Wien – Haushaltsabgabe für alle, angebliche Verhörmethoden im ORF, Privatisierung von ORF 1 oder Ö3, Medienförderung für profitable Medien, Regeln und Steuern für Google und Facebook: DER STANDARD schickte den Mediensprechern der Parlamentsparteien 20 Fragen zur Medienpolitik.

Dieter Brosz (48) sitzt seit 1999 für die Grünen im Nationalrat, seit 2008 ist er ihr Mediensprecher. Seine Antworten im STANDARD-Fragebogen über ORF, Privatsender, Medienförderung, Google, Facebook, Überwachung und Informationsfreiheit:

STANDARD: Medienminister Thomas Drozda hat sich eine ORF-Reform und zuvor eine Enquete über die künftige Finanzierung, die künftigen Aufsichtsgremien und den Programmauftrag des ORF vorgenommen, die sich vor der Wahl nicht mehr ausging. Wie soll der ORF aus Ihrer Sicht künftig finanziert, organisiert, geführt und beauftragt werden?

Brosz: Die Grundvoraussetzung einer Reform wäre ein Konsens zu einem öffentlich-rechtlichen Rundfunk, von dem sich keine Partei politische Vorteile erwartet. Drozda hat die Enquete ja mehrmals verschoben, weil SPÖ und ÖVP den ORF nach wie vor als parteipolitisches Machtinstrument verstehen und es keine Einigung zwischen den Regierungsparteien gab. Die Grünen treten für einen ausreichend öffentlich finanzierten und so weit wie möglich von parteipolitischer Einflussnahme befreiten öffentlich-rechtlichen Rundfunk ein.

STANDARD: Braucht es künftig einen gebührenfinanzierten österreichischen öffentlich-rechtlichen Rundfunk – und mit welchen Aufgaben?

Brosz: Eindeutig ja. Der ORF ist im internationalen Vergleich in einer schwierigeren Ausgangslage. Deutschland als gleichsprachiges, aber zehnmal so großes Nachbarland ist im Fernsehbereich natürlich eine Challenge. Auch die österreichischen Privatsender haben deutsche Eigentümer. Privatsender haben ganz unabhängig von ihrer Qualität ein Hauptziel: Gewinn zu erwirtschaften. Gibt es diesen nicht, können sie ganz schnell abgedreht werden. Es gibt auch keinen Programmauftrag, der zu einer ausgewogenen Berichterstattung verpflichtet. Bei allen Schwächen, die beim ORF zu Recht kritisiert werden können: In Zeiten von Fake-News, die sich online in abenteuerlicher Geschwindigkeit verbreiten, braucht es Qualitätsjournalismus. Darauf sollte der ORF noch mehr Wert legen. Die Quote darf bei einem öffentlich-rechtlichen Sender nicht das oberste Ziel sein.

STANDARD: In den vergangenen Wochen kursierten wieder einmal Spekulationen, eine neue Regierung könnte ORF 1 oder Ö3 privatisieren, die Sender könnten einzelnen Medienhäusern schon versprochen sein. Was halten Sie von der Idee, ORF 1 und/oder Ö3 abzuspalten und privaten Medienunternehmen zu verkaufen?

Brosz: Nichts. Dahinter steht die Idee, den ORF auf einen sehr eng definierten Programmauftrag zu reduzieren. Ich schätze den Radiosender Ö1 ungemein, wir wissen aber auch, dass damit (leider) nur ein kleiner, politisch und kulturell sehr interessierter Teil der Bevölkerung erreicht wird. Das kann kein ausreichender Auftrag für den ORF im Gesamten sein. Ich finde, dass der ORF ein Vollprogramm mit Unterhaltung und Sport liefern muss, um zwei immer wieder diskutierte Bereiche zu nennen. Aber nicht jede Art von seichter Unterhaltung soll öffentlich-rechtlich produziert werden. Das wird immer eine Gratwanderung bleiben. Ein Wort noch zum Sport: Die Privaten beklagen sich, dass der ORF die Rechte wegkauft. Großer Streitpunkt war in der Vergangenheit immer die Fußball-Champions-League. Die wird es in Zukunft nur mehr im Pay-TV geben. Somit wird der Zugang zu Sportübertragungen eine Frage der Geldbörse. Diese Entwicklung halte ich für problematisch.

