Innsbruck – Das Thema Mountainbiken mit Kindern wurde an dieser Stelle bereits behandelt. Wer Stufe eins abgeschlossen hat, sprich den Nachwuchs für die Fortbewegung auf zwei Rädern begeistern konnte, wird bald vor einem Problem stehen. Denn die Faszination Bergradeln erschließt sich Heranwachsenden nur ansatzweise. Jedenfalls endete bei mir jeder Versuch einer halbwegs tauglichen Mountainbike-Runde bisher immer schon nach wenigen (Kilo)metern unter lautem Protest: "Zu steil, zu lang, zu anstrengend."

24 Zoll, Elektromotor und jede Menge Spaß

Nun gut, als erklärter Runterfahrer, der den Uphill eher als leidiges Mittel zum Zweck erachtet, kann ich diese Ablehnung verstehen. Auch das Hinaufziehen mittels Seil war nie eine Option, da ich genug damit zu tun habe, mich selbst den Berg hochzuquälen. Da kam die Gelegenheit wie gerufen, im Sommer mehrere 24-Zoll-E-Mountainbikes zu testen. Die dazupassenden drei kleinen Testpiloten hatte ich praktischerweise schon im Haus.


Die Tretlager-Tester Luigi, Mävchen und El Niño haben die E-Mountainbikes auf Herz und Nieren getestet.
Foto: Steffen Arora

Vorweg ist zu sagen, dass Kinder ohne Skepsis und Vorbehalte auf das Thema E-Mountainbike zugehen. Ihre Neugier war sofort geweckt. Noch am selben Abend, als die Bikes geliefert wurden, drehten El Niño, Luigi und Mävchen Testrunden in der Nachbarschaft. Als Erstes wurde die Geschwindigkeitsabriegelung bemängelt, die bei 20 Stundenkilometern einsetzt. In väterlicher Sorgfalt verwies ich darauf, dass vorm Haus ohnehin ein 30er-Limit gelte. Und dass man die Abriegelung bergab austricksen kann, indem man nicht pedaliert, sondern nur rollt. Zugegeben, das war weniger sorgfältig. Kurz darauf ertönte der erste "Ich fahr' grad über 30"-Ruf, als Luigi mit Verve die Straße heruntergerollt kam.

Fast mühelos pilotierte Mävchen das Haibike Sduro Hardfour durchs Karwendel in Richtung Hinterhornalm. Obwohl der Yamaha-Motor nicht an den von Bosch im KTM (rechts vorne im Bild) herankam, schafften beide Kinder die knapp 850 Höhenmeter mit Leichtigkeit genug, um noch überholte Biker zu begrüßen.
Foto: Christoph Malin

Es war Zeit, die Räder dorthin zu bewegen, wo sie hingehören, auf den Berg. Die erste Testrunde führte auf die Hinterhornalm. Von Haus- zu Hüttentür sind das knapp 850 Höhenmeter. Ohne E-Antrieb eine der knackigeren Feierabendrunden. Die Zwölfjährige fuhr am Haibike Sduro Hardfour mit, der Zehnjährige schnappte sich das KTM Macina Mini Me. Beide Räder kosten im Handel etwas über 2.000 Euro, alles andere als ein Pappenstiel. Bergauf ging es über die Asphaltstraße, bergab teils über sehr einfache Trails. Das Gewicht der Räder ist fast identisch, das Haibike bringt 20 Kilogramm auf die Waage, das KTM 19,5. Das ist zugleich ein großer Abstrich, denn das ist einfach zu schwer für Kinder.

Wechselakkus für Kinder nicht nötig

Weil es die erste Runde in "Erwachsenendimension" war, nahm ich zur Sicherheit noch Ersatzakkus, drei Wasserflaschen sowie viel zu viele Snacks und Süßigkeiten mit. Doch gerade die Sorge wegen mangelnder Reichweite – sowohl der Räder wie auch der Kinder – war unbegründet. Während ich selbst beim Erwachsenen-E-Bike einen Wechselakku in Anspruch nehmen musste, um die Tour zu beenden, waren die Akkus der Kinderbikes kaum halb leer. Das geringere Gewicht der Fahrer machte sich deutlich bemerkbar.

