SPD-Plakat aus dem Jahr 1919: Das mit den gleichen Pflichten wär schon so ziemlich erledigt ...

Foto: frauenrechtskonvention.de

Unter dem Durchschnitt. Das ist das Ergebnis, das Österreich beim Gleichstellungsbericht der EU-Kommission 2017 erreicht hat. Das ist im Prinzip keine große Neuigkeit, denn das ist schon seit 2005 so, seit der Fortschritt bei der Gleichstellung für Europas Frauen auf diese Weise gemessen wird. Soll heißen: Österreich macht praktisch null Fortschritte, es tritt auf der Stelle.

Da mochte Frauenministerin Pamela Rendi-Wagner noch so jubeln, dass durch den Quotenbeschluss für Aufsichtsräte die "gläserne Decke einen ordentlichen Riss" bekommen habe – das Um und Auf bleibt die ökonomische Situation der Frauen. Und die ist, im Vergleich der EU-28, alles andere als zufriedenstellend. Es tröstet kaum, dass der Gesamtfortschritt in Europa "im Schneckentempo passiert", wie sich die zuständige EU-Kommissarin Věra Jourová bei der Präsentation ärgerte. Sie sei "enttäuscht", sagte die Tschechin, fast die Hälfte der EU-Länder habe sich in einem oder mehreren Bereichen verschlechtert.

Gehaltsschere klafft

Sieht man die Studie im Detail an, könnte man sogar versucht sein, die österreichische Platzierung für ungerecht zu halten – immerhin hat sich auf einer Skala von 0 bis 100 die Verfügbarkeit von "finanziellen Ressourcen" für österreichische Frauen um zwölf Punkte verbessert.

Freilich, so heißt es im EU-Bericht, seien in diese Ziffer alle Arten von Einkommen verpackt – also auch soziale Zuwendungen, etwa die Mindestsicherung, Ausgleichszulagen zur Pension et cetera. Insgesamt hätten die "ökonomischen Ressourcen" für Frauen seit 2005 kontinuierlich abgenommen. Unter diesem Begriff wird sowohl die Armutsgefährdung sowie die Einkommensverteilung zwischen Männern und Frauen gemessen.

Das heißt übersetzt: Die Gehaltsschere klafft heute noch weiter auseinander als 2005, das Armutsrisiko für Frauen ist seither gestiegen. Das haben die bisherigen Regierungsparteien und die Sozialpartner zu verantworten. Da gelten auch keine Ausreden und kein Mit-dem-Finger-auf-den-anderen-Zeigen. Und es wird nicht besser werden, wenn manche meinen, Steuererleichterungen vor allem durch Einschnitte im Sozialsystem finanzieren zu müssen.

Purer Sexismus

Der aktuell ins Finale schlingernde Wahlkampf gibt schon gar keinen Anlass zur Hoffnung. Es mag, an dringlichen Inhalten gemessen, eine Nebenfront sein. Aber: Eine einzige Spitzenkandidatin bestritt die zahllosen TV-Konfrontationen, Duelle, Runden. Obwohl sich Ulrike Lunacek insgesamt gut behauptete, fiel doch auf: Niemand wurde so oft unterbrochen, niemandem wurde so oft ins Wort gefallen wie ihr – nicht nur von der politischen Konkurrenz, auch von Moderatoren.

Das war freilich eine Petitesse im Vergleich mit der Verfolgung von Eveline Steinberger-Kern durch einen Wirtschaftsbündler im Wahlkampffinish. Der Mann war sogar stolz darauf sie "beschattet" zu haben – immer in dem Bestreben, etwas zu "finden", was beweisen sollte, dass die "Kanzlergattin" doch unmöglich aus eigenem Antrieb und eigener Kraft ein Unternehmen hatte aufbauen können. Allein diese Anmutung ist eine Zumutung – und Sexismus pur. Gefunden hat er bis dato übrigens nichts, aber dafür ein paar andere Frauen in ihrem "Umfeld" mit Dreck beworfen. Der Aufschrei darüber hielt sich in Grenzen.

Mangelndes Bewusstsein

Dass in der letzten Sitzung des Nationalrats vor der Wahl, wo allerlei Erleichterungen, Entlastungen, Verbesserungen beschlossen wurden, die doch beträchtlich ins Budget schneiden, just der Unterhaltszuschlag für Alleinerzieherinnen und Alleinerzieher nicht dabei war, passt übrigens auch gut ins Bild.

Die ÖVP ging nicht mit Liste Pilz, Grünen und SPÖ mit – sie wollte ihren eigenen Antrag durchsetzen, der den Zuschlag an den Bezug der Mindestsicherung koppelt. Das bedeutet vor allem, dass den Zuschuss nur Kinder bekommen, deren Mütter erst einmal alles verkaufen, was sie besitzen – denn nur dann gibt es Mindestsicherung. Die FPÖ, die etwa bei der Gleichstellung von Arbeitern und Angestellten mit der SPÖ und gegen die ÖVP gestimmt hat, zeigte – wenig überraschend – weit weniger Herz, als es um die Anliegen von Frauen ging. Das zeigt auch, wie wenig das Thema Gleichstellung in vielen politischen Köpfen verankert ist.

Diskriminierung im Alter

Was außerdem ins Bild passt: Keinem der jetzt verantwortlichen Politiker und Politikerinnen ist offenbar bis dato aufgefallen, dass die Anhebung des Frauenpensionsalters bereits mit 1. Jänner 2019 beginnen wird – jährlich um sechs Monate. Dies wird einfach automatisch passieren, wenn sich niemand darum kümmert. So wurde es 1993 bei der Verabschiedung des Gleichbehandlungsgesetzes nämlich beschlossen.

Damals haben SPÖ und ÖVP freilich noch mehr ins Gesetz hineingeschrieben: Innerhalb einer Übergangsfrist von 25 Jahren sollten Diskriminierungen von Frauen in der Arbeitswelt restlos beseitigt sein – etwa durch die Schaffung von Kinderbetreuungsplätzen für alle Kinder, keine Anrechnung des Partnereinkommens mehr auf die Notstandshilfe et cetera.

Falsch gedacht

Das und vieles mehr ist bis heute nicht geschehen. Das Frauenpensionsalter wird dennoch automatisch angehoben werden. Das soll den Frauen vordergründig helfen, höhere Pensionen zu erreichen – ist aber bei längerem Nachdenken schon deshalb ungerecht, weil Frauen durch ihren vermehrten Einsatz bei der Kinderbetreuung bis heute weniger Versicherungszeiten ansammeln, überwiegend in Teilzeitjobs arbeiten, dadurch leichter "ersetzbar" sind und auf dem Arbeitsmarkt wiederum früher als Männer als "schwer vermittelbar" gelten.

Die damalige ÖGB-Vizepräsidentin Irmgard Schmidleithner, die das Gleichbehandlungsgesetz vor 24 Jahren mitverhandelt hat, erzählte dem STANDARD jüngst, sowohl die zuständigen Ministerien als auch die Vertreter der Wirtschaft seien davon ausgegangen, dass ein Vierteljahrhundert reichen würde, um die bestehenden Diskriminierungen von Frauen abzubauen. So kann man sich irren. (Petra Stuiber, 13.10.2017)