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Die Einstellung zu Cannabis variiert in Österreich weiterhin stark.

Foto: REUTERS/Andres Stapff

Wien – "Ich bin froh, dass es sich einmal nicht um die Sonntagsfrage handelt", sagte Peter Hajek und spielte auf die momentane Hochkonjunktur der Wahlforschung an. Die Fragen, die der Meinungsforscher einem Panel von 1.000 repräsentativ ausgewählten Bewohnern Österreichs ab 16 Jahren stellte, zielten aber ebenfalls auf ein sachpolitisches Thema ab, wenngleich auf ein eher spezielles: "Sollte Cannabis generell für alle ab 21 Jahren legalisiert werden?", lautete eine der Fragen, und die Antworten fielen deutlich gegen eine Freigabe von Hanf als Freizeitdroge aus.

Mit 64 Prozent verneinten fast zwei Drittel der Befragten eine generelle Legalisierung. Nur 29 Prozent antworteten mit "stimme sehr zu" oder "stimme eher zu". Sieben Prozent enthielten sich einer Aussage.

Umgekehrt befürwortet eine überwiegende Mehrheit den Gebrauch von Hanfblüten als Arzneimittel. Mit dem Gedanken, dass medizinisches Cannabis unter ärztlicher Verschreibung und Anwendung beziehungsweise auf Rezept in Apotheken erhältlich sein soll, können sich jeweils 78 Prozent der Befragten anfreunden.

Nur je 18 Prozent sprachen sich eher oder völlig gegen den medizinischen Einsatz aus – und wünschen sich damit eine noch restriktivere Regelung als die derzeit gültige. Denn bestimmte Arzneien auf Cannabisbasis dürfen bereits jetzt unter Auflagen verschrieben werden: Tetrahydrocannabinol (THC) und Cannabidiol (CBD), zwei der rund 500 in der Hanfpflanze vorkommenden Wirkstoffe, dürfen in (teil)synthetisierter Form schon heute verordnet werden.

Eingesetzt werden sie etwa zur Schmerzlinderung, bei Epilepsie, Appetitlosigkeit oder in der Krebsbegleittherapie. "Die Informationsdefizite, gesetzlichen Hürden und bürokratischen Schikanen" seien dabei allerdings enorm, sagte Kurt Blaas bei der Präsentation der vom Wiener Hanfproduzenten Flowery Field und der Arbeitsgemeinschaft Cannabis als Medizin beauftragten Studie am Dienstag in Wien.

Eine der Schikanen sieht der Allgemeinmediziner Blaas, der sich seit zwanzig Jahren für Medizinalhanf einsetzt, im Zwang zur lückenlosen Dokumentation: Nur wer beweisen kann, dass alle anderen konventionellen Therapien zu keiner Besserung geführt haben, und nur wer eine chefärztliche Genehmigung vorlegt, kann mit einer Rückerstattung der Arzneikosten durch die Krankenkasse rechnen.

Ohne eine solche bleiben die Patienten monatlich auf Kosten von 500 bis 600 Euro für THC- und 800 bis 1.000 Euro für CBD-Präparate sitzen, so Blaas. Aktuell würden rund 30 Prozent der THC- und so gut wie keine der CBD-Kosten übernommen.

Nur vier Prozent wurden informiert

Blaas sprach sich für eine gesetzliche Regelung aus, die nicht nur die Gabe weniger extrahierter Substanzen erlaubt, sondern der ganzen Hanfblüte "mit ihren hunderten Wirkstoffen". Die Blüte müsse nicht wie übliche Medikamente in Tropfen- oder Tablettenform eingenommen werden, sondern könne auch als Tee zubereitet oder inhaliert werden.

"Wir müssen die Wünsche der schwerkranken Menschen berücksichtigen", sagte Blaas und bat eine seiner Patientinnen zu Wort. Gisela Bors leidet seit ihrer Geburt an Morbus Wilson, einer Erberkrankung, bei der Kupfer im Nervensystem und anderen Organen abgelagert wird. Chronische Verkrampfungen ließen sie nicht mehr sprechen und keinen Stift halten, sagte Bors, und keine Medikamente, keine kinesiologische, physikalische oder sonstige Therapie zeigte Besserung. Erst die Einstellung auf Medizinalhanf habe ihr neue Lebensenergie gegeben. Sie könne nun relativ frei sprechen und schreiben, und die Schmerzen seien gelindert, "wenn auch nicht ganz weg", so Bors. "Wundermittel ist es keines."

Neben einer gesetzlichen Erleichterung des Einsatzes von Cannabis appellierte Blaas auch an seine Berufskollegen, sich stärker dem Arzneimittel Hanf zu öffnen. Hajeks Ergebnisse geben ihm recht: Nur vier Prozent der Befragten wurden bereits durch Ärzte oder Apotheker über das Thema Medizinalhanf informiert. (Michael Matzenberger, 26.9.2017)