrüder steininger

Gar-Dilemma

Genau das haben die Gebrüder S. und ich vergangene Woche getan. Der Hans Pfaller, Schweineflüsterer (Probieren Sie mal den Saubauch!) und Biobauer in Parndorf, hat vor zwei Wochen den ersten Schwung seiner Bauernenten geschlachtet. Über den Sommer haben sie unter seinen Kriacherl-Bäumen geweidet und sich auf stolze 2,5 bis 3 Kilo hoch gefressen. Ich habe vier Stück ergattert, mit den Gebrüdern S. haben wir sie alle an einem Abend zubereitet – Hals, Magen, Herzen und Lebern inklusive – und die Gelegenheit für einige grundlegende Enten-Experimente genutzt. Innereien und Beilagen folgen demnächst diese Woche gehts an den Korpus.

So wie jeder Geflügelbrater steht auch der Entenkoch vor einem grundlegenden Dilemma: Brust und Keule haben sehr unterschiedliche Garzeiten, und je größer der Vogel, desto ausgeprägter die Diskrepanz. Wer ihn also einfach so am Stück brät, bekommt entweder übergarte Brust oder untergarte Keulen. Das Problem lässt sich zwar lösen, indem man das Tier zerlegt und unterschiedlich zubereitet. Das macht aber mehr Arbeit, und beraubt einem der Freude beim Anblick eines knusprigen, großen Bratens. Alternativen? Der Schmetterlingsschnitt.

Ein Versuch

Das Geflügel wird dafür am Rücken aufgeschnitten, die Wirbelsäule enfernt, und dann flach gedrückt, sodass es ein wenig an einen Schmetterling erinnert. Die Keulen sind dadurch exponierter und garen schneller, die Brust ist nicht so weit oben und besser vor Hitze geschützt. Zudem ist es viel leichter, die Haut fast rundum knusprig zu braten. Der große Kenji Lopez Alt schwört auf die Technik, wenn es ums Hühner braten geht. Jetzt ist aber eine Ente doch ein sehr anderes Biest. Wir waren daher nicht sicher, ob die Technik auch fürs Entenbraten taugt.

Weil wir aber vier Vögel hatten, haben wir beschlossen, es mit einer zu riskieren. Drei Enten haben wir zerlegt, die Beine und Flügel konfiert, die Brüste à la Minute gebraten. Einer haben wir den Schmetterlingschnitt und eine kleine Portion Backpulver verpasst: das Pulver verändert den pH-Wert der Geflügelhaut (es macht sie basischer), was dafür sorgt, dass sie im Rohr besonders knusprig wird. Das Ergebnis: ein köstlicher, erstaunlich saftiger Vogel, mit einer Haut so knusprig, dass sie an papierdünnes Eis erinnert hat.

Sicher: der Schmetterlingsschnitt produziert keine Medium Rare gegarte Entenbrust, sondern eher die Peking-Enten-Variante. In den Kategorien "Verhältnis Aufwand zu Wirkung" und "Präsentation" gewinnt er aber um Längen gegen die klassische Methode.

Die Gebrüder S. haben dabei diesmal den Löwenanteil der Arbeit übernommen: Sie haben nicht nur den Schmetterlingsschnitt (oder Spatchcock, wie der Angelsachse sagt) aufopferungsvoll und toll behandschuht (siehe Fotos) übernommen, sondern sich auch ums Konfieren, Grammeln machen und Fotgrafieren gekümmert – danke dafür! Wer eine genaue Anleitung für den Schmetterlingsschnitt will: hier findet sich ein instruktives Video.

Foto: Gebrüder Steininger
Foto: Gebrüder Steininger
Foto: Gebrüder Steininger
Foto: Gebrüder Steininger

Ganz unabhängig von der Zubereitung gilt: es gibt kein richtig gutes, billiges Geflügel, schon gar keine Ente. Es braucht Platz und Zeit und gutes Futter, und das Schlachten und Rupfen macht sehr viel Arbeit. Unsere Enten waren herausragend (so wie alles von den Pfallers) und haben 33 Euro pro Stück gekostet – ein hervorragender Preis für einen Ententanz, der kaum zu unterbieten ist (und auch nicht unterboten werden sollte). In den kommenden Wochen wird auf dem Hof der Pfallers übrigens noch einmal geschlachtet. Frohen Ententanz!

Zuerst: Entengrammeln!

Ganz egal, wie sie Ihre Ente schlussendlich behandeln, zuallererst sollten Sie auf jeden Fall Entengrammeln machen. Die sind nämlich süchtigmachend gut, weswegen ich, während ich das hier schreibe, welche knuspere. Einziger Nachteil: es dauert etwas und stinkt ziemlich. Wer kann, lagert das daher zum Beispiel in die Küche des kleinen Bruders aus.

Überschüssige Entenhaut und -Fett, etwa aus der Bauchhöhle, in kleine Stücke schneiden, etwa 1x1 Zentimeter. Idealerweise in einer fremden Küche in einem Topf auf niedriger Hitze langsam auslassen und warten, bis es sich verflüssigt hat und die Grammeln darin schwimmen.

