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Liliane Bettencourt starb im Alter von 94 Jahren.

Foto: REUTERS/Benoit Tessier

Liliane Bettencourt war laut dem US-Magazin "Forbes" die reichste Frau der Welt und sicher eine der mächtigsten in der Welt der großen Konzerne. In Erinnerung wird aber eine Szene von 2010 bleiben, in der sie völlig hilflos und verloren wirkte. Weitgehend taub, die dumpfe Stimme umso lauter, nahm sie auf dem französischen Fernsehsender TF1 Stellung zur "Affäre"; mit gehetztem Blick verteidigte sie sich und ihren verstorbenen Gatten, der Minister und Notabeln mit Bargeld-Umschlägen eingedeckt hatte. Nein, sie habe keine Steuerflucht begangen, rief sie aus; nein, sie sei ihrem jungen Verehrer nicht unterworfen – und nein, sie wolle nicht unter Vormundschaft gestellt werden.

Liliane Henriette Bettencourt war 1922 als Einzelkind des Chemikers Eugène Schueller in Paris auf die Welt gekommen. Ihr Vater war zu arm, um eine Hochschule zu besuchen und bildete sich autodidaktisch zum Chemiker aus. Bald erfand er ein Haarfärbemittel, dem er den Namen L'Auréale gab. Daraus wurde später der Weltkonzern L'Oréal. Die schüchterne Liliane wurde von den Dominikanerinnen ausgebildet und klebte in der Firma ihres Vaters selber Etiketten auf die Flacons.

Reich geworden, heiratete sie den Minister André Bettencourt, der zu Vichy-Faschisten Kontakt pflegte und mit dem nachmaligen Staatspräsidenten François Mitterrand befreundet war. Liliane reinigte später diesen Fleck auf der L'Oréal-Weste, als sie 1957 nach dem Tod ihres Vaters die Geschicke des Unternehmens übernahm. In der Pariser Kunstszene fiel sie mit Stil, Humor und Esprit auf.

Ein Picasso und eine Insel

Dort beging sie aber auch einen eigenen Fehler – ihren schwersten: Sie ließ sich von dem jüngeren Fotografen und Dandy François-Marie Banier bezirzen. Dem sehr dominant gewordenen Vertrauten schenkte sie laut Gerichtsakten über die Jahre insgesamt 993 Millionen Euro. Darunter waren ein Picasso und eine Seychellen-Insel.

Lilianes Tochter Françoise – wie ihre Mutter ein Einzelkind und katholisch ausgebildet – gelang es erst nach Jahren, den Geldhahn abzudrehen. Sie stellte bei Gericht den Antrag, ihre Mutter zu entmündigen. Die "Bettencourt-Affäre" brach richtig auf, als Lilianes Butler in der Villa im Pariser Nobelvorort Neuilly-sur-Seine – wo ein gewisser Nicolas Sarkozy Bürgermeister gewesen war und André Bettencourt oft getroffen hatte – Mikrofone aufstellte. Er nahm die Gespräche heimlich auf und spielte sie den Medien zu. So bekam die konsternierte Öffentlichkeit mit, wie Finanzberater Patrice de Maistre die altersschwache Frau zum Beispiel um eine Yacht für Saint-Tropez bat, nachdem er ihr geraten hatte, Schweizer Bankkonten in sicherere Steueroasen zu verlegen.

2011 kam Liliane Bettencourt effektiv unter Vormundschaft. Hinter den Kulissen begann die Schlacht um L'Oréal und den Partnerkonzern Nestlé. Françoise Bettencourt erhöhte den Familienanteil an dem Kosmetikgiganten schließlich auf 33,3 Prozent, Nestlé ging auf 23,2 Prozent zurück. Derweil ermittelte die Justiz. Banier und de Maistre erhielten teilweise unbedingte Haft- und hohe Geldstrafen. Politiker wie Sarkozy und Eric Woerth wurden nicht weiter belangt. Am Donnerstag gingen auch mehrere Enthüllungsjournalisten sowie der Butler in der Berufung straflos aus. Ob Liliane Bettencourt noch davon erfahren hatte? Am Abend des gleichen Tages wurde bekannt, dass die große alte Dame das Zeitliche gesegnet habe. (Stefan Brände aus Paris, 21.9.2017)