Julian Baumgartlinger bleibt dem österreichischen Fußball im Gegensatz zu Marcel Koller erhalten.

Foto: APA/HERBERT NEUBAUER

Koller: "Riskierst du nichts, kommst du nicht weiter. Wir müssen als Einheit auftreten."

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Wien – Sollte der österreichische Fußballbund Berater haben, sie könnten aus dem Umfeld der SPÖ stammen. Viel wahrscheinlicher ist freilich, dass der ÖFB einfach nur ein Häufchen reifer Herren ist, die ungefragt reden und möglicherweise danach sogar denken. Sie spielen ihre Spielchen, sind uneins, eitel und machtgeil, bauen Seilschaften auf, die längst zusammengefallen sind, führen Stellvertreterkriege, drehen sich wie Fähnchen im Wind. Präsident Leo Windtner wirkt verzweifelt und überfordert, er klebt aber weiter auf seinem Sessel, was bei den möglichen Alternativen gar kein so großes Unglück sein muss. "Man hat schon den Eindruck, dass wir momentan nur der Nebenschauplatz sind", sagte Teamkapitän Julian Baumgartlinger am Donnerstag und erinnerte daran, dass die Hauptbühne am Freitag das Happel-Stadion ist.

Österreich empfängt im vorletzten Match der WM-Quali den ungeschlagenen Tabellenführer Serbien, der im Fall eines Sieges fixer Bestandteil der Endrunde in Russland wäre. Da rund 30.000 Serben erwartet werden, dürfte in diesem Fall aus Wien Belgrad werden. Baumgartlinger ist sich der Tatsache bewusst, dass es ein Auswärtsspiel daheim ist. "Egal, Hauptsache Stimmung. Wir wollen unbedingt gewinnen und uns die Gunst der Fans zurückholen." Gemeint ist natürlich die Minderheit der österreichischen.

Risiko erwünscht

Noch-Teamchef Marcel Koller lacht sich wohl heimlich ins Fäustchen. Er lauscht den Lobgesängen seiner (Ex-)Spieler, die den ÖFB einer "beschämenden Stillosigkeit" bezichtigen und Kollers Abgang bedauern. Der Schweizer hat die Mannschaft "normal" vorbereitet. Er bejammert nicht das Fehlen von David Alaba, Martin Harnik, Marcel Sabitzer und Martin Hinteregger. "Reden wir über die, die da sind." Natürlich sei das Gefüge durcheinandergeraten. "Aber wer hätte garantiert, dass die Vier keine Fehler machen? Riskierst du nichts, kommst du nicht weiter. Wir müssen als Einheit auftreten."

Am Nebenschauplatz werden sich rund 45.000 Menschen einfinden. Für den ÖFB ist die Hauptbühne ein Hotel in Wien, dort wird Samstagvormittag die Präsidiumssitzung gespielt. 13 Herren, die neun Landespräsidenten, Windtner und drei Vertreter der Bundesliga, stellen die Weichen für die Zukunft. Um einen neuen Teamchef geht es noch nicht, entschieden wird lediglich, wer ihn sucht und welche Anforderungen er erfüllen muss. Sportdirektor Willi Ruttensteiner dürfte abgelöst werden, als Nachfolger wird Peter Schöttel, derzeit Trainer der U19, kolportiert. Ruttensteiner wird dem Präsidium die verpatzte WM-Quali referieren. Austrias Wirtschaftsvorstand Markus Kraetschmer ist eine Stimme der Liga. Er sagte dem Standard: "Es soll eine sachliche, keine emotionale Diskussion sein. Es geht darum, dass unser Fußball wieder in die Erfolgsspur kommt."

