Krems – Arbeitslos, die Wohnung verloren und kein leistbarer Ersatz in Sicht: Für Maria S. (Name der Redaktion bekannt) kam es heuer dick. Die 59-Jährige war deshalb heilfroh, dass sie im Juni im Lilith-Wohnzimmer in Krems, einem Refugium für von Obdachlosigkeit bedrohte Frauen, unterkam.

Doch das neue Dach über dem Kopf kam teuer. Statt wie bisher 844,46 Euro Mindestsicherung im Monat bekam S. ab sofort nur mehr 226,81 Euro. Grund ist der von ÖVP und FPÖ in Niederösterreich eingeführte "Deckel", der die Maximalleistung nicht nur für Familien, sondern auch für Wohngemeinschaften mit 1.500 Euro im Monat begrenzt: Je mehr Menschen zusammenwohnen, desto weniger bleibt für den Einzelnen.

Frauen schwerer machen

Not-WGs wie Lilith nimmt das Gesetz nicht aus, was Leiterin Margarete Purkarth für absurd hält: Erst fördere das Land Niederösterreich das Projekt – und mache es den Frauen in Not dann umso schwerer, wieder auf eigene Beine zu kommen.

Als DER STANDARD und andere Medien erstmals über die Problematik berichteten, schien die Politik zu reagieren. Er habe bei der regierenden ÖVP die Zusage erreicht, dass Notwohnungen ausgenommen würden, verkündete der für die Vollziehung der Mindestsicherung zuständige damalige sozialdemokratische Landesrat Maurice Androsch Anfang März.

Doch Folgen hatte das offenbar keine. Unter Hinweis auf den Deckel gewährte das Sozialamt Maria S. per Bescheid vom 11. Juli lediglich jene knapp 227 Euro – eine Summe, mit der man auch ohne Wohnkosten unmöglich über die Runden komme, meint Purkarth. Die Bewohnerinnen lebten in der WG ja nicht wie eine Familie, wo es eine Sorgepflicht gibt: "Sie sind einander fremd, versorgen sich selbst, haben versperrbare Kühlschrankboxen." Hätte das Projekt nicht ausgeholfen und beim Sozialamt Einkaufsgutscheine beantragt, sagt Purkarth, "wäre die Frau verhungert".

Versprochene Lösung nicht umgesetzt

Die resolute Lilith-Chefin hat unlängst in der Landesbehörde nachgefragt, was denn mit der Zusage vom Frühjahr sei. Dort hieß es informell, dass S. eine Zuzahlung von 400 Euro erwarten dürfe. Wann, blieb freilich offen.

"Das ist noch nicht umgesetzt", räumt Martin Wancata, Leiter der Sozialabteilung des Landes, auf STANDARD-Anfrage ein: "Doch wir arbeiten an einer Lösung, und die wird es in Kürze geben." Gedacht sei daran, Bewohnern von Not-WGs künftig Geld aus einem Topf für besondere Hilfe zu gewähren.

Purkarth hält von solch einer Lösung wenig. Statt Bedürftige zu Almosenempfängern zu machen, gehöre das Mindestsicherungsgesetz geändert und von all den nun offensichtlichen "Grauslichkeiten" befreit: "Das ist ein Verhau, der Arme nur noch ärmer macht." (Gerald John, 29.9.2017)