Baie-Mahault – Hurrikan Maria hat auf seinem Zug durch die Karibik Verwüstungen angerichtet. Auf der Insel Dominica gebe es ersten Informationen zufolge großflächige Zerstörung, zitierte der TV-Sender Telesur Regierungschef Roosevelt Skerrit in der Nacht auf Dienstag.

Seine größte Sorge für den Morgen seien Nachrichten über Verletzte und mögliche Tote. Der Hurrikan habe die ehemalige britische Kolonie "brutal" getroffen. Nach Dominica zog das Zentrum des Sturms nahe an der zu Guadeloupe gehörenden Inselgruppe Saintes vorbei. Dann nahm Maria Kurs auf die Jungferninseln und Puerto Rico.

Auf der Insel Guadeloupe wurde ein Mensch von einem Baum erschlagen, zwei Menschen wurden vermisst, wie französische Medien unter Berufung auf die örtliche Präfektur berichteten.

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In dem US-Außengebiet könnte der Sturm Mittwochfrüh auftreffen – es wäre das erste Mal seit 85 Jahren, dass die Insel wieder direkt von einem Hurrikan getroffen wird. Nach seinem Zug über Dominica hatte sich Maria zunächst abgeschwächt und war auf die zweithöchste Kategorie 4 herabgestuft worden. Das US-Hurrikanzentrum stufte ihn am Dienstag wieder in die höchste Kategorie 5 ein.

257 Kilometer pro Stunde

Maria bewege sich mit einer Geschwindigkeit von 15 Kilometern pro Stunde westlich und erreiche Windgeschwindigkeiten von bis zu 257 Kilometer pro Stunde, hieß es. Hurrikanwarnungen galten Dienstagfrüh unter anderem für Guadeloupe, die US-amerikanischen und britischen Jungferninseln sowie St. Kitts und Nevis, Montserrat und Puerto Rico. Auf Guadeloupe und in der Dominikanischen Republik gab es Evakuierungen.

"Mein Dach ist weg"

Auf Dominica bekam Regierungschef Skerrit persönlich die Kraft der Naturgewalt zu spüren: "Mein Dach ist weg. Ich bin der Gnade des Hurrikans ausgeliefert. Mein Haus wird überschwemmt", schrieb er auf Facebook. Kurz darauf wurde der Regierungschef in Sicherheit gebracht: "Ich bin gerettet worden", schrieb er. Maria hatte vor Auftreffen auf der Insel schnell an Kraft gewonnen.

Geringe Schäden auf Martinique

Starke Böen und kräftige Regenschauer fegten zuvor über Martinique hinweg, als Maria am Montagabend die Karibikinsel passierte, wie der Radiosender RCI berichtete. Bäume wurden entwurzelt, und hohe Wellen trafen auf die Küste. Behördenvertreter berichteten am Dienstag aber von vergleichsweise geringen Schäden. Zwei Menschen seien leicht verletzt worden, in 25.000 Haushalten gebe es keinen Strom, und zwei Gemeinden seien ohne Trinkwasser, sagte der Leiter des französischen Zivilschutzes, Jacques Witkowski. Die Präfektur der französischen Überseegebiete Guadeloupe und Martinique hatte eine Ausgangssperre verhängt.

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Maria war innerhalb weniger Stunden von Kategorie zwei schrittweise auf die höchste Kategorie fünf hochgestuft worden. Damit handle es sich um einen "potenziell katastrophalen" Wirbelsturm, hatte das US-Hurrikanzentrum gewarnt. Wenig später traf Maria auf Dominica auf Land. Dort wurden Flughäfen und Häfen geschlossen und alle verfügbaren Notunterkünfte in Betrieb genommen. In sozialen Netzwerken berichteten Inselbewohner über umgestürzte Bäume und Strommasten, starken Regen und Überschwemmungen.

Zerstörung nach dem Hurrikan auf Martinique.
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Tausende ohne Strom

Das US-Hurrikanzentrum riet den Leeward-Inseln, zu denen das französische Überseegebiet Martinique, das US-Außengebiet Puerto Rico und die britischen und US-Jungferninseln gehören, sich auf hohe Wellen, Sturmfluten und Erdrutsche einzustellen. Von der Insel St. Lucia wurden bereits Überschwemmungen, Erdrutsche und Stromausfälle gemeldet. Auf Guadeloupe waren vorsorglich mehrere Gebiete evakuiert worden. Alle Einwohner wurden aufgerufen, in Gebäuden Schutz zu suchen. Auf Martinique waren laut dem Energieversorger EDF 16.000 Haushalte ohne Strom. Air France, Air Caraïbes und Corsair sagten ihre Flüge von und nach Martinique und Guadeloupe ab.

Petit-Bourg, Guadeloupe.
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Der Leiter einer Hurrikan-Taskforce der britischen Armee, Chris Austin, sagte: "Wir bereiten uns auf das Unerwartete vor, wir planen für das Schlimmste." Die niederländische Marine erklärte auf Twitter, Soldaten seien auf dem Weg zu den kleinen Inseln Saba und St. Eustatius, um dort für Sicherheit zu sorgen.

Frankreichs Innenminister Gerard Collomb hatte am Sonntag die sofortige Entsendung von 110 zusätzlichen Soldaten des Zivilschutzes und hunderter weiterer Einsatzkräfte angekündigt. Da Guadeloupe bisher die Logistikzentrale für die Hilfslieferungen an die von Hurrikan Irma betroffenen Inseln gewesen sei, rechnete Collomb wegen Maria nun mit "großen Schwierigkeiten".

In San Juan, Puerto Rico, bereitet man sich auf den Hurrikan vor.
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Die Regierungen in Großbritannien, Frankreich und den Niederlanden sehen sich seit dem Durchzug von Irma Vorwürfen ausgesetzt, sie hätten zu spät auf das Unwetter in ihren Überseegebieten reagiert. Für Unmut sorgten neben Stromausfällen sowie Trinkwasser- und Lebensmittelengpässen auch Plünderungen.

Irma hatte vor zwei Wochen in der Karibik schwere Zerstörungen angerichtet. Mindestens 40 Menschen starben. Anschließend wütete der Hurrikan im US-Bundesstaat Florida.

Nach neuen Angaben vom Montag starben dort mindestens 50 Menschen infolge des Hurrikans. Auf dem Festland von Florida seien 34 Menschen durch Irma ums Leben gekommen, teilten die Behörden mit. Bei dieser vorläufigen Bilanz wurden allerdings nicht die Opfer auf den Keys mitgezählt; auf der Inselkette vor Florida starben nach Angaben der zuständigen Bezirksverwaltung mindestens acht Menschen. Auch die acht Menschen, die in einem Altersheim bei Miami wegen Stromausfalls infolge des Sturms starben, wurden in der vorläufigen Bilanz noch nicht mitgezählt. (APA, red, 19.9.2017)