Champions League nur für zahlende Kundschaft: "Diese Entwicklung halte ich für problematisch", sagt Grünen-Mediensprecher Dieter Brosz.
APA / Georg Hochmuth

STANDARD: In Deutschland müssen – bis auf sozial Bedürftige – alle Haushalte für ARD, ZDF und Co bezahlen, unabhängig vom Empfang. Ein ähnliches Modell hat sich die Schweiz fix vorgenommen. Hier ist Radio-Streaming auch von ORF-Programmen bisher gebührenfrei, weil technisch kein Rundfunkempfang, an den das Gesetz die GIS-Gebühr knüpft. Wäre eine Haushaltsabgabe sinnvoll?

Brosz: Angesichts der technischen Entwicklung wird das auch in Österreich kommen. Da wurden ganz offensichtlich noch die Wahlen abgewartet, weil die Regierungsparteien niemanden verärgern wollten. Die Finanzierung des ORF war für SPÖ und ÖVP immer ein politisches Druckmittel, um parteipolitische Interessen von Postenbesetzungen bis zu Sendungsformaten durchzusetzen. Beschämend. Ich hielte es für viel klüger, die Debatte über die Notwendigkeit eines öffentlich-rechtlichen Rundfunks offensiv zu führen, auch wenn es Widerstände gibt.

STANDARD: Der ORF hat 35 Stiftungsräte, beschickt von Regierung (9), Parteien (6), Bundesländern (9), ORF-Betriebsrat (5) und Publikumsrat (6), die ORF-Führung, Budget, Programmschema und wesentliche unternehmerische Entscheidungen bestimmen, sowie 31 Publikumsräte. Wäre eine Verkleinerung des/der Gremien sinnvoll, und wie sollten sie künftig aussehen?

Brosz: Die Grünen haben schon vor Jahren im Nationalrat einen Antrag eingebracht, der die parteipolitische Einflussnahme in den entscheidenden Gremien abgeschafft hätte. Wir treten für die völlige Abschaffung der Entsendung durch Parteien ein. Weder die Bundes- noch die Landesregierungen sollten Vertreter in den Stiftungsrat entsenden können. Aus unserer Sicht sollten die Gremien von einem zivilgesellschaftlichen Konvent besetzt werden, der Österreich in seiner Vielfalt und Buntheit bestmöglich abbildet. Das Gegenargument, in Österreich sei alles parteipolitisch durchdrungen, von den Sportvereinen bis zu den Autofahrerklubs, ist zwar richtig, bei einem gemeinsamen Willen und einer kreativen Zusammensetzung dieses Konvents könnte das Ziel der Entpolitisierung aber weitgehend erreicht werden.

STANDARD: Der ORF hat derzeit einen Alleingeschäftsführer – Alexander Wrabetz – und vier Zentraldirektoren sowie ORF-Landesdirektoren für jedes Landesstudio. Ist der Ist-Zustand sinnvoll – oder sehen Sie sinnvollere Varianten (und welche)?

Brosz: Ich halte grundsätzlich jede Struktur für tragbar, die nicht durch politische Proporzbesetzungen entweder zu Handlungsunfähigkeit oder zu direkter politischer Einflussnahme führt. Das ist in manchen Landesstudios nach wie vor ein großes Thema. Mich wundert es überhaupt nicht, dass "NÖ heute" allen anderen vergleichbaren Bundesländern auch bei den Zuseherzahlen deutlich hinterherhinkt. Wenn eine Informationssendung mit einer Belangssendung der Landesregierung verwechselt werden kann, braucht sich niemand zu wundern. Im Kern geht es nicht um die Struktur im Direktorium, sondern um das Grundverständnis: Der ORF gehört keinen Parteien.

STANDARD: Soll das ORF-Gesetz Mindestanteile für österreichische Produktionen, Musik, Inhalte in Radio- und Fernsehprogrammen des ORF vorschreiben?

Brosz: Österreichische Produktionen sollen im ORF selbstverständlich einen Niederschlag finden und nicht auf Sendeplätze verräumt werden, wo kaum Seher erreicht werden. Das wäre etwa auch bei Mindestanteilen für österreichische Musik zu befürchten. Gestaltungsfreiräume und Schwerpunktsetzungen müssen aber weiterhin möglich sein. Ich sehe beim ORF mit seinen starken Marktanteilen eine große Verantwortung für österreichische Produkte, bin gegenüber starren Quoten aber skeptisch.

