Die stolzen Preisträger.

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Oslo – Der diesjährige Friedensnobelpreis geht an die Internationale Kampagne zur Abschaffung von Atomwaffen (ICAN) und soll als Warnung vor der wachsenden Gefahr eines Atomkriegs dienen. "Wir leben in einer Welt, in der das Risiko eines Atomwaffeneinsatzes größer ist als seit langer Zeit", erklärte die Vorsitzende des norwegischen Nobelpreiskomitees, Berit Reiss-Andersen, am Freitag in Oslo.

Zuletzt hatte ein Atomtest Nordkoreas, auf den US-Präsident Donald Trump mit hitzigen Drohungen reagierte, die Furcht vor einer atomaren Auseinandersetzung geschürt. Auch die Zukunft des international gefeierten Atomabkommens mit dem Iran scheint unsicher, weil Trump die Vereinbarung in Zweifel zieht.

Die Organisation werde für ihren seit einem Jahrzehnt andauernden Kampf für eine atomwaffenfreie Welt gewürdigt. Das Bündnis von rund 450 Mitgliedsorganisationen hat maßgeblich am UN-Verbotsvertrag von Nuklearwaffen mitgewirkt, der im Juli in New York unterzeichnet wurde und von 122 Staaten unterstützt wird.

Nato-Staaten boykottieren Vertrag

Er verbietet Herstellung, Besitz, Einsatz und Lagerung von Atomwaffen. Initiiert wurden die Verhandlungen darüber 2014 von einer kleinen Staatengruppe, zu der unter anderen Österreich und Irland zählten. Allerdings hatten die vermutlich neun Atommächte sowie fast alle Nato-Staaten – darunter Deutschland – die Verhandlungen über den Vertrag boykottiert.

Der diesjährige Friedensnobelpreis sei auch ein Aufruf an alle Atommächte, "ernsthafte Verhandlungen" mit dem Ziel einer schrittweisen und "sorgfältig überprüften Vernichtung" der fast 15.000 Atomwaffen in der Welt zu beginnen, so das Nobelpreiskomitee. Der Nobelpreis sei nicht als Kritik an einem konkreten Land zu verstehen, so die Juryvorsitzende. "Wir treten mit diesem Preis niemandem vors Schienbein."

Die Zib13 analysiert die Vergabe des Friedensnobelpreises 2017.
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Ican-Geschäftsführerin überwältigt

Die Geschäftsführerin von Ican zeigte sich überwältigt. "Wir bekamen den Anruf nur ein paar Minuten vor der offiziellen Verkündung", sagte Beatrice Fihn am Freitag. "Wir waren schockiert, dann haben wir gekichert und einen Moment gedacht, der Anruf war vielleicht ein Scherz." Sie seien zutiefst dankbar.

Auf die Frage, was ihre Botschaft an US-Präsident Donald Trump und den nordkoreanischen Machthaber Kim Jong-un sei, erklärte Fihn gegenüber Reuters: "Atomwaffen sind illegal. Atomwaffen zu besitzen oder zu entwickeln ist illegal, sie müssen damit aufhören."

Zu den Unterstützern der Kampagne gehören der ehemalige UN-Generalsekretär Ban Ki-moon, die Friedensnobelpreisträger Desmond Tutu und Jody Williams und das geistliche Oberhaupt der tibetischen Buddhisten, Tenzin Gyatso (Dalai Lama).

Deutschland beharrt auf nuklearer Teilhabe

Die deutsche Regierung gratuliert der ICAN zum Friedensnobelpreis , hält aber dennoch an der atomaren Abschreckung fest. "Die Bundesregierung unterstützt das Ziel einer Welt ohne Atomwaffen", sagte die stellvertretende Regierungssprecherin Ulrike Demmer am Freitag in Berlin. "Wir müssen allerdings anerkennen (...), dass von einigen Staaten nukleare Waffen nach wie vor als ein Mittel militärischer Auseinandersetzung betrachtet werden." Solange dies der Fall sei und Deutschland und Europa hiervon bedroht seien, bestehe die Notwendigkeit einer atomaren Abschreckung durch die Nato fort.

Demmer antwortete damit auf die Frage, warum Deutschland zwar das Ziel einer atomwaffenfreien Welt unterstütze, aber eine Teilnahme an den UN-Verhandlungen über ein verbindliches Verbot von Atomwaffen im Sommer verweigerte. Zu den US-Atomwaffen, die auf einem Stützpunkt in Büchel lagern, wollte sich die Sprecherin nicht äußern. Das Thema unterliegt der Geheimhaltung.

Die amerikanischen Waffen dienen der sogenannten nuklearen Teilhabe Deutschlands innerhalb der Nato. Im Kriegsfall würden sie von deutschen Tornado-Kampfjets ins Ziel getragen. Deutschland selbst besitzt keine Atomwaffen.

318 Anwärter

Experten hatten im Vorfeld einen Preis im Kontext des Kampfes gegen Atomwaffen vorhergesagt. Die Jury hatte sich in diesem Jahr unter 318 Anwärtern entscheiden müssen – 215 Personen und 103 Organisationen waren für den Preis vorgeschlagen. Nur wenige Nominierungen waren im Vorhinein bekannt.

Im vergangenen Jahr hatten die fünf Mitglieder des Nobelkomitees Kolumbiens Präsidenten Juan Manuel Santos ausgezeichnet, der den Preis für "seine entschlossenen Anstrengungen, den mehr als 50 Jahre andauernden Bürgerkrieg in dem Land zu beenden", zugesprochen bekam. Wenige Wochen zuvor hatten Santos und der Chef der linken Farc-Guerilla, Rodrigo Londono alias "Timochenko", Geschichte geschrieben, als sie nach Jahrzehnten des Konflikts mit mehr als 220.000 Toten und Millionen Vertriebenen einen Friedensvertrag unterzeichneten.

Fast eine Million Preisgeld

Der mit neun Millionen schwedischen Kronen (rund 940.000 Euro) dotierte Friedensnobelpreis wird am 10. Dezember als einzige der renommierten Auszeichnungen nicht in Stockholm, sondern in Norwegens Hauptstadt Oslo vergeben.

Die Auszeichnung wird seit 1901 verliehen und wurde vom Erfinder des Dynamits, dem schwedischen Industriellen Alfred Nobel, gestiftet. (red, Reuters, 6.10.2017)