Wurden Privatanleger vor der Weltfinanzkrise von Banken und Beratern ausreichend über die Risiken ihrer Investments informiert, oder wurden sie irregeführt? Diese Frage beschäftigt die Finanzbranche und die Justiz seit einem Jahrzehnt. Von der Antwort hängt ab, wer am Ende die Verluste von Fehlanlagen tragen muss.

Es kam zu tausenden Anlegerklagen, die vor den Gerichten einzeln verhandelt wurden. Denn jeder Fall hat seine Eigenheiten, und Sammelverfahren sind in Österreich nur eingeschränkt möglich. Die Folge waren überlastete Gerichte, hohe Anwaltskosten und eine komplexe Judikatur, aus der sich nur schwer generelle Schlüsse ziehen lassen.

Nun hat der Oberste Gerichtshof (OGH) das Problem verschärft, indem er bei gleichen Fakten – Familienmitglieder investierten über die Bank Austria in Fonds des US-Betrügers Bernie Madoff – gegenteilige Urteile rechtskräftig werden ließ: einmal für den Anleger, ein andermal für die Bank. Auch hier heißt es: Einzelfallentscheidung. Aber schuld daran sind vor allem eine verkorkste Geschäftsordnung am Höchstgericht, die zulässt, dass ähnliche Fälle bei unterschiedlichen Richtersenaten landen, sowie Richter, die eine Grundsatzjudikatur gern vermeiden.

Doch in einem Rechtsstaat müssen Höchstgerichte nicht nur fair entscheiden, sondern auch für generelle Rechtssicherheit sorgen, und das tut der OGH in vielen Fällen nicht. Bei aller Seriosität der Richter: Das ist ein Justizversagen. (Eric Frey, 10.10.2017)