Der König der römischen Wendehälse ist Senator Luigi Campagna: Der 68-jährige Neapolitaner hat das bemerkenswerte Kunststück fertiggebracht, in der im kommenden Februar zu Ende gehenden Legislatur die Fraktion bereits neun Mal gewechselt zu haben. Auf Platz zwei geschafft hat es der 56-jährige Senator Andrea Augello mit sechs Fraktionswechseln. Wobei zur Entlastung des Spitzenduos erwähnt werden muss, dass einige der Wechsel auch in einer Rückkehr zu einer Fraktion bestanden, die sie einige Monate zuvor verlassen hatten.

Campagna und Augello sind Extrembeispiele für ein italienisches Phänomen, das europaweit seinesgleichen sucht: In der laufenden Legislatur haben bereits 337 der 320 Senatoren und 630 Abgeordneten die Partei gewechselt und ihr politisches Fähnlein nach einem neuen Wind ausgerichtet. Wegen der verbreiteten Mehrfachwechsel kommt man auf insgesamt 526 "cambi di casacca" ("Wechsel des Mäntelchens", wie die Italiener dazu sagen). In der letzten Legislaturperiode waren es noch halb so viele gewesen.

PD verlor 22 Abgeordnete

Für die Wähler bedeutet die Inflation der Parteiwechsel: Mehr als ein Drittel der Parlamentarier, denen sie bei den Parlamentswahlen ihre Stimme gegeben haben, politisieren nun für eine andere Partei. Wobei sich viele der Wechsel durch Parteispaltungen ergaben. So hat allein der Partito Democratico von Ex-Premier Matteo Renzi im vergangenen Frühling 22 Abgeordnete verloren, als sich der linke Parteiflügel abspaltete.

Manchmal sind die Parteiwechsel auch nicht freiwillig: Ein Teil der insgesamt 21 Parlamentarier von Beppe Grillos Protestbewegung, die ihre eigenen Wege gegangen sind, waren vom Ex-Komiker geschasst worden.

Gekaufte Wechsel

Zu Zeiten Premier Silvio Berlusconis waren Parlamentarier mitunter gekauft worden: Um die Regierung von Romano Prodi zu stürzen, hatte er als Oppositionsführer 2007 einen Senator der Mitte-links-Koalition mit drei Millionen Euro bestochen, damit dieser den Seitenwechsel vollzieht.

Ein weiteres "Parlamentarier-Shopping" startete Silvio Berlusconi in der darauffolgenden Legislaturperiode auch als Regierungschef, als es darum ging, seinen postfaschistischen Koalitionspartner Gianfranco Fini zu ersetzen, der wegen der Sexskandale des Premiers aus der Regierung ausgetreten war. (Dominik Straub aus Rom, 28.9.2017)