STANDARD: Der ORF wünscht sich mehr Möglichkeiten online, von Werbetargeting bis zu längerem Anbieten von Videoinhalten. Was halten Sie davon?

Brosz: Hier würde ich differenzieren. Ich habe nie verstanden, wer etwas davon hat, dass ORF-Sendungen nur sieben Tage abrufbar sein dürfen. Das bringt keinem privaten Anbieter etwas, die Leidtragenden sind nur jene, die etwas Bestimmtes suchen und dann keinen Zugang mehr haben. Immer dort, wo die Bürger die Nachteile haben, sollten Beschränkungen reduziert oder abgeschafft werden. Bei Werbemöglichkeiten bin ich weit skeptischer. Die Online-Beschränkungen haben ja einen ganz bestimmten Hintergrund. Beim ORF-Gesetz 2010 hat sich die ORF-Geschäftsführung mit dem VÖZ im Nebenkammerl der parlamentarischen Zwei-Drittel-Verhandlungen darauf geeinigt, dass diese Beschränkungen kommen und der ORF dafür Online-Werbeeinnahmen lukrieren kann. Die Grünen haben genau deshalb dem Gesetz dann nicht zugestimmt, weil diese Beschränkungen die Zukunft des öffentlich-rechtlichen Rundfunks massiv beschränkt haben. Die FPÖ hat dann die nötigen Stimmen geliefert, mit welchem Deal auch immer. Die Grünen sind für eine ausreichende öffentliche Finanzierung des ORF, dann werden laufende Werbeausweitungen nicht nötig sein.

STANDARD: Kritiker werfen ORF-Journalisten wie Armin Wolf "Verhörmethoden" vor. Braucht es neue Regeln für ORF-Journalisten, und sollen ihre Social Media-Aktivitäten eingeschränkt werden?

Brosz: Grundsätzlich ist Wehleidigkeit in der Politik fehl am Platz. Ein Social Media Verbot halte ich für unangebracht. Allerdings werden Journalisten, die sich auf Social-Media-Kanälen auch inhaltlich positionieren, zu politischen Akteuren. Das ist für die Interviewführung eine Gratwanderung. Auch die Interviewten haben ein Recht, sich darauf zu beziehen. Ich finde es immer spannend, die unterschiedliche Interviewführung bei Experten und Politikern zu beobachten. Bei Experten habe ich oft den Eindruck, dass wirklich interessante Informationen für die Seher herausgearbeitet werden, bei Politikern soll das Match gegen sie gewonnen werden. Das "Bürgerforum" sollte ehrlicherweise Wutbürgerforum heißen.

Privatsender

STANDARD: Zwei Sendergruppen – ProSiebenSat1 und RTL/IP – dominieren das Privatfernsehen in Österreich, insbesondere auf der Basis von Werbefenstern. Seit deren Start in den 1990ern wurden immer wieder Sonderregeln/-steuern für Werbefenster gefordert. Ist da aus Ihrer Sicht etwas zu tun – und wenn, was?

Brosz: In den letzten Jahren hat es eine drastische Verlagerung der Werbeeinahmen vom ORF in die Werbefenster gegeben. Es ist kein Ende dieser Entwicklung abzusehen. Darauf wird die Politik reagieren müssen. Ich erwarte mir vom nächsten Medienminster beziehungsweise der nächsten Ministerin konkrete Vorschläge.

"Die Presseförderung ist ein beschämendes Kapitel in der österreichischen Innenpolitik", erklärt Brosz.
APA / Georg Hochmuth

Medienförderung

STANDARD: Die RTR fördert derzeit kommerzielle Privatsender – etwa die Morning Show auf Kronehit oder Life Radio, Nachrichten auf Puls 4 oder auch Ö24TV mit insgesamt 15 Millionen Euro pro Jahr. Der scheidende RTR-Chef Alfred Grinschgl hat vorgeschlagen, über mehrere Jahre deutlich profitable Sender nicht mehr zu fördern – was halten Sie davon?

Brosz: Öffentliche Förderungen haben einen ganz bestimmten Zweck: Damit sollen Projekte oder Entwicklungen gefördert werden, die es ohne diese Förderungen sonst nicht geben würde. Förderungen für wirtschaftlich ohnehin profitable Sender würden ja nur den Gewinn der Eigentümer erhöhen – und das mit Steuermitteln. Wer dauerhaft Gewinne erwirtschaftet, braucht nicht gefördert werden.

