Bregenz – Ein Grundstücksgeschäft zwischen einem Kommunalpolitiker der Volkspartei und einem nicht mehr geschäftsfähigen alten Mann sorgt in Vorarlberg für Empörung. "Weil halt Wahlkampf ist", vermutet ÖVP-Klubobmann Roland Frühstück.

Die Vorgeschichte: Der Harder Gemeindevertreter Albert Büchele, er sitzt für die Volkspartei in mehreren Gemeindeausschüssen, darunter Grundverkehrskommission und Bauausschuss, hatte seinem betagten Nachbarn dessen Sechstelanteil am angrenzenden Grundstück um 50.000 Euro abgekauft. Wert ist der Anteil etwa das 17-Fache. Das zentral gelegene Areal ist als Bau-Mischgebiet und Erwartungsfläche gewidmet. (siehe Bericht: Zwei Mandatare der Volkspartei und ein fragwürdiges Grundstücksgeschäft)

Der Vertrag wurde vom Sozialsprecher der Volkspartei, dem Landtagsabgeordneten und Anwalt Matthias Kucera, abgefasst. Das Landesgericht Feldkirch erklärte den Vertrag in erster Instanz für unwirksam. Büchele, der auch im Aufsichtsrat der Hypo Bank sitzt, will das Urteil bekämpfen, gab der Landtagsklub in einer Pressekonferenz am Montag bekannt.

Moral der Volkspartei

"Wo bleibt da die Moral?", fragt SPÖ-Landesvorsitzende Gabi Sprickler-Falschlunger. Ähnliche Kritik kommt von FPÖ und Neos, die Grünen sehen Staatsanwalt und Rechtsanwaltskammer gefordert.

Es sei nicht seine Aufgabe, dem Gemeindepolitiker zu sagen, was er tun dürfe oder nicht, sagt Klubobmann Frühstück. Er sei für "seine Abgeordneten" zuständig. Und deshalb habe er die Sachlage betreffend Sozialsprecher Kucera "tief, genau und intensiv geprüft". Frühstücks Ergebnis: "Er hat seine anwaltliche Tätigkeit mit Sorgfalt erfüllt." Nie würde Kucera einen alten und dementen Mann vorsätzlich benachteiligen, verteidigt der Klubobmann seinen Abgeordneten.

Kucera selbst sagt, der Kaufpreis habe ihn überrascht, er habe bei Büchele nachgefragt, der habe ihm gesagt, der Verkäufer wolle nicht mehr, ihm sei nur wichtig, dass die Fläche für die Landwirtschaft erhalten bleibe. Mit dem Verkäufer habe Kucera nie persönlich gesprochen. Er kenne ihn nicht, habe deshalb nicht gewusst, dass er nicht geschäftsfähig sei.

Verantwortung des Notars

Überprüft worden sei die Geschäftsfähigkeit bei der Beglaubigung durch den Notar, der keine Zweifel geäußert habe, sagt Kucera. Der betreffende Notar war für den STANDARD urlaubsbedingt nicht erreichbar. Bei der Beglaubigung werde nur die Richtigkeit der Unterschrift überprüft, heißt es auf Nachfrage bei der Notariatskammer für Tirol und Vorarlberg. Vizepräsident Richard Forster: "Zur Überprüfung der Geschäftsfähigkeit sind wir nur dann verpflichtet, wenn wir selbst den Vertrag erstellen."

Kucera wurde einen Tag nach der Vertragsunterzeichnung vom Sohn des Verkäufers über die Erkrankung des Vaters informiert. Kucera sagt, er habe daraufhin keine Eintragung im Grundbuch durchführen lassen. Der Kaufpreis liege noch auf einem Treuhandkonto. Als Anwalt würde er wieder so handeln, sagt Kucera. Als Politiker nicht. Die Sache habe ja nur Bedeutung erlangt, weil er Politiker sei. (Jutta Berger, 9.10.2017)