Der Regierung wird kein allzu nahes Verhältnis zu den Themen Börse und Kapitalmarkt nachgesagt.

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Wien – "Darum ist die Wiener Börse, wie sie ist." Mehrfach war diese Aussage zu vernehmen, von verschiedenen Politikern bei einer Podiumsdiskussion der Analystenvereinigung ÖVFA im Haus des Börsenbetreibers. Diese wenig schmeichelhaft gemeinte Aussage fiel mitten in einem Wahlkampf, bei dem die Wiener Börse bestenfalls ein Nebenschauplatz war. Aber wie sehen die Vorschläge der Parteien aus? DER STANDARD hat auf Basis von Wahlprogrammen, der Diskussionsbeiträge und von Nachfragen die wichtigsten Punkte zusammengefasst.

· Steuern: "Ganz ohne Besteuerung auf Gewinne von Wertpapieren wird es nicht gehen", zieht ÖVP-Nationalrätin Gabriele Tamandl eine rote Linie, die zu überschreiten sie jedoch bereit ist: Etwa bei Mitarbeiterbeteiligungen hält sie einen Freibetrag von 3000 Euro auf Ausschüttungen für angebracht. Aus Sicht von FPÖ-Bundesrat Reinhard Pisec war die Anhebung der Besteuerung von Dividenden und Kursgewinnen auf 27,5 Prozent ein "völlig falsches Signal", zumal die Wertpapier-KESt dem Fiskus jährlich bloß 20 Millionen Euro bringe: "Das kostet mich einen Lacher."

Ebenfalls ein Thema ist die steuerliche Schlechterstellung von Eigenkapital gegenüber geliehenen Mitteln. "Die steuerliche Gleichstellung von Eigenkapital herzustellen wäre ein ganz wichtiger und wesentlicher Schritt", betont Neos-Nationalrat Rainer Hable. Ähnlich sehen das Tamandl und Pisec, auch SPÖ-Finanzsprecher Jan Krainer stuft das "als Problem" ein.

Weniger Einigkeit herrscht über den von ÖVP, FPÖ und Neos befürworteten Plan, Unternehmen auf nichtentnommene Gewinne eine Befreiung von der Körperschaftsteuer zu gewähren – was Krainer umgehend als "neues Steuersparmodell" ablehnt. Er und die Grünen wollen generell Arbeit im Vergleich zu Kapitaleinkünften weniger stark besteuern.

"Privatisieren um der Privatisierung willen ist sicher nicht unser Programm", sagt SPÖ-Finanzsprecher Jan Krainer.
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· Privatisierungen: Wenn eine Privatisierung für das Unternehmen oder die öffentliche Hand Sinn macht, ist es für Krainer okay – Beispiele dafür fallen ihm ebenso wie ÖVP-Kollegin Tamandl allerdings nicht ein. Im Gegensatz zu Hable von den Neos, der keinen Sinn darin sieht, wenn Staat oder Länder Bankanteile halten: "Diese Banken sollten tatsächlich alle privatisiert werden." Ja, aber, lautet sinngemäß der Zugang von FPÖ-Bundesrat Pisec unter Verweis auf den inzwischen italienischen Eigentümer der Bank Austria: "Bezüglich Privatisierung sollten jedenfalls die Fehler der Vergangenheit nicht wiederholt werden, weil ein inländisches Unternehmen mehrheitlich in österreichischer Hand bleiben sollte."

"Wir brauchen eine Initiative, dass Aktien nichts Schlechtes sind", fordert ÖVP-Abgeordnete Gabriele Tamandl.
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· Geförderte Vorsorgeprodukte: Auf der Bremse standen tendenziell die Parteienvertreter beim Thema geförderte Anlage- oder Vorsorgeprodukte: Gute Produkte bräuchten keine Förderungen, lautete der Tenor. "Wieso sollte ich als Staat schlechte Produkte fördern?", erlaubt sich Krainer einen Seitenhieb auf die staatlich geförderte Zukunftsvorsorge. "Der Staat muss sich nicht überall mit Förderungen einmischen, schon gar nicht bei Bankprodukten", meint Hans Arsenovic, Landessprecher der Grünen Wirtschaft Wien.

