Die Korallen in der Kimberley-Region im Nordwesten Australiens sind extremen Gezeiten ausgesetzt und stehen zeitweise auch im Trockenen.

Foto: Verena Schoepf

Verena Schoepf ist Biologin und forscht an der University of Western Australia. Sie spezialisierte sich auf Meeresbiologie, Geochemie und Physiologie. In der Kimberley Region untersucht sie die Hitzeresistenz von Korallen und wie sich klimatische Veränderungen in den kommenden Jahrzehnten auf die Tiere auswirken werden.

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Perth/Wien – Seit 600.000 Jahren existiert das Great Barrier Reef im Osten Australiens. Doch das Unesco-Weltnaturerbe ist akut bedroht. Seit 1985 soll laut mehreren Studien die Hälfte der Korallen abgestorben sein. Besonders die vergangenen zwei Jahre haben den Korallen zugesetzt. Es kam zweimal hintereinander zur Korallenbleiche, 93 Prozent des Riffs waren betroffen. Eine Hoffnung liegt nun auf hitzeresistenteren Arten. Die 34-jährige österreichische Meeresbiologin Verena Schoepf erforscht sie im Westen Australiens. Doch die ökologische Krise lässt sich nicht durch eine simple Umsiedelung von Korallen lösen, betont sie.

In der Kimberley-Region im Nordwesten, wo Schoepf forscht, gibt es mit bis zu zwölf Metern die größten Gezeiten der Tropen. Die Korallen halten bis zu zwei Stunden ohne Wasser aus und sind dabei extremen Temperaturschwankungen ausgesetzt. Daher werden sie von den Wissenschaftern Superkorallen genannt. "Es ist spannend zu untersuchen, was man von den Superkorallen lernen kann – auch mit Blick auf den Klimawandel und die Korallenbleiche", sagt Schoepf im Gespräch mit dem STANDARD.

Klimawandel simulieren

Korallen, sie gehören zu den Nesseltieren, leben in Symbiose mit einzelligen Algen. Diese sogenannten Zooxanthellen sorgen für die bunte Färbung. Bei steigender Temperatur werden sie giftig, die Korallen stoßen sie ab und verlieren ihre Farbe. Auf dem Great Barrier Reef sind bereits kilometerlange, ausgebleichte Korallenstöcke zu sehen. Da sie ihren Hauptteil an Energie von Algen bekommen, verhungern sie.

Prinzipiell bedeutet eine Bleiche nicht, dass die Koralle sterben muss. Das hängt davon ab, wie warm das Wasser ist und wie lange der Zustand anhält. So wie nicht jede Koralle gleich funktioniert, so gibt es auch hitzebeständigere Algen. Und Korallen verlassen sich zwar in erster Linie auf die Produkte der Fotosynthese ihrer Algen, erklärt Schoepf. Aber die Tiere können auch Plankton fressen, berichtet sie: "Es gibt Korallen, die schon gebleicht sind und mehr Plankton fressen. Sie können damit eine Zeitlang ihre Energiereserven behalten und eine Bleiche länger aushalten."

Geforscht wird nicht nur im Feld. Um die Folgen des Klimawandels besser zu verstehen, werden Temperatur, pH-Wert und andere Stressfaktoren in Wassertanks nachgestellt. Ziel ist es zu simulieren, womit die Korallen am Ende dieses Jahrhunderts konfrontiert sein werden, so Schoepf, "wenn die Temperaturen höher und die Meere saurer werden".

Forschung vor Umsiedlung

Eine Umsiedelung der Superkorallen in den Osten ist noch nicht geplant. Die Korallen in der Kimberley-Region sind zwar im Prinzip die gleichen Arten wie im Osten. "Als Ökologe oder Biologe ist man aber immer vorsichtig, wenn man neue Arten in Ökosysteme einführt", sagt Schoepf.

Zentral ist auch herauszufinden, ob eine Umsiedlung überhaupt eine Möglichkeit wäre. Denn das Great Barrier Reef ist kühler. Es ist noch nicht erforscht, ob die Superkorallen nur hitzeresistenter sind, solange sie den Bedingungen der Kimberley-Region ausgesetzt sind. "Die Frage ist, ob das genetisch bedingt ist oder sich nur in Anpassung an die Umwelt entwickelt", fasst die Biologin zusammen. Doch selbst wenn eine Hitzeresistenz genetisch veranlagt wäre, ist offen, ob die Superkorallen dauerhaft mit kühleren Temperaturen umgehen können.

Kohleabbau und Verschmutzung der Flüsse

Der Klimawandel ist nicht der einzige Stressfaktor für das Ökosystem, sagt Schoepf: "An der Ostküste gibt es viele Flüsse, die Sedimente und Düngemittel aus der Landwirtschaft in das Riff spülen. Die Wasserqualität in den Gebieten Nahe der Küste ist nicht gut." Die UN drohte damit, das Riff auf die Liste des gefährdeten Welterbes zu setzen, da sich die Regierung nicht genug um dessen Schutz bemühe. Ein australischer Aktionsplan soll das Ökosystem nun bis 2050 besser schützen, dazu sollen 1,4 Milliarden Euro investiert werden.

Eine hohle Geste, solange weiter intensiv Kohle abgebaut wird: Zum einen kommt es direkt bei der Gewinnung zu Verschmutzungen, zum anderen sind Kohlekraftwerke für einen Großteil des klimaschädlichen CO2 verantwortlich. "Die australische Regierung scheint der Ansicht zu sein, dass man sowohl diese Kohleressourcen nutzen als auch ein gesundes Great Barrier Reef haben kann. Das ist aber nicht das, was die Wissenschaft sagt", so Schoepf. Auch die Korallen der Kimberley-Region werden keine dauerhafte Lösung bieten, betont sie: "Egal wo wir suchen, wir werden keine Koralle finden, die komplett immun gegen den Klimawandel ist. Daher haben Korallenriffe nur eine Zukunft, wenn wir den Klimawandel bekämpfen." (Julia Schilly, 5.10.2017)