Wien – Dass Norbert L. ein echtes Problem hat, scheint ihm nur bedingt bewusst zu sein. Dass er einen Fünfjährigen schwer sexuell missbraucht hat, wie ihm Staatsanwältin Gabriele Müller-Dachler vorwirft, gesteht er vor dem Schöffensenat unter Vorsitz von Martina Krainz unumwunden ein. Bei der Frage nach dem Warum ist er dagegen ausweichender.

Auf dem Papier hat der 38-Jährige bisher ein recht unauffälliges Leben geführt – keine Vorstrafen, einen Job in der Gastronomie. Allerdings hat er auch 35.000 Euro Schulden, und die gibt er gegenüber Krainz zunächst auch als Grund an, warum er sich 2015 auf einer Internetplattform registriert hat, um seine Dienste als Babysitter anzubieten.

Schon früher mit Kindern gearbeitet

"Ich wollte Geld dazuverdienen, um Schulden zu zahlen." – "Und warum gerade als Babysitter?" – "Das hat mich mehr interessiert." – "Inwiefern?" – "Ich habe schon früher mit Kindern gearbeitet", sagt der Angeklagte.

Das Interesse an dem korpulenten Mann dürfte enden wollend gewesen sein – erst im vergangenen Mai bekam er sein erstes Engagement. Das heute sechsjährige Opfer fand ihn nett, die Eltern ebenso, Mitte Mai beschloss das Paar also, L. für ein Wochenende auf den Buben aufpassen zu lassen.

Ein tragischer Fehler, an dem das Kind noch heute leidet. Die Vorsitzende hält dem Angeklagten noch etwas anderes vor: "Nach Ihrer Festnahme sind auf Ihrem Handy und Ihrem Computer ganz viele Bilder gefunden worden – Sie haben seit Jahren Kinderpornos gesammelt." L. nickt.

Seit Jahren Kinderpornos gesammelt

"Offenbar haben Sie ja ein spezielles Interesse an Kindern", beginnt Krainz vorsichtig. "Nein, es ist einfach passiert. Es tut mir leid." – "Haben Sie je eine Beziehung gehabt?" – "Ja, hatte schon eine. Vor zwei Jahren." – "Warum sammeln Sie dann solche Sachen?" – "Das ist nur für mich gewesen." – "Schon klar. Aber warum?" – "Keine Ahnung." – "Haben Sie gewusst, dass es vielleicht zu Problemen kommen könnte, wenn Sie als Babysitter arbeiten?" – "Ja, das habe ich gewusst."

Bei der Polizei hat L. noch ausgesagt, es habe ihn interessiert, ob er erregt werden würde, wenn er an dem Kind "herumspielt". Das habe "leider nicht funktioniert". Nun sagt er: "Ich habe nur mit seinem Penis gespielt und ihm den Finger in den Hintern gesteckt." – "'Nur' ist gut. Wie ging es weiter?" – "Er hat gesagt, ich soll aufhören, da habe ich aufgehört." – "Der Bub sagt aber, er hat es ganz oft sagen müssen?" – "Ich habe noch einmal angefangen."

"Haben Sie sich überlegt, dass Sie sich vielleicht Hilfe holen?", fragt Krainz. "Ja. Psychologische Hilfe." – "Haben Sie sich darum schon gekümmert?" – "Nein, ich bin noch nicht dazu gekommen." – "Sie sind seit Mai in Untersuchungshaft! Worauf wollen Sie noch warten?", wundert sich die Vorsitzende.

Nicht das erste Opfer

Die Anklägerin hält ihm schließlich auch noch vor, dass auf seinem Handy Aufnahmen von Genitalien eines Mädchens und eines Buben gefunden wurden. "Haben Sie die selbst gemacht?", interessiert Müller-Dachler. "Ja", gibt L. zu. "War der Bub also doch nicht der Erste?" – Der Angeklagte nickt stumm. Dazu wird es aber ein eigenes Verfahren geben.

Die Privatbeteiligtenvertreterin will 1.500 Euro für die psychischen Schäden für das Kind und die 100 Euro Babysitterhonorar zurück. Mit gesenktem Kopf hört L. zu, als sie die Folgen für das Kind beschreibt: Er wolle nicht mehr allein bleiben, schlafe nicht mehr in seinem Bett, werde oft wütend und "leidet an einem Vertrauensverlust in die Menschheit".

Glücklicherweise hatte der Bub genügend Selbstbewusstsein und Vertrauen, seinem Vater von dem Angriff zu erzählen. Der Angeklagte ist mit der Geldforderung einverstanden, 1.000 Euro hat sein Verteidiger schon vor der Verhandlung übergeben.

Keine Chance auf Fußfessel

Bei einem Strafrahmen von ein bis zehn Jahren wird L. schließlich rechtskräftig zu drei Jahren Haft verurteilt, die Möglichkeit einer Fußfessel wird dezidiert ausgeschlossen. "Sie haben seit Jahren ein Problem", merkt die Vorsitzende in der Urteilsbegründung noch an. (Michael Möseneder, 20.9.2017)