STANDARD: Sehen sie insgesamt Änderungsbedarf bei der Förderung elektronischer Medien (15 Millionen Privat-TV, 3 Millionen Community-Sender, 13,5 TV-Produktionsförderung, Digitalförderung)?

Brosz: Die Förderbeträge wurden in den letzten Jahren sukzessive gesteigert. Änderungen halte ich erst nach einer genauen Evaluierung für sinnvoll. Jedenfalls sollte auch die Hürden für nichtkommerzielle Sender abgebaut werden.

STANDARD: Medienpolitisches Thema der vergangenen Monate war eine Reform der Presseförderung von derzeit 8,9 Millionen Euro. Die Verleger fordern eine Erhöhung. Welche Form der Presse-/Medienförderung halten Sie für sinnvoll?

Brosz: Die Presseförderung ist ein beschämendes Kapitel in der österreichischen Innenpolitik. Sie wurde in den letzten Jahren sogar mehrfach gekürzt. Die Regierungsparteien haben das durch vermehrte Inserate der Bundesregierung ausgeglichen. Die indirekte Förderung durch Inserate und Kooperationen beträgt ein Vielfaches der eigentlichen Presseförderung. Offenbar sind SPÖ und ÖVP nach wie vor der Meinung, dass über ein ökonomisches "Zuckerbrot und Peitsche"-Modell die Berichterstattung beeinflusst werden kann. Die Grünen treten seit langem für eine deutliche Erhöhung der Presseförderung ein, die durch eine massive Reduktion von Regierungsinseraten gegenfinanziert werden kann.

STANDARD: Medienminister Thomas Drozda plante etwa eine hohe Basisförderung nach der Zahl der Journalisten für alle Tageszeitungen einschließlich Gratiszeitungen und ein Bonussystem etwa für Beteiligung am Presserat, moderierte Foren, Redaktionsstatute. Im Ergebnis würden etwa noch sehr profitable Massentitel die "Kronen Zeitung" oder die "Kleine Zeitung" rund 1,1 Millionen Euro bekommen wie auch "Die Presse" oder DER STANDARD. Was halten Sie von diesem Modell?

Brosz: Grundsätzlich sind öffentliche Förderungen nicht dazu da, die Gewinne der Eigentümer zu erhöhen. Mich hat Drozdas Vorschlag einigermaßen verwundert. Für 90 Prozent der Förderung wären Qualitätskriterien egal gewesen, und nur für die restlichen zehn Prozent hätten sie erfüllt werden müssen. Ein Medienminister sollte die Qualitätsdebatte offensiv führen. Der Clou an der Geschichte ist, dass Drozda nicht einmal diese Minimalveränderung durchsetzen konnte und sein Vorhaben nach medialem Gegenwind wieder abgeblasen hat.

STANDARD: Sollen bestimmte Branchen- und Qualitätssicherungsmaßnahmen wie die Teilnahme am Presserat Grundbedingung für Medien- oder Presseförderung sein?

Brosz: Ein ganz klares Ja. Wiederholte Verurteilungen durch den Presserat müssen zu Konsequenzen und letztlich zu einem Entzug der Presseförderung führen.

Medientransparenz

STANDARD: Sollen Regierungsinserate limitiert und/oder reglementiert werden und wenn ja, wie?

Brosz: Eindeutig ja, schlicht und einfach durch budgetäre Kürzungen in den Ressorts und klarere Richtlinien für Regierungsinserate. Für die Umgehung der Bestimmungen muss es Konsequenzen und Sanktionen geben. Regierungsinserate sollen nur mehr möglich sein, wenn es ein dringendes Informationsbedürfnis der Bevölkerung gibt, etwa bei Naturkatastrophen oder notwendigen Maßnahmen gegen sich rasch ausbereitende Krankheiten. Das Medientransparenzgesetz hat zu Verbesserungen geführt etwa durch ein "Kopfverbot", also ein Verbot von Fotos von Regierungsmitgliedern, und die Festlegung, dass die Information im Mittelpunkt stehen muss. Sanktionen bei Verstößen waren bei dieser Zweidrittelmaterie bei SPÖ und ÖVP aber nicht durchsetzbar, erst dann würde das Gesetz wirklich ernst genommen werden.