Bauernopfer

Für ihn, Kraetschmer, sei Schöttel noch nicht fix. "Es gibt mehrere Kandidaten, ich höre mir alles genau an." Gerüchteweise können sich einige Landesfürsten sogar U21-Teamchef Werner Gregoritsch als Kollers Erben vorstellen, das kann aber echt nur ein Gerücht sein. Ruttensteiner wäre eine Art Bauernopfer, er gilt als Vertrauter seines oberösterreichischen Landsmanns Windtner. Kraetschmer: "Bitte keine Dolchstoßlegenden." Angedacht ist die Installierung eines Teammanagers, quasi ein Oliver Bierhoff für Arme. Nebendarsteller Baumgartlinger lobte Ruttensteiner ("Er hat viel für den Unterbau getan."), befürchtet, "dass eine Stunde null bevorsteht. Die ist nicht notwendig. Auch wenn wir gescheitert sind, wir sind auf einer höheren Ebene als früher gescheitert. Verband und Mannschaft müssen gemeinsame Lösungen finden."

Über die Serben sagte der Kapitän: "Stark, abgebrüht, sie brauchen nur wenige Chancen." Und er erinnerte an bessere Zeiten: "Als wir in Schweden antraten, wussten wir, dass wir etwas Großes leisten können. Das schwirrte schon im Kopf." Österreich leistete sich ein 4:1, die EM war erreicht. Die Bilanz gegen Serbien lautet 0:3. Ob der ÖFB blamiert wäre, sollte gegen Serbien und am Montag in Moldau gewonnen werden? Baumgartlinger: "Nein, wir wollen unseren Arbeitgeber nicht blamieren." Marcel Koller würde sich aber ins Fäustchen lachen. (Christian Hackl, 5.10.2017)

Fußball-WM-Qualifikation/Gruppe D/9. Runde

Technische Daten und mögliche Aufstellungen:

Österreich – Serbien (Wien, Ernst-Happel-Stadion, Freitag, 20.45 Uhr/live ORF eins, SR Pavel Kralovec/CZE).

Österreich: Lindner (Grasshopper Zürich/13) – Lainer (Red Bull Salzburg/3/0 Tore), Dragovic (Leicester City/59/1), Danso (FC Augsburg/2), Wöber (Ajax Amsterdam/0) – Baumgartlinger (Bayer Leverkusen/56/1), Ilsanker (RB Leipzig/25/0) – Schaub (Rapid Wien/3/1), Grillitsch (1899 Hoffenheim/3/0), Arnautovic (West Ham United/64/15) – Burgstaller (Schalke/11/0)

Ersatz: Bachmann (Watford/0 Länderspiele), Pervan (LASK/0) – Bauer (Rubin Kasan/1), Lazaro (Hertha BSC/8/0), Klein (Austria Wien/45/0), Lienhart (SC Freiburg/0), Kainz (Werder Bremen/3/0), Knasmüllner (Admira/0), Schobesberger (Rapid/0), Wolf (Red Bull Salzburg/0), Gregoritsch (FC Augsburg/4/0), Janko (Sparta Prag/65/28)

Es fehlen: Alaba (Nachwehen von Sprunggelenksverletzung), Sabitzer (Zahn-OP), Hinteregger (Reizung im Sprunggelenk), Harnik (Fersensporn), Junuzovic (trotz Comeback nach langer Verletzungspause nicht einberufen), Lukse (Schulterverletzung), Almer (Knieverletzung), Schöpf (Aufbautraining), Prödl, Stangl (beide Muskelverletzung)

Serbien: Stojkovic (Partizan Belgrad) – Nastasic (Schalke), Ivanovic (Zenit St. Petersburg), S. Mitrovic (Gent) – Rukavina (Villarreal), Matic (Manchester United), Milivojevic (Crystal Palace), Kolarov (AS Roma) – Kostic (Hamburger SV), A. Mitrovic (Newcastle), Tadic (Southampton)

Ersatz: Rajkovic (Maccabi Tel Aviv), Jovanovic (Aarhus) – Veljkovic (Werder Bremen), Milunovic (BATE Borisow), Obradovic (Anderlecht), Tosic (Besiktas), Gudelj (Tianjin Teda), Ne. Maksimovic (Valencia), Ljajic (Torino), Pavlovic (FC Kopenhagen), Gacinovic (Eintracht Frankfurt), Prijovic (PAOK Saloniki)

Es fehlen: Ni. Maksimovic (gesperrt), Spajic, Vukovic (beide verletzt)