Aus Sicht von IWF-Ökonom Nikolay Gueorguiev werden die steigenden Ausgaben für Pensionen zum Problem.

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Das Sozialsystem umkrempeln, Schulden abbauen, Steuern senken: Im Wahlkampf war die künftige Wirtschafts- und Finanzpolitik in Österreich häufig Streitthema zwischen den Parteien. Wie ist aber die Sicht auf Österreich von außen, welche Empfehlungen kommen von internationalen Organisationen für die Zukunft? Diese Frage hat DER STANDARD Nikolay Gueorguiev gestellt. Der Ökonom ist beim Internationalen Währungsfonds (IWF) für Österreich zuständig und besucht das Land daher regelmäßig.

Einige der Empfehlungen des IWF-Vertreters decken sich mit den im Wahlkampf diskutierten wirtschaftspolitischen Prioritäten der Parteien – andere ganz und gar nicht.

Eine der ersten Prioritäten Österreichs sollte sein, den Anstieg der öffentlichen Pensions- und Sozialausgaben zu bremsen, sagt Gueorguiev. Die Maßnahmen der rot-schwarzen Regierung, um Frühpensionierungen zurückzudrängen, haben durchaus Wirkung gezeigt, sagt der Ökonom. Doch das reiche nicht aus. Aufgrund der fortschreitenden Alterung der Gesellschaft sei mit tendenziell steigenden Ausgaben für Pflege, Gesundheit und Pensionen zu rechnen.

Üppige Pensions- und Sozialausgaben

Aktuell belaufen sich die Ausgaben in Österreich für diese Posten auf laut dem Ökonomen ohnehin üppige 31,8 Prozent der Wirtschaftsleistung. Bis zum Jahr 2030 sollen es dann schon 33 Prozent werden. In diese Zahl sind Sozialversicherungsbeiträge aus dem Privatsektor ebenso eingerechnet wie Steuerzuschüsse.

Die gute Nachricht aus Sicht des IWF-Vertreters lautet, dass es brauchbare Optionen gibt, um gegenzusteuern. Eine Möglichkeit wäre, die Pensionshöhe oder das Antrittsalter mit der Lebenserwartung zu koppeln. De facto bedeutet das natürlich eine Kürzung für künftige Pensionisten. Der Ökonom plädiert zudem dafür, mit der Angleichung des Antrittsalters bei den Frauenpensionen rascher zu beginnen als derzeit geplant. Nach geltender Rechtslage steigt das Frauenpensionsalter ab dem Jahr 2024 schrittweise um jeweils sechs Monate pro Jahr. Im laufenden Wahlkampf haben die Neos als einzige Partei beide Positionen, also die Anpassung der Pensionen an die Lebenserwartung und die raschere Angleichung zwischen Frauen und Männern, vertreten.

Wenig hält der Ökonom davon, allgemein über die Steuerquote in Österreich zu diskutieren. Die ÖVP hat ja als Ziel ausgegeben, die Abgabenquote von aktuell rund 43 auf 40 Prozent zu senken. Ja, die Quote sei in Österreich hoch, aber für ein wohlhabendes Industrieland sei das nichts Außergewöhnliches, sagt Gueorguiev. Energie sollte darauf verwendet werden, über die richtige Zusammensetzung der Steuern und Abgaben zu reden. Zentrale Forderung des IWF-Fachmanns ist, dass Österreich die Steuer- und Abgabenlast auf Arbeit senkt. Im internationalen Vergleich wird das Einkommen von Niedrigverdienern besonders stark belastet. Dafür ist weniger die Einkommensteuer verantwortlich – ein Drittel der Beschäftigten verdient so wenig, dass sie diese Steuer gar nicht bezahlen müssen. Doch Sozialversicherungsbeiträge für Arbeitnehmer und Arbeitgeber fallen ab 426 Euro im Monat an. Gueorguiev: Österreich sollte die unteren Einkommen entlasten, etwa über unterschiedliche Beitragssätze in der Sozialversicherung nachdenken.

Umweltbezogene Steuern erhöhen

Um die Kosten dafür tragen zu können, schlägt Gueorguiev vor, die umweltbezogenen Steuern anzuheben, etwa auf Sprit. Zudem sollte Österreich die vermögensbezogenen Abgaben anheben: Möglich wäre die Einführung einer Erbschaftssteuer oder aber die geringfügige Besteuerung von Vermögen. Wobei der IWF vorschlägt, nur Immobilien zu erfassen – Kapital könnte flüchten.

Die Verschuldungssituation Österreichs sieht der IWF-Ökonom für die kommenden Jahre entspannt. Die Verschuldung ist zwar als Folge der Krise (Rezession, Bankenkrise) auf über 80 Prozent der Wirtschaftsleistung gestiegen. Doch über die kommenden fünf Jahre erwartet der IWF einen Rückgang der Schuldenquote. Langfristig kommen jedoch Probleme auf Österreich zu, so Gueorguiev, und zwar eben wenn der Kostenanstieg aufgrund von Alterung nicht gebremst wird. Diesfalls würde die Schuldenquote bis 2060 auf etwas über 100 Prozent steigen. Ebenso empfiehlt der IWF, die teils hohen Eintrittshürden in bestimmten Branchen zu senken. In Österreich gelten besonders viele Berufsgruppen als reguliert, das heißt, Zugang haben nicht alle Bürger, sondern nur Menschen mit spezieller Ausbildung und Prüfung durch die Wirtschaftskammer. (András Szigetvari aus Washington, 12.10.2017)