Google/Facebook

STANDARD: Wesentliche Teile der Online-Werbung gehen – auch in Österreich – an Google und Facebook. Sehen Sie eine Möglichkeit, eine Online-Werbeabgabe auch auf die Werbeeinnahmen von Google und Facebook aus Österreich einzuheben – und wäre das sinnvoll?

Brosz: Hier ist nicht nur Österreich, sondern auch die EU gefordert. Immer größere Teile der Werbung verlagern sich in den Online-Bereich. Selbstverständlich müssen Multis einen fairen Beitrag zur Finanzierung der Aufgaben des Staates leisten und nicht durch die Verschiebung von Gewinnen in Länder mit Niedrigsteuersätzen kaum oder gar keine Steuern zahlen. Ich habe nicht den Eindruck, dass österreichische Minister sich dafür im Rahmen der europäischen Treffen ausreichend einsetzen. Rechtlich ist das sicher eine Herausforderung, aber eine lösbare.

STANDARD: Hasspostings: Sollen Plattformen wie Facebook und Youtube medienrechtlichen Standards unterliegen?

Brosz: Hier muss sehr präzise vorgegangen werden. Die Anwendung aller medienrechtlichen Bestimmungen für Provider – es kann ja keine Sonderbestimmungen für Facebook oder Youtube geben – würde dazu führen, dass es keine offenen Diskussionsplattformen mehr geben kann. Wenn jeder, der ein offenes Forum eröffnet, unmittelbar für jedes Posting verantwortlich gemacht würde, könnte niemand ein solches Risiko eingehen. Die Grünen führen Musterverfahren gegen Facebook, weil aus unserer Sicht bereits bestehendes Recht nicht eingehalten wird. Bei Löschungen von strafrechtlich relevanten Postings gibt es gewisse Verbesserungen, aber bei weitem noch keine befriedigenden Lösungen. Die Datenherausgabe von nicht klar zuordenbaren Facebook-Usern, gegen die mit offengelegter juristischer Begründung rechtlich vorgegangen werden soll, wird von Facebook trotz der Verpflichtung im österreichischen E-Commerce-Gesetz verweigert. Zusammengefasst: Einzelne Bestimmungen müssen nachgeschärft werden, offene Diskussionen aber weiter möglich sein.

Informationsfreiheit

STANDARD: Das Forum Informationsfreiheit fordert – nach Vorbild Hamburgs – ein Transparenzgesetz, das Behörden zur Auskunft und Veröffentlichung von Verträgen, Dokumenten, Daten verpflichtet. Wäre das sinnvoll, und wenn ja, in welcher Form?

Brosz: Österreich braucht ein Informationsfreiheitsgesetz. Dazu haben sich auch die Regierungsparteien bekannt. Es gab dazu bereits verschiedene parlamentarische Verhandlungsrunden. Das Problem dabei war, dass bei dem Paket von SPÖ und ÖVP zwar Informationsfreiheit draufstand, aber Geheimhaltung drinnen war. Albert Steinhauser hat beim Hearing im Verfassungsausschuss anhand mehrerer Beispiele wissen wollen, ob nach dem Gesetzesentwurf Informationen erteilt worden wären. Da gab es für viele Abgeordnete ein Aha-Erlebnis. So wurde klargestellt, dass etwa die Kosten des Grenzzauns in Spielfeld wegen wirtschaftlicher Interessen nicht offengelegt würden. Ein solches Informationsfreiheitsgesetz würde sich selbst ad absurdum führen. Somit ist die Ankündigung der Regierungsparteien – wie so vieles in dieser Periode – unerledigt geblieben.

Überwachung

STANDARD: Sind die Möglichkeiten der österreichischen Behörden zur Überwachung persönlicher Daten und Kommunikation ausreichend, gehen sie zu weit oder zu wenig weit?

Brosz: Gegen die von Innenminister Wolfgang Sobotka geplante Massenüberwachung aller Bürger werden wir massiven Widerstand leisten. Bevor ein Innenminister neue Überwachungsmethoden vorschlägt, sollte es eigentlich eine Selbstverständlichkeit sein, dass die bestehenden Möglichkeiten evaluiert und die Ergebnisse präsentiert werden. Grundsätzlich brauchen wir nicht mehr Überwachungsinstrumente, sondern mehr gut ausgebildetes Personal. Nicht das Anhäufen von Stroh hilft bei der Suche nach der Nadel im Heuhaufen, sondern die Kompetenz, mit den bestehenden Daten professionell umzugehen. (Harald Fidler, 28.9.2017)