Das KTM Macina Mini Me überzeugte mit dem Bosch-Active-Line-Mittelmotor, der auch bei schwachem Pedaldruck sehr exakt reagierte.
Foto: Christoph Malin

Angetrieben wird das Haibike von einem Yamaha-PW-Mittelmotor (250 W, 80 NM). Dieser erwies sich als für Kinderbeine etwas zu unsensibel, er reagiert bei geringem Pedaldruck nicht ideal. Der Bosch-Active-Line-Mittelmotor im KTM (250 W, 50 NM) sprach deutlich besser an, auch bei geringem Pedaldruck. Insgesamt bewältigten aber beide die Auffahrt mit Bravour, und die Kinder hatten sichtlich Spaß dabei. Bisweilen musste ich sie einbremsen, als sie auf der langen Geraden kurz vor der Hütte sämtliche Radler ohne Motor, die wir überholten, mit einem freudigen "Oje, du hast kein E-Bike, oder?" grüßten.

Bereifung könnte besser sein

Bei der Abfahrt sorgten die Tektro-Bremsen auf beiden Rädern dafür, dass auch kleine Kinderhände problemlos die Kontrolle behielten. Beide Bikes sind mit luftgefederten Suntour-Gabeln ausgestattet, die sich mittels Dämpferpumpe auf das Gewicht der Kinder einstellen lassen. Auf dem Trail sind die E-Bikes anfangs gewöhnungsbedürftig, wegen des höheren Gewichts. Allerdings liegen sie durch den tiefen Schwerpunkt auch satt auf dem Weg, und das gab den Kids schnell die Sicherheit, die Bremsen zu öffnen. Verbesserungswürdig wäre wiederum die Bereifung, die eher auf Straßen und einfache Schotterwege ausgelegt ist. Breitere Patschen mit besserem Profil würden den Trailspaß sicher noch erhöhen.

Die Tektro-Bremsen am Haibike Sduro Hardfour in Kombination mit der Suntour-Luftgabel sorgen auch bei kleinen Shreddern für Spaß am Trail.
Foto: Christoph Malin

Vom Spaß der Geschwister angespornt, meldete sich alsbald El Niño, der nun ebenfalls eine "richtige Bikerunde" ausprobieren wollte. Für ihn hatte ich ein ganz besonderes Rad zur Hand: das Ben-E-Bike Twentyfour E-Power Air, Listenpreis 1.899 Euro. Es sticht unter den Kinder-E-Radeln sehr positiv hervor. Mit gerade einmal zwölf Kilogramm Gesamtgewicht ist es fast halb so leicht wie die anderen Bikes. Denn Ben-E-Bike verbaut nicht einfach die Erwachsenentechnik in einen kleineren Rahmen, wie das bei den anderen Herstellern der Fall ist. Die auf Kinderbikes spezialisierte deutsche Radschmiede versucht wirklich den Anforderungen der kleinen Nutzer in allem gerecht zu werden.

Der Testsieger: Ben-E-Bike

So ist auch die Luftfedergabel vom Hersteller selbst entwickelt worden. Angetrieben wird das Ben-E-Bike von einem 250 Watt starken Bushless-DC-Nabenmotor (30 NM), der fast unmerklich an der Hinterseite der Sattelstütze verbaut wurde. Die 175 Wattstunden liefernde Batterie sieht aus wie eine Trinkflasche und sitzt am Unterrohr. Das Rad unterscheidet sich optisch durch die schlanken Rohre schon sehr wohltuend von der Konkurrenz, im Praxistest überzeugte es dann auf ganzer Linie. Auch wenn die Akkuleistung deutlich unter jener der großen Mittelmotoren lag, schaffte es alle Touren.

Mävchen und El Niño auf dem Weg zum Tribulaunhaus im Gschnitztal. Die Kinder hatten keinerlei Probleme mit der Bedienung der Bikes.
Foto: Steffen Arora

Nach der erfolgreichen ersten Testrunde in der Nachbarschaft ging es diesmal auf die Tribulaunhütte im Gschnitztal. Eine echte Tour durchs Hochgebirge mit zwei Kindern – diesmal zwölf und acht Jahre alt. Klingt irre, war aber letztlich vor allem irre lustig. Mävchen wählte das Bulls Twenty4E, ausgestattet mit dem Bosch-Active-Line-Mittelmotor (250 W, 50 NM), Suntour-Gabel und Tektro-Bremsen. Das Gesamtgewicht des Bikes liegt bei knapp 21 Kilogramm. Ein Detail, das bei den Kids besonders gut ankam, war das integrierte Licht am Lenker des Bulls.

Keine Schiebehilfe bei Kinderbikes

Die Auffahrt zum 2.064 Meter hoch gelegenen Tribulaunhaus gilt als herausfordernde Tour. Vor allem das letzte Stück auf der Schotterstraße zwingt mitunter gut trainierte Biker aus dem Sattel. Die Kinder-E-Mountainbikes schafften selbst diesen Stich mit Leichtigkeit. Zum Glück, denn was bei allen E-Bikes fehlte, ist die Schiebehilfe. Hier scheinen die Hersteller – vor allem der schweren Modelle – nicht mitgedacht zu haben. Denn während die Schiebehilfe bei Erwachsenenbikes Standard ist, fehlte sie bei allen getesteten Kinderrädern.