Foto: Gebrüder Steininger

Köcheln lassen, bis das Fett sich klärt – alles in allem etwa 90 Minuten. Die Grammeln abseihen und überschüssiges Fett zart abpressen. Das gesamte Fett in Gläser füllen und darin zum Beispiel Erdäpfel braten. Oder Eier. Oder Kohl. Es ist eigentlich egal, was Sie genau tun, es wird alles damit besser werden.

Das Backrohr auf 120 Grad vorheizen. Zwei Backbleche großzügig mit Küchenrolle belegen und diese schließlich mit Backpapier abdecken. Die Grammeln auf dem Backpapier verteilen. (Anmerkung: auf der Küchenrolle selbst würden sie festkleben. Der ältere Bruder S. legt statt Backpapier Toppits Cross & Frit auf die Küchenrolle und schwört darauf – eine Methode, die er in mehreren Versuchen mit Schweinegrammeln für sich entdeckt hat.) Im Backrohr backen/trocknen, bis sie aufgebacken und knusprig sind, etwa zwei Stunden. Aus der fremden Küche abholen, dem Küchenbesitzer guten Wein oder einen adäquaten Grammel-Anteil geben, und genießen. Machen sich hervorragend auf Erdäpfelpüree, Kohlgemüse oder als Snack zwischendurch.

Ente mit Schmetterlingsschnitt

Verpassen Sie der Ente einen Schmetterlingsschnitt, salzen Sie sie auf der Innenseite, und bestreuen Sie die Haut großzügig mit einer Mischung aus Salz und einer Prise Backpulver. Ein halber Teelöffel voll ist mehr als genug. Lassen Sie sie für zwei, drei Stunden bei Zimmertemperatur rasten.

Heizen Sie das Backrohr auf 180 Grad Ober- und Unterhitze vor und basteln Sie aus Alufollie einen Hitzeschild, den Sie der Ente über die Brüste legen. Legen Sie sie mit der Hautseite nach oben auf einen Backrost, schieben Sie sie auf der mittleren Stufe ins Rohr und stellen Sie eine Pfanne darunter, die all das köstliche Fett und die Säfte auffängt.

Braten Sie die Ente für 45 Miuten und entfernen Sie die Alufolie. Schalten Sie auf reine Oberhitze und braten Sie die Ente weiter, bis die Haut überall wunderbar knusprig ist, ungefähr weitere 20 Minuten. Drehen Sie die Hitze ab, öffnen die Ofentür und lassen den Vogel etwa zehn Minuten rasten. Heraus nehmen, im ganzen schönen Stück servieren, und am Tisch zerlegen.

Foto: gebrüder steininger

Ente, konfiert und gebraten

Die Ente(n) zerlegen, die Keulen und Flügel 24 Stunden oder zumindest über Nacht in einer Salz- und Zuckerlake (würzen Sie die, wie Sie wollen. Die Gebrüder S. griffen pro Liter Wasser zu je 15 Gramm Salz und 10 Gramm Zucker) pökeln.

Foto: Gebrüder Steininger

Die Brüste für später zur Seite legen. Die Knochen im Rohr bei 220 Grad rösten und, wenn sie schön Farbe genommen haben, einen Entenfond daraus kochen. Damit Gemüse verfeinern oder später für die Ente eine Sauce machen.

Die Keulen im Eigenfett (vom Grammelauslassen) vakuumieren oder in einer Schüssel mit Eigen- und, leider in dem Fall nötig, Extraentenfett bedecken. Wahlweise sous vide etwa 18 Stunden bei rund 65 Grad schmoren oder im Rohr bei 90 Grad zwölf Stunden mit Fett bedeckt ziehen lassen. Im Fett entweder mehrere Wochen kühl und dunkel lagern oder sofort genießen. Vor dem Servieren vorsichtig im Fett aufwärmen und gegebenenfalls die Haut in einer Pfanne kurz und heiß knusprig braten. (Hier gibt's eine genaue Konfier-Anleitung.)

Die Brust: Auch hier kann man natürlich sous vide auf perfekte Temperatur vorgaren, ich bin aber ein Freund des "nur auf der Hautseite in der Pfanne Bratens": Idealerweise bekommt man dann knusprige Haut auf der einen, köstliche, fast rohe Entenbrust auf der anderen Seite, und dazwischen sämtliche Garstufen von fast well done bis medium rare.

Foto: Gebrüder Steininger

Dafür die Brust auf der Hautseite im Karo einschneiden, auf beiden Seiten ordentlich salzen und gute 45 Minuten rasten lassen. Dann mit der Hautseite nach unten in eine mittelheiße, dicke Pfanne legen. So lange auf der Hautseite langsam braten, bis die Haut wunderbar braun und knusprig ist, ungefähr 15 bis 20 Minuten. Wenden, die Fleischseite ganz kurz im heißen, ausgelaufenen Fett ziehen lassen (zehn Sekunden reichen völlig), aus der Pfanne nehmen und drei, vier Minuten warm rasten lassen.

In hübsche Scheiben schneiden und servieren. Wahlweise passen dazu geschmorte Quitten oder Reis und gute Sojasauce zum Dippen. (Tobias Müller, 15.10.2017)

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