Mit der rechtsradikalen AfD feiern zumindest einige FPÖ-Exponenten.

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Im Wiener Prater sind Lachkabinette eine traditionelle Belustigung: Man schaut in den einen oder anderen Spiegel und sieht ein verzerrtes Bild – hahaha, so dick, so dünn, so gescheit, so lächerlich schaut mir mein Ebenbild entgegen! Ein bisschen fühlt man sich an diese Zerrbilder erinnert, wenn sich heimische Politiker über die Wahlergebnisse in anderen Ländern unterhalten. Wie fett sieht denn die Schwesterpartei da aus! Oder wie dünn die Ideologie des Gegners! Hahaha! "Linke Politik wurde klar abgewählt", lautete ein berühmt gewordener Tweet von Sebastian Kurz, als dieser seinen Senf zum Wahlausgang in Frankreich dazugeben wollte. ÖVP-Chef war er damals noch nicht – aber vielleicht war er ja gerade im Prater.

Auch wenn jetzt österreichische Politiker das Wahlergebnis aus Deutschland analysieren, laufen sie Gefahr, sich von einer falschen Optik täuschen zu lassen. Ein optimistischer Anhänger der SPÖ kann den Wahlausgang etwa dahingehend deuten, dass ein erfolgreicher Regierungschef eben mit dem ersten Platz ausgezeichnet wird, also ein gutes Omen für Kanzler Christian Kern. Ein pessimistischer Anhänger der SPÖ wird eher wahrnehmen, dass die Schwesterpartei SPD das schlechteste Ergebnis ihrer Geschichte einfahren musste. Und ein Gegner der SPÖ wird ohnehin im Blick haben, dass die Sozialdemokratie europaweit in eine Krise geschlittert sein dürfte.

So lässt sich das Ergebnis durch jegliche Parteibrille betrachten: Den Grünen gibt Hoffnung, dass ihr deutsches Pendant (minimal) zugelegt hat, die Neos können mit der FDP feiern, bei der FPÖ feiern zumindest einige Exponenten mit der rechtsradikalen AfD. Die ÖVP tut sich mit der Deutung am allerschwersten, zu viele Zerrbilder, zu viele Analogien, die letztlich doch nicht passen, bieten sich an: Die konservativen Schwesterparteien CDU/CSU haben zwar mit großem Abstand zur Konkurrenz gewonnen (würde man gerne auch), aber große Einbußen erlitten (wäre bei vergleichbarem Ausmaß das Ende der ÖVP). An die große Koalition gab es eine Absage (was die Linie von Kurz stärkt), gleichzeitig aber hat Merkel als klare Favoritin in den Umfragen weniger hoch gewonnen als erhofft. Auch das kann sich Kurz nicht wünschen.

Also bleibt, darauf zu verweisen, dass jede Wahl für sich ganz allein steht. Und dass die Wähler sich von Ergebnissen anderer Wahlen kaum beeinflussen lassen. Wenn sie Zerrbilder sehen wollen, gehen sie lieber in den Prater. (Conrad Seidl, 25.9.2017)