"Die Börse in Johannesburg ist zehnmal größer als jene in Wien", wundert sich FPÖ-Bundesrat Reinhard Pisec.
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· Pensionskassen: Die Einstellung der Parteien zur zweiten Pensionssäule hat der Fachverband der Pensionskassen eingeholt – und sieht sich von der Mehrheit der Parteien unterstützt. Demnach würden die Regierungsparteien sowie FPÖ und Neos Pensionskassen als "etablierte Ergänzung der staatlichen Pension" ansehen. Gegenwind kam von der Spitzenkandidatin der Grünen, Ulrike Lunacek, aus deren Sicht nur die staatliche Pension Menschen im Alter die notwendige Sicherheit gewährt: "Private sogenannte Vorsorgemodelle sind nicht geeignet, existenzielle Sicherheit zu gewähren." Fachverbandsobmann und ÖVP-Abgeordneter Andreas Zakostelsky interpretiert den mehrheitlichen Willen der Parteien jedenfalls wie folgt, nämlich für "eine stabile staatliche Grundsicherung und gut ausgebaute, ergänzende betriebliche und private Angebote".

"Private Vorsorge steht auf meiner Prioritätenliste nicht an erster Stelle", sagt Hans Arsenovic, Landessprecher der Grünen Wirtschaft Wien.
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· KMU-Finanzierung: Für die Finanzierung von kleinen und mittelgroßen Unternehmen bricht Arsenovic eine Lanze für Schwarmfinanzierungen: "Crowdfinancing ist ein wichtiger Faktor für kleine Unternehmen." Das sehen die Neos ähnlich und fordern ein Gesetz für Crowdfunding-Plattformen und standardisierte Finanzierungsinstrumente. Sie befürworten auch Steuererleichterungen für Business-Angels oder Vereinfachungen bei der Bereitstellung von Risikokapital für Start-ups. Auch FPÖ-Mann Pisec beklagt den Mangel an Wagniskapital verglichen mit den USA oder Großbritannien: "Start-ups brauchen auch irgendwann Geld", sagt er und macht sich für einen starken dritten Markt an der Börse zur KMU-Finanzierung ähnlich dem Wachstumssegment Scale der Deutschen Börse stark.

"Es gibt wichtige Wirtschafts- und Finanzbegriffe, die der breiten Öffentlichkeit schlichtweg unbekannt sind", betont Neos-Abgeordneter Rainer Hable.
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· Finanzwissen: Dass mehr Finanzbildung wünschenswert ist, fand einen gemeinsamen Nenner über die Parteigrenzen hinweg. ÖVP-Finanzsprecherin Tamandl setzt den Fokus für mehr Wissen in Geldfragen auf die Jugend und will zudem eine "Initiative, dass Aktien nicht Schlechtes sind", auf Schiene bringen. Mit Blick auf die Universitäten beklagt Pisec zudem, dass das Studium Wirtschaftsgeschichte im Vorjahr eingestellt worden sei.

Obwohl auch er nichts gegen mehr Wissen über Geld einzuwenden hat, ließ SPÖ-Finanzsprecher Krainer mit der Äußerung aufhorchen, dass seiner Erfahrung nach – er absolvierte einen Teil seiner Ausbildung bei Uncle Sam – in den in Finanzsachen fortschrittlichen USA auch nicht mehr Know-how gelehrt werde.

Generell fristet die Wiener Börse für die Politik eher ein Mauerblümchendasein. Die Begriffe Finanz- oder Kapitalmarkt sowie Börse tauchen in den Wahlprogrammen nur selten, mitunter auch gar nicht auf. Auch weiterführende Nachfragen zum Thema bleiben teilweise unbeantwortet. (Alexander Hahn, 12.10.2017)