Bergab machten die Bikes dank guter Bremsen und auf Kinder abgestimmter Hebel eine gute Figur.
Foto: Steffen Arora

Bergab zeigten das Bulls und das Ben-E-Bike über die teils sehr steile Schotterstraße wenige Schwächen. Ein Verbesserungsvorschlag betrifft wieder die Bereifung. Gerade am Ben-E-Bike würden breitere Reifen für mehr Sicherheit sorgen. Dafür erwies sich die Magura-MT4-Bremse als gute Wahl. Der Achtjährige musste zwar ab und an eine Pause einlegen, um die Hände auszuschütteln, aber im Großen und Ganzen kam kaum Kritik am Handling des Fahrrads. Im unteren Drittel der Abfahrt setzte sogar Übermut ein. Der Kleine übte sich im Skidden und landete prompt auf dem Allerwertesten. Das tat dem Spaß aber keinen Abbruch, und es wurde munter weiter um die Kurven gedriftet.

Gewicht am Trail kein Nachteil

Schließlich galt es noch, die E-Bikes auf ihre Trailtauglichkeit zu prüfen. Dazu wählten wir die Familienhausrunde, einen wunderschönen, sehr flowigen Waldweg. Kleine Wurzelteppiche locken die kleinen Federgabeln aus der Reserve und sorgen für lustig-ruppigen Fahrspaß. Diesmal waren alle drei Tester dabei. Und sie alle zeigten sich von der Performance ihrer Räder begeistert. Die Anfahrt zum Trail verlängerten wir kurzerhand und machten einen Abstecher zu den Herrenhäusern im hinteren Halltal. Dank E-Bikes waren auch die 32 Prozent Steigung auf dem Weg dorthin kein Problem. Nur das Ben-E-Bike gelangte ob des Umwegs an die Grenzen seiner Reichweite.

Etwas breitere Reifen würden das ansonsten überzeugende Ben-E-Bike noch verbessern. Aber das schöne und unglaublich leichte Rad ist der eindeutige Testsieger.
Foto: Steffen Arora

Auf dem Trail selbst fiel das Urteil der drei Tester ungeteilt positiv aus. Das Ben-E-Bike besticht, so berichtete El Niño, vor allem durch das geringe Gewicht und die tollen Bremsen. Auch das Ansprechverhalten der Luftgabel war trotz des Leichtgewichts des Achtjährigen überzeugend. Interessant war, dass die beiden anderen das deutlich höhere Gewicht ihrer Bikes auf dem Trail nicht als Nachteil empfanden. Im Gegenteil, sie fühlten sich dadurch in ruppigen Passagen oft sicherer.

Vom E-Bike-Fully zum starren Stahl-Mountainbike

Wir haben die Testphase außerordentlich genossen, weil E-Mountainbikes für Kinder eine ganz neue Welt eröffnen. Mit dem Nachwuchs eine Tour im Hochgebirge zu unternehmen hat seinen ganz eigenen Reiz. Das Naturerlebnis beeindruckt Kinder wie Erwachsene. Was mich am meisten überrascht hat, ist, dass E-Bikes keineswegs den Effekt haben, dass Kinder dadurch fauler oder lustloser hinsichtlich analogen Radelns werden. Seit diesem Test hat meine Älteste den Ehrgeiz für sich entdeckt, Berge ohne Motor zu bezwingen. Zu diesem Zweck wurde nun ein wunderschönes Trek 970 in Größe S um 52 Euro auf dem Flohmarkt gekauft. Und sie ist davon nicht minder begeistert.

Luigi rockte auf dem Haibike die Trails hinterm Haus. Das für Kinder grundsätzlich zu hohe Gewicht des Radels sorgt immerhin für gute Fahreigenschaften.
Foto: Steffen Arora

Daher lautet mein Fazit nach einem elektrisierenden Sommer: E-Mountainbikes für Kinder sind ein Segen. Wenn man es sich leisten kann. Sie eröffnen den Kleinen jene Welt, die unsereins so begeistert. Ich würde sie provokant als Einstiegsdroge bezeichnen, weil sie schon den Kleinsten den Flow bringen. Und wer den einmal für sich entdeckt hat, wird ihn immer wieder suchen. (Steffen Arora, 